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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: III B 57/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 3
FGO § 82
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
FGO a.F. § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO a.F. § 115 Abs. 2
FGO a.F. § 115 Abs. 3
ZPO § 412 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde im Jahre 2000 verkündet. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beurteilt sich daher nach § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.; vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze --2.FGOÄndG-- vom 19. Dezember 2000 BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567).

1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassung der Revision mit der Begründung begehren, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Besuch von Selbsthilfegruppen der Anonymen Alkoholiker (AA) aus sittlichen Gründen zwangsläufig sei, genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert über die Herausstellung einer Rechtsfrage hinaus vor allem die Begründung der Klärungsbedürftigkeit der Frage. Dazu muss der Beschwerdeführer konkret ausführen, welche Bedeutung der Rechtsfrage für das Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts zukommt. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Rechtsfrage bereits entschieden, ist ferner darzulegen, welche neuen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage vorgetragen werden, die der BFH noch nicht geprüft hat (vgl. BFH-Beschluss vom 9. März 1998 III B 209/96, BFH/NV 1998, 1261, m.w.N.).

Diesen Voraussetzungen genügen die Ausführungen der Kläger in ihrer Beschwerde nicht; insbesondere haben sie die Klärungsbedürftigkeit der in Rede stehenden Rechtsfrage nicht hinreichend dargelegt. Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für die Treffen der AA als nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig entstanden beurteilt. Es ist hierbei unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des BFH zu diesem Tatbestandsmerkmal zu dem Schluss gekommen, dass die Arbeit des Klägers im Rahmen der Betreuung Alkoholabhängiger eine gesellschaftlich wichtige und besonders anzuerkennende Funktion im Bereich ehrenamtlicher Tätigkeit darstelle. Sein Einsatz werde aber nicht von außen her in einer Weise von ihm erwartet, dass er bei einem Unterlassen Nachteile im persönlichen oder gesellschaftlichen Bereich zu befürchten habe. Daher komme ein Abzug als außergewöhnliche Belastung aus sittlichen Gründen nicht in Betracht. Der hiergegen erhobene Einwand der Kläger, zum Funktionieren einer Gruppe der AA sei es unerlässlich, dass auch Alkoholkranke, die schon längere Zeit abstinent seien, daran teilnähmen, diese seien wegen der zuvor von der Gruppe empfangenen Unterstützung hierzu aus sittlichen Gründen verpflichtet, ist keine Darstellung der Ungeklärtheit einer rechtlichen Problematik unter Einbeziehung des Meinungsstandes. Die Kläger wenden sich vielmehr gegen die Richtigkeit des Urteils des FG. Die materielle Richtigkeit des FG-Urteils wird indes --jedenfalls nach § 115 Abs. 2, 3 FGO a.F.-- nur im Revisionsverfahren, nicht bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde relevant (Beschluss des BFH vom 16. März 1999 X B 108/98, BFH/NV 1999, 1347).

2. Nicht hinreichend dargelegt ist auch die grundsätzliche Bedeutung der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens dann verlangt werden dürfe, wenn der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) in den Jahren davor vergleichbare Aufwendungen ohne Nachweise anerkannt habe. Die Kläger haben nicht ausgeführt, weswegen diese Rechtsfrage klärungsbedürftig sein soll. Der BFH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Steuerpflichtigen mangelnde Nachweise dann nicht entgegengehalten werden dürfen, wenn die Behörde zuvor einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, nach dem der Steuerpflichtige annehmen durfte, die geltend gemachten Aufwendungen würden auch ohne Belege anerkannt, und wenn er es im Hinblick darauf unterlassen hat, entsprechende Beweisvorsorge zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90, 95; vom 15. Juli 1999 V R 52/98, BFH/NV 2000, 98). Die Kläger haben keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die der BFH noch nicht entschieden hat. Weiterhin ergibt sich schon aus ihrem Vortrag, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Das Gericht hat ein amtsärztliches Gutachten eingeholt und hätte die Aufwendungen demnach als außergewöhnliche Belastung anerkannt, hätte das Gutachten die Notwendigkeit der Besuche der AA bescheinigt.

3. Der geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor (§ 76 i.V.m. § 82 FGO; § 412 der Zivilprozeßordnung --ZPO--).

Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO, der über § 82 FGO auch für das finanzgerichtliche Verfahren gilt, kann das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten zustehende Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten oder gutachtlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. So verhält es sich, wenn die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit bereits vorliegender Gutachten insbesondere deswegen nicht gegeben sind, weil sie offen erkennbare Mängel aufweisen, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche enthalten, wenn ferner Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter bestehen oder ihnen das einschlägige spezielle Fachwissen fehlt. Das Tatsachengericht ist hingegen nicht allein schon deshalb verpflichtet, ein weiteres Gutachten oder zusätzliche gutachtliche Äußerungen einzuholen, weil ein Beteiligter meint, das bereits vorliegende Gutachten sei keine ausreichende Erkenntnisquelle (BFH-Beschluss vom 9. Mai 1996 X B 223/95, BFH/NV 1996, 773, m.w.N.).

Das FG hat verfahrensfehlerfrei von der Einholung eines weiteren Gutachtens im Streitfall abgesehen. Es war nicht deswegen gehalten, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, weil der Kläger unter Hinweis auf die Äußerung des behandelnden Arztes den Besuch der AA im Streitjahr für unerlässlich hielt. Hierzu hätte nur dann Anlass bestanden, wenn sich aus den Äußerungen des behandelnden Arztes oder der Kläger der Schluss oder wenigstens die hinreichend konkrete Möglichkeit aufgedrängt hätte, dass die Einschätzung des Sachverständigen, der Besuch der AA sei beim Kläger therapeutisch lediglich rd. 2 Jahre nach Ende der akuten Erkrankung erforderlich gewesen, danach habe sie ihn lediglich gegenüber einem möglichen Rückfall gestärkt, nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen hätte. Derartiges haben die Kläger aber nicht vorgetragen. Vielmehr ergibt sich aus dem Schreiben des behandelnden Arztes vom 3. April 2000 an den Prozessvertreter der Kläger lediglich, dass es ein Kunstfehler sei, einen Alkoholkranken nicht in eine Selbsthilfegruppe und eine Beratungsstelle zu überweisen und dass wissenschaftlich gesichert sei, dass die Teilnehmer an einer Selbsthilfegruppe eine höhere Chance hätten, abstinent zu bleiben. Eine konkrete Äußerung, wie lange der Besuch der Selbsthilfegruppen zur Behandlung der Krankheit erforderlich ist, fehlt. Aus dem Gutachten des Amtsarztes ergibt sich im Übrigen nichts Gegenteiliges.

Das Gutachten ist auch nicht widersprüchlich. Zwar trifft es zu, dass der Amtsarzt in seiner Stellungnahme für das FA die Teilnahme des Klägers an den AA-Zusammenkünften als unverzichtbare Therapie bezeichnet hat, um abstinent zu bleiben, während er in seinem für das FG erstellten Gutachten den Besuch als lediglich prophylaktisch sinnvolle Maßnahme dargestellt hat. Diese differenzierte Betrachtungsweise im Gutachten erklärt sich jedoch aus dem Schreiben des Berichterstatters an den Sachverständigen, in dem erläutert wird, dass es aus steuerrechtlicher Sicht darauf ankomme abzugrenzen, ob der Besuch zur Behandlung der