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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.10.2004
Aktenzeichen: III B 161/03
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 81 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Rechtsnachfolger der verstorbenen Eheleute S. Herr S unterhielt einen Gewerbebetrieb, zu dessen Anlagevermögen u.a. zwei Sand- bzw. Kiesgruben in C und D gehörten. Die Sand- und Kiesgruben wurden aufgrund vertraglicher Vereinbarung von der Firma E S & Co. GmbH ausgebeutet.

Die Steuerbilanzen von S enthielten keine Aufteilung der Anschaffungskosten in Grund und Boden bzw. Mineralvorkommen. Die gesamten Anschaffungskosten waren dem Wirtschaftsgut Mineralvorkommen zugeordnet und abgeschrieben worden. In der Bilanz zum 31. Dezember 1993 war der Altbestand der Sandgrube C mit 1 DM erfasst, das am 10. Oktober 1988 für 222 600 DM angeschaffte Grundstück "F" abzüglich bisher gewährter Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 150 400 DM mit 72 200 DM, das am 2. Februar für 115 012 DM erworbene Grundstück "G" abzüglich bisheriger AfA in Höhe von 67 812 DM mit 47 200 DM und das im Jahr 1992 für 62 368 DM angeschaffte Grundstück "H" abzüglich bisheriger AfA von 0 DM mit 62 368 DM. Die Sandgrube D, die ursprünglich für ca. 160 000 DM angeschafft worden war, war mit einem Buchwert von 1 DM enthalten.

Nach einer Außenprüfung teilte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Wirtschaftsgüter in Grund und Boden und Mineralvorkommen auf. Er setzte den Ermittlungen des Prüfers folgend den Wert des Grund und Bodens für die Altbestände der Sandgrube mit 1 DM/qm an, im Übrigen mit 1,50 DM/qm.

Da zum größten Teil bereits Abschreibungen über diese Bilanzansätze des Grund und Bodens hinaus vorgenommen worden waren, berichtigte das FA gemäß § 4 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) zum 31. Dezember 1993 die Bilanz.

In der --die Einsprüche der Kläger zurückweisenden-- Einspruchsentscheidung führte das FA aus, der Teilwert des Grund und Bodens zum Zeitpunkt des Erwerbs entspreche den Anschaffungskosten und decke sich zu einem späteren Zeitpunkt mit den Wiederbeschaffungskosten. Eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert wegen bleibender Wertminderung komme nur für die bereits ausgebeuteten Flächen in Betracht. Da die durchschnittlichen Kaufpreise für land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen in den Streitjahren 1,70 bis 1,80 DM/qm betragen hätten, für die Altflächen aber nur 1 DM/qm und die übrigen Flächen 1,50 DM/qm angesetzt worden seien, seien bereits Teilwertabschreibungen für ausgebeutete Teilbereiche der Gruben insbesondere bei den Altflächen berücksichtigt worden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger u.a. Verfahrensmängel geltend (§ 76 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).

Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen vor.

Das FG hat seine Aufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO verletzt, denn es hat den Teilwert der Grundstücke und der Mineralvorkommen nicht ermittelt.

1. Streitig ist der Wert von Grundstücken, die S zusammen mit Sand- und Kiesvorkommen zu einem einheitlichen Kaufpreis erworben hat.

a) Grund und Boden ist mit den Anschaffungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG). Ist der Teilwert niedriger, so kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) (Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252) ist ein Gesamtkaufpreis für mehrere Wirtschaftsgüter grundsätzlich nach dem Verhältnis der Teilwerte aufzuteilen. Es ist nicht zulässig, den Verkehrswert nur eines der beiden Wirtschaftsgüter zu ermitteln und den übrigen Teil der Anschaffungskosten dem anderen Wirtschaftsgut zuzuweisen. Diese sog. Restwertmethode verwirft der BFH in ständiger Rechtsprechung, weil sie mit dem Gebot der Einzelbewertung nicht vereinbar ist (BFH-Urteile in BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252; vom 10. Oktober 2000 IX R 86/97, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, und vom 11. Februar 2003 IX R 13/00, BFH/NV 2003, 769).

c) Der Wert des Grund und Bodens kann unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte vergleichbare Grundstücke, auf der Grundlage von Durchschnittswerten oder durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ermittelt werden (BFH-Urteile in BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252, und vom 8. September 1994 IV R 16/94, BFHE 176, 340, BStBl II 1995, 309; BFH-Beschluss vom 8. Juli 1998 VIII B 80/97, BFH/NV 1999, 37).

