Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: III B 255/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 2
EStG § 70 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war seit April 2000 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Im April 2004 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Auf seinen Antrag gewährte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) ihm ab April 2004 für zwei Kinder Kindergeld. Den im Dezember 2004 gestellten Antrag, ihm rückwirkend für die Zeit von Mai 2000 bis März 2004 Kindergeld zu gewähren, lehnte die Familienkasse im Januar 2005 ab, da der Kläger in diesem Zeitraum nicht die erforderlichen aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies sie durch Einspruchsentscheidung im Januar 2005 als unbegründet zurück. Klage erhob der Kläger nicht.

Einen erneuten, im Dezember 2007 gestellten Kindergeldantrag für die Zeit von Mai 2000 bis März 2004 wies die Familienkasse im Februar 2008 unter Hinweis darauf ab, dass die Kindergeldfestsetzung für diesen Zeitraum bereits bestandskräftig abgelehnt worden sei und die Voraussetzungen für eine Änderung nicht vorlägen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO).

Zu klären sei die Frage, ob "eine Durchbrechung einer eingetretenen Rechtskraft eines Kindergeldbescheids durch § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dann zu erreichen ist, wenn die Beklagte in dem Zeitpunkt, in dem sie über den Erlass des Verwaltungsakts entscheidet, eine vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuvor als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärte Rechtsnorm des § 62 Abs. 2 EStG a.F. als Ermächtigungsgrundlage heranzieht und sich für die Zukunft auf die Bestandskraft ihres Bescheids beruft, obgleich sie in Kenntnis einer zukünftigen und zeitnahen Neuregelung das Verfahren rechtmäßig hätte aussetzen müssen, wenn gleichzeitig nach der Entscheidung des BVerfG von der Neuregelung zu erwarten war, dass der Kläger nach der Neuregelung einen durchsetzbaren Anspruch auf Kindergeld für einen vergangenen Zeitraum haben würde". § 70 Abs. 2 EStG müsse in einem Fall wie dem vorliegenden dahin ausgelegt werden, dass die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG als Änderung der rechtlichen Verhältnisse der bereits beschiedenen Anspruchsberechtigten anzusehen sei.

Für Fälle wie den vorliegenden bestehe auch ein Bedürfnis für eine richterliche Fortbildung der Gründe, die eine Durchbrechung der Bestandskraft eines Bescheids ermöglichten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sollten vom Bezug des Kindergelds gerade solche Ausländer profitieren, die, wie der Kläger, die Voraussetzungen eines produktiven und integrierten Lebens in Deutschland erfüllten. Der Kläger werde vom Bezug des Kindergelds lediglich deshalb ausgeschlossen, weil er sich frühzeitig um den Bezug des Kindergelds bemüht habe.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert auch keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts. Der Zulassungsgrund der Fortbildung stellt einen Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung dar. In beiden Fällen muss es sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handeln (z.B. Senatsbeschluss vom 14. November 2008 III B 17/08, BFH/NV 2009, 380, m.w.N.). Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedoch bereits durch die Rechtsprechung des Senats geklärt.

1.

Eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 70 Abs. 2 EStG ist nur bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes gegeben (z.B. BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl II 2002, 81).

2.

Ebenfalls geklärt ist, dass es nach der Entscheidung des Gesetzgebers grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen ist, seine Rechte durch Einlegung von Rechtsbehelfen bzw. Rechtmitteln selbst zu wahren (z.B. BFH-Urteil vom 23. November 2006 V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433; Senatsbeschluss vom 19. Februar 2007 III B 195/05, BFH/NV 2007, 1114). Der Kläger hat auch nicht substantiiert dargelegt, weshalb die in der Abgabenordnung und in § 70 EStG vorgesehenen --und im Streitfall nicht vorliegenden-- Möglichkeiten, im Interesse der materiellen Richtigkeit die Bestandskraft von Steuerbescheiden zu durchbrechen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen sollen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 2002 VIII B 121/02, BFH/NV 2003, 168, und VIII B 98/02, Entscheidungssammlung zum Familienrecht, EStG §§ 62 bis 72 Nr. 115). Er hatte die Möglichkeit, den Ablehnungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom Januar 2005 mit einer Klage anzugreifen und in diesem Verfahren ggf. die seiner Ansicht nach geboten gewesene Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf eine zu erwartende Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG zu beantragen.

3.

Geklärt ist ebenfalls, dass es nicht gegen den Gleichheitssatz verstößt, wenn Kindergeldanträge für die Vergangenheit deshalb unterschiedlich beschieden werden, weil in dem einen Fall die Festsetzung von Kindergeld zuvor bereits bestandskräftig abgelehnt worden ist und in dem anderen nicht. Die Bestandskraft des Ablehnungsbescheids ist der rechtfertigende Grund für die unterschiedliche Entscheidung (z.B. BFH in BFH/NV 2003, 168).



Ende der Entscheidung

Zurück