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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.11.1999
Aktenzeichen: III B 40/99
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977, FGO, ZPO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
AO 1977 § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erklärte im Kalenderjahr 1993 (Streitjahr) neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch gewerbliche Einnahmen aus einer Tätigkeit als Vermittler von Geldanlagen des Y Club in Höhe von ... DM und errechnete hieraus einen nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten Gewinn in Höhe von ... DM. Gewinnmindernd hatte der Antragsteller u.a. gezahlte Vermittlungsprovisionen in Höhe von ... DM als Betriebsausgaben berücksichtigt. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) setzte mit Steuerbescheid vom 19. August 1994 die gewerblichen Einkünfte antragsgemäß in der erklärten Höhe an. Aufgrund einer Kontrollmitteilung vom 17. März 1995 wurde dem FA bekannt, dass dem Antragsteller im Streitjahr Provisionen des Y in Höhe von ... DM zugeflossen waren. Auf Nachfrage teilte der Antragsteller mit, er habe im Streitjahr Provisionen des Y in Höhe von ... DM erhalten, von denen ... DM an die F-Ltd. im Ausland weitergeleitet worden seien. Diese Provisionen habe er im Rahmen der Gewinnermittlung als durchlaufende Posten behandelt. Die ihm verbliebenen Provisionen in Höhe von ... DM seien als Einnahmen erklärt worden.

Das FA erkannte die in Höhe von ... DM bzw. ... DM angeblich weitergeleiteten Provisionen nicht als Betriebsausgaben an. Mit nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Bescheid vom 20. August 1996 setzte das FA Einkommensteuer in Höhe von ... DM fest und legte dabei einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM der Besteuerung zugrunde.

Mit seiner nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren erhobenen Klage begehrt der Antragsteller den Abzug der nach seinen Angaben von ihm weitergeleiteten Vermittlungsprovisionen als Betriebsausgaben. Ferner begehrt er die Anerkennung weiterer, im Veranlagungs- und Einspruchsverfahren noch nicht geltend gemachter Betriebsausgaben in Höhe von ... DM. Für das erstinstanzliche Verfahren beantragt der Antragsteller Prozesskostenhilfe (PKH).

Belege für die angeblich an Dritte gezahlten Vermittlungsprovisionen in Höhe von ... DM hat der Antragsteller im bisherigen Verfahren nicht vorgelegt. Hinsichtlich der angeblich an die F-Ltd. weitergeleiteten Vermittlungsprovisionen in Höhe von ... DM legte der Antragsteller eine zwischen ihm und der F-Ltd. geschlossene Provisionsvereinbarung vom 12. August 1993 vor, die vorsah, dass die F-Ltd. für jeden gezeichneten sog. Y-"Letter" einen Provisionsbetrag in Höhe von ... DM erhalten sollte. Nach Angaben des Antragstellers seien er sowie der Geschäftsführer der F-Ltd., der Zeuge K übereingekommen, dass er, der Antragsteller, Kunden der F-Ltd. "Letter" des Y vermitteln solle und die hierfür vom Y gezahlten Provisionen in voller Höhe an die F-Ltd. weiterleiten sollte. Wirtschaftlicher Sinn und Zweck des Geschäfts sei gewesen, durch die Vermittlung einer gewichtigen Anzahl von "Letter" in ein höheres Vermittlungsvolumen und damit in eine höhere Provisionsstufe zu gelangen. Ferner sei ihm von der F-Ltd. die Stellung eines Vertriebsleiters für Deutschland versprochen worden. Daher habe er die Provisionen, die er für die Kunden der F-Ltd. erhalten habe, in vollem Umfang weitergeleitet in dem Glauben, hierfür später Einnahmen als Vertriebsleiter zu erzielen.

Schriftliche Unterlagen, die die Zahlungsvorgänge zwischen dem Antragsteller und der F-Ltd. im Streitjahr belegen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Der vom Antragsteller als Zeuge benannte, derzeit inhaftierte K hat auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) mit Schreiben vom 8. März 1999 bestätigt, als Geschäftsführer für die von ihm geführte Firma Anlagen bei dem Antragsteller getätigt zu haben. An von dem Antragsteller im Streitjahr erhaltene Geldzahlungen könne er sich jedoch nicht erinnern. Der vom Antragsteller als Zeuge benannte G hat im Rahmen einer schriftlichen Anfrage des FG mit Schreiben vom 26. Mai 1999 --nach Ergehen der Entscheidung des FG-- bestätigt, dass Provisionszahlungen des Antragstellers an den Zeugen K bar abgewickelt wurden. Die weiteren vom Antragsteller benannten Zeugen D, Z, E und H wurden im PKH-Verfahren vor dem FG nicht gehört.

