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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: III B 39/06
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist der Vater der 1981 geborenen Tochter X.

X beendete im Jahr 1997 ihre Schulausbildung mit der 10. Klasse. Ihre anschließende Ausbildung zur ...kauffrau schloss sie im Jahr 2000 ab. Im September 2000 wurde sie berufstätig. Nachdem ihr Arbeitsplatz zum 1. September 2003 gekündigt worden war, bewarb sie sich ohne Erfolg bei anderen Arbeitgebern, die ihr stets mitteilten, dass ihr englische Sprachkenntnisse fehlten. X nahm daraufhin ab dem 3. September 2003 für ein Jahr an einem "Cultural Care Au pair"-Programm in den USA teil. Sie lebte während dieser Zeit bei freier Kost und Logis in einer amerikanischen Gastfamilie. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Betreuung der Gastkinder sowie in leichter Hausarbeit. Hierfür erhielt X ein Taschengeld in Höhe von 139 $ pro Woche. Die maximale wöchentliche Arbeitszeit betrug 45 Stunden.

Nach einer Bescheinigung der "Cultural Care Au pair" umfasste der Aufenthalt neben dem täglichen Erlernen und der Anwendung der englischen Sprache gemäß den Vorschriften des US State Departments zusätzlich den Teilzeitbesuch einer Schule oder eines Colleges (ca. 10 Stunden pro Woche inklusive Vor- und Nacharbeit). Nach einer weiteren Bescheinigung besuchte X 4 Stunden wöchentlich Englischunterricht und wandte 6 Stunden pro Woche für Hausaufgaben auf.

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für die Zeit des Aufenthalts von X in den USA ab.

Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus, bei einem Au-Pair-Verhältnis sei eine Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur anzunehmen, wenn der Aufenthalt im Ausland mit einem Sprachunterricht von wöchentlich mindestens 10 Unterrichtsstunden verbunden sei (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469). Dabei sei die Vor- und Nachbereitung in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 39/98, BFH/NV 2000, 25). Ausnahmsweise könne aber eine Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit von weniger als 10 Wochenstunden dann als ausreichende Ausbildung anerkannt werden, wenn Umstände gegeben seien, nach denen der zusätzliche ausbildungsbezogene Zeitaufwand über das übliche Maß hinausgehe, zum Beispiel bei besonders umfangreicher Vor- und Nacharbeit (vgl. auch Abschnitt 63.3.2.5 i.V.m. Abschnitt 63.3.2. Abs. 5 Satz 5 DA-FamEStG).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sei der Aufenthalt von X in den USA als Berufsausbildung anzuerkennen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Auslandsaufenthalt --unter Einbeziehung der Zeiten der besonders umfangreichen Vor- und Nacharbeiten-- mit einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von wöchentlich mindestens 10 Stunden verbunden gewesen. Nach ihrer glaubhaften und in sich schlüssigen Aussage habe X neben den 4 Stunden Sprachunterricht in der Sprachschule regelmäßig von Montag bis Freitag täglich 2 Stunden besonders umfangreiche Vor- und Nacharbeiten bewältigt, daneben zusätzlich teilweise auch an freien Samstagen und Sonntagen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich die Familienkasse auf den Zulassungsgrund des Erfordernisses der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Das Urteil des FG verstoße gegen die von ihm selbst zitierte Rechtsprechung des BFH. Danach könnten die Unterrichtsstunden nicht mit den Zeiten der Vor- und Nacharbeit zusammen gerechnet werden, um die Regelgrenze von 10 Unterrichtsstunden zu erreichen. Vielmehr sei die Mindestgrenze von 10 Unterrichtsstunden pro Woche gerade unter der Berücksichtigung der Vor- und Nacharbeiten, die zusätzlich stattfinden müssten, bestimmt worden. Das Urteil des FG beruhe somit auf der fehlerhaften Auslegung der Rechtsprechung des BFH. Mit der Addition der Vor- und Nacharbeiten zu den Unterrichtsstunden weiche das FG von der rechtlichen Vorgabe der BFH-Rechtsprechung ab und setzte dieser insoweit einen abweichenden abstrakten Rechtssatz entgegen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Entgegen der Auffassung der Familienkasse liegt keine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO vor.

Die Entscheidung des FG weicht nicht von den bisherigen Urteilen des BFH ab (vgl. die zusammenfassende Darstellung der bisherigen Rechtsprechung im BFH-Urteil in BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469, 471, unter II. 2. b bbb).

Danach kann ausnahmsweise nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls das Unterschreiten der Grenze von 10 Unterrichtsstunden pro Woche unschädlich sein, beispielsweise dann, wenn der Sprachkurs der üblichen Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss dient und das Kind den Prüfungsabschluss anstrebt, oder wenn Einzelunterricht in Verbindung mit umfänglicheren Vor- und Nacharbeiten erteilt wird oder neben dem Sprachunterricht zusätzliche fremdsprachliche Aktivitäten --wie die Teilnahme an Vorlesungen oder das Halten von Vorträgen in der Fremdsprache-- unternommen werden.

Im Streitfall hat das FG unter ausdrücklicher Anwendung der zitierten Rechtsprechung des BFH nach Durchführung einer Beweisaufnahme wegen der besonderen Umstände des Sachverhalts das Vorliegen einer Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bejaht. Diese Rechtsanwendung, die sich in erster Linie an den besonderen Umständen des Einzelfalls und nicht an einer vorgegebenen festen Zeitgrenze für den Sprachunterricht orientiert, entspricht den vom BFH in seiner Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen.

2. Mit ihren Ausführungen wendet sich die Familienkasse im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei sie ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG setzt. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen. Ihre Rüge gibt auch keinen Anhaltspunkt für einen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führt (vgl. BFH-Beschluss vom 17. März 2006 III B 135/05, BFH/NV 2006, 1285).

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