Ist die Bewertung eines Mineralvorkommens streitig, so ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen, es sei denn, es hat selbst die nötige Sachkunde (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2001 III B 52/00, BFH/NV 2001, 1419 zur Bewertung eines bebauten Grundstücks). Zwar steht die Zuziehung eines Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Dieses Ermessen des Tatsachengerichts wird aber verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachtlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.

2. Das FG hat die Teilwerte der Mineralvorkommen und der Grundstücke nicht ermittelt. Es ist davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs die durchschnittlichen Kaufpreise für land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen in entsprechenden Gebieten in den Streitjahren 1,70 bis 1,80 DM/qm betragen hätten und dies auch die Teilwerte der angeschafften Grundstücke seien. Gegen diese Teilwertvermutung hätten die Kläger keine durchgreifenden Bedenken geltend gemacht. Auch eine höhere Teilwertabschreibung als die vom FA vorgenommene komme nicht in Betracht, weil die Kläger nicht nachgewiesen hätten, dass die Grundstücke nach ihrer Ausbeutung keinen Marktwert mehr hätten.

Die Kläger haben im Verfahren vorgetragen, dass es sich bei den Flächen nicht mehr um landwirtschaftlich genutzte Flächen, sondern um Wasserflächen handle, die nach dem Abbau in ein Landschaftsschutzgebiet fielen und daher weder landwirtschaftlich noch kommerziell nutzbar seien.

Angesichts dieses Vorbringens, von dessen Richtigkeit das FG ausgegangen ist, hätten sich dem FG weitere Ermittlungen über den Wert der Grundstücke aufdrängen müssen. Denn es erscheint möglich, dass bereits die Anschaffungskosten für die Grundstücke unter denen von landwirtschaftlich genutzten Flächen in diesem Gebiet lagen. Ein Grundstück, das zusammen mit einem Mineralgewinnungsrecht veräußert wird, ist nicht ohne weiteres mit einem landwirtschaftlichen Grundstück vergleichbar, weil feststeht, dass es mit Beginn des Abbaus nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Grundstück nach der Ausbeute im Wesentlichen aus einer Wasserfläche besteht und/oder in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Das FG hätte daher den Grundstückswert durch Vergleich mit ähnlichen Grundstücksveräußerungen ermitteln und, falls dies nicht möglich gewesen wäre, ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Hiervon hätte es nur dann absehen können, wenn es selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen dargelegt hätte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1419, m.w.N.).

3. Sofern der Umstand, dass mit Beginn des Abbaus die Grundstücke nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können und nach dem Abbau zu einem Landschaftsschutzgebiet gehören, nicht bereits den Teilwert zum Anschaffungszeitpunkt wertmäßig beeinflusst hat, wird das FG, ggf. mittels eines Sachverständigengutachtens, zu prüfen haben, ob der Teilwert der Grundstücke in den Streitjahren unter die Anschaffungskosten gefallen war.

Bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern besteht zwar die Vermutung, dass der Teilwert der nachfolgenden Bilanzstichtage noch den Anschaffungskosten entspricht, denn die Bewertung mit den Anschaffungskosten ist die Regel und die mit dem Teilwert die Ausnahme (BFH-Urteil vom 7. November 1990 I R 116/86, BFHE 162, 552, BStBl II 1991, 342). Deshalb ist es Sache desjenigen, der die Bewertung mit dem geringeren Teilwert geltend macht, die Voraussetzungen dafür darzulegen. Allerdings ist die Vermutung widerlegbar, wobei nur im Einzelfall entschieden werden kann, welche Anforderungen an die Widerlegung dieser Vermutung zu stellen sind (BFH-Urteil in BFHE 162, 552, BStBl II 1991, 342).

Mit dem durch den Flächennutzungsplan belegten Vortrag, die Grundstücke könnten weder jetzt noch voraussichtlich in der Zukunft landwirtschaftlich genutzt werden, weil sie nach dem Abbau zu einem Landschaftsschutzgebiet gehörten, haben die Kläger substantiiert die Möglichkeit dargetan, dass der Wert der Grundstücke unter die Anschaffungskosten gefallen sein kann.

Den Klägern ist nicht zuzumuten, ihr Vorbringen durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu untermauern, denn die Vorlage eines Sachverständigengutachtens ist im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als ein Privatgutachten zu behandeln, das als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1419, m.w.N.). Es kann daher nicht als Nachweis, sondern nur als weiteres Indiz eines unter die Anschaffungskosten gefallenen Teilwertes dienen.

Nennt der Steuerpflichtige triftige Gründe, die einen unter die Anschaffungskosten gefallenen Teilwert nahelegen, hat das FG den Teilwert vielmehr selbst zu ermitteln (vgl. Groh, Der Betrieb 1999, 978, 984).

Ende der Entscheidung

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