Der Antrag auf PKH hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat die Ansicht, die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung biete bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller habe es nicht vermocht, den Abfluss angeblich im Streitjahr geleisteter Provisionszahlungen an Dritte nachzuweisen. Hinsichtlich der angeblich an den Zeugen K geleisteten Provisionen sei aufgrund der schriftlichen Aussage des Zeugen davon auszugehen, dass entsprechende Leistungen nicht erbracht worden seien. Auch vom Antragsteller vorgetragene Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Zeugen K seien nicht geeignet, das FG im Rahmen der summarischen Prüfung von der Richtigkeit des Vortrags des Antragstellers zu überzeugen. Der Umstand, dass der Zeuge K im Jahr 1994 für vom Antragsteller erhaltene Zahlungen Quittungen erstellt hat, spreche vielmehr dafür, dass im Streitjahr Zahlungen ohne Zahlungsnachweise nicht geleistet worden seien. Soweit der Antragsteller weitere Zeugen benannt habe, könnten deren Aussagen die Erfolgsaussichten der Klage nicht begründen, da sie Zahlungsvorgänge zwischen dem Antragsteller und dem Zeugen K nicht aus eigener Kenntnis bezeugen könnten. Soweit der Antragsteller erstmals nach Klageerhebung den Abzug weiterer Betriebsausgaben begehrt habe, könne die Klage zwar teilweise erfolgreich sein, jedoch sei auch insoweit anteilige PKH nicht zu gewähren, da es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, wenn ein Rechtsuchender für einen Rechtsstreit anteilige PKH beantrage, obwohl ihn die Verantwortung dafür treffe, dass es hinsichtlich bestimmter Betriebsausgaben zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen sei, da der Streit insoweit außergerichtlich hätte beigelegt werden können.

Mit seiner am 4. Mai 1999 bei dem FG eingegangenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Entgegen der Ansicht des FG sei es naheliegend möglich, dass sich der Zeuge K bei Vorhalt entsprechender Tatsachen und in Ansehung der besonderen strafrechtlichen Relevanz eidlicher und uneidlicher Falschaussage vor Gericht entschließe, den vom Antragsteller vorgebrachten Sachverhalt zu bestätigen. Der Zeuge K wolle nur deshalb den Sachverhalt nicht bestätigen, weil er, der Antragsteller, im Strafverfahren gegen den K nicht, wie von diesem gewünscht, bereit gewesen sei, einen unzutreffenden Sachverhalt zugunsten des K zu bestätigen. Ferner habe der Antragsteller für die Behauptung, an den Zeugen K Provisionen geleistet zu haben, ergänzend einen weiteren Zeugen benannt. Der Beweisversuch des Antragstellers sei daher bei summarischer Prüfung nicht offensichtlich aussichtslos. Auch soweit der Antragsteller Betriebsausgaben nach Klageerhebung nachgeschoben habe, handle er nicht treuwidrig. Er habe mögliche abzugsfähige Betriebsausgaben in seiner Erklärung verkannt und erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung einen fachkundigen Berater eingeschaltet, welcher den Fehler in der ursprünglichen Erklärung behoben habe. Dies rechtfertige nicht die Versagung von PKH mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben.

Der Antragsteller beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des FG PKH nach Antrag zu gewähren

Das FA hat eine die Gewährung von PKH ablehnende Stellungnahme abgegeben.

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung kann eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem FG hat zum Teil hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Angeblich an Dritte gezahlte Vermittlungsprovisionen in Höhe von ... DM

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers im Klageverfahren hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit der Antragsteller im Rahmen der Ermittlung seiner Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Berücksichtigung von angeblich geleisteten Vermittlungsprovisionen in Höhe von ... DM als Betriebsausgaben begehrt. Nach den vorliegenden Akten hat der Antragsteller für die vom FA nicht anerkannten Betriebsausgaben bislang weder im Veranlagungs-, noch im Einspruchs- oder Klageverfahren Belege oder Nachweise erbracht. Insbesondere hat der Antragsteller nicht dargetan, an wen und aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Vermittlungsprovisionen geleistet worden seien. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht mithin insoweit nicht.

2. Angeblich an die F-Ltd. gezahlte Vermittlungsprovisionen in Höhe von ... DM

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers im Klageverfahren hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit der Antragsteller die Berücksichtigung von angeblich an den Zeugen K geleisteten Vermittlungsprovisionen in Höhe von ... DM als Betriebsausgaben geltend macht. Der Antragsteller hat im Veranlagungsverfahren eine zwischen ihm und der F-Ltd. abgeschlossene Provisionsvereinbarung vom 12. August 1993 vorgelegt, auf deren Grundlage er verpflichtet war, an die F-Ltd. einen Provisionsbetrag in Höhe von ... DM für jeden von der F-Ltd. gezeichneten Y-Letter zu entrichten. Im Rahmen des PKH-Verfahrens hat der Zeuge K, der Geschäftsführer der F-Ltd. war, auf Anfrage des Gerichts bestätigt, dass er im maßgeblichen Zeitraum über den Antragsteller für seine Firma Anlagen getätigt hat. In diesem Fall wäre der Antragsteller aufgrund der Provisionsvereinbarung verpflichtet gewesen, die geschuldete Vermittlungsprovision an die F-Ltd. abzuführen. Der Zeuge K konnte sich zwar im Rahmen der schriftlichen Befragung nicht daran erinnern, von dem Antragsteller Geldzahlungen im Streitjahr erhalten zu haben, jedoch wurde aus seiner Darstellung nicht ersichtlich, dass und ggf. aus welchem Grund er als Geschäftsführer der F-Ltd. auf Zahlungen, die der F-Ltd. aufgrund der Provisionsvereinbarung vom 12. August 1993 zugestanden hätten, verzichtet haben sollte. Angesichts des offensichtlichen Widerspruchs in der Aussage des Zeugen K sowie des weiteren, unter Beweis gestellten Tatsachenvortrags des Antragstellers wird sich dem FG voraussichtlich schon wegen der unterschiedlichen Darstellungen eine Vernehmung der benannten Zeugen aufdrängen. Kommt aber wie im Streitfall eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und ist der Ausgang des Klageverfahrens insoweit offen, reicht dies für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht aus (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juli 1998 VI B 270/97, BFH/NV 1999, 196, m.w.N.).

3. Weitere Betriebsausgaben

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers im Klageverfahren hat auch hinreichend Aussicht auf Erfolg, soweit der Antragsteller die Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von insgesamt ... DM begehrt.

Aus den vorliegenden Akten sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als Betriebsausgaben sprechen. Auch hat das FA die belegten Aufwendungen weder dem Grunde noch der Höhe nach bislang in Frage gestellt. Der Senat hält es daher nach summarischer Prüfung für wahrscheinlich, dass der Antragsteller mit seinem Klagebegehren insoweit Erfolg haben wird.

Die Rechtsverfolgung durch den Antragsteller ist auch nicht deshalb als mutwillig anzusehen, weil dieser die Berücksichtigung der genannten Aufwendungen als Betriebsausgaben erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens geltend gemacht hat. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn ein verständiger, nicht hilfsbedürftiger Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde oder wenn der Beteiligte den von ihm verfolgten Zweck auf einem billigeren Weg, als dem von ihm eingeschlagenen erreichen könnte (BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1985 II B 43/85, BFH/NV 1986, 591; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 142 Rz. 8). Hierbei stellt die Rechtsprechung indes allein auf das innerprozessuale Verhalten des Antragstellers ab. Für eine Berücksichtigung zurückliegender Umstände, wie z.B. die Verletzung der Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren oder im außergerichtlichen Vorverfahren, ist dabei grundsätzlich kein Raum; dem Recht der PKH sind Sanktionserwägungen grundsätzlich fremd (BFH-Beschluss vom 10. Januar 1994 XI B 65/93, BFH/NV 1995, 429). Dem Antragsteller kann daher insoweit nicht vorgehalten werden, er habe --aus steuerlicher Unkenntnis-- Betriebsausgaben erst im Klageverfahren geltend gemacht. Das insoweit vom FG beanstandete Verhalten des Antragstellers verstößt auch nicht gegen den im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben, da die mangelnde Geltendmachung weiterer Betriebsausgaben weder ursächlich für den vorliegenden Rechtsstreit war, noch den Antragsteller das alleinige Verschulden daran trifft, dass das gerichtliche Verfahren insoweit nicht längst abgeschlossen ist; denn eine Fortführung des finanzgerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der zusätzlich von dem Antragsteller geltend gemachten Betriebsausgaben wäre auch dann entbehrlich gewesen, wenn das FA den angegriffenen Einkommensteuerbescheid insoweit geändert und dem Begehren des Antragstellers abgeholfen hätte.

4. Einer abschließenden Prüfung und Berechnung der PKH steht entgegen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers seit Einreichung der letzten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben dürften. Zur abschließenden Berechnung der (Raten-)Höhe einer ggf. zu gewährenden PKH ist es erforderlich, dass der Antragsteller erneut seine aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darlegt.

Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen, damit es darüber befinden kann, ob die für die Bewilligung der PKH erforderlichen Voraussetzungen insoweit gegeben sind (Senatsentscheidung vom 11. Oktober 1985 III B 36/84, BFH/NV 1986, 357). Würde der Senat die Frage selbst entscheiden, würde dem Antragsteller eine Instanz genommen (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217).

Ende der Entscheidung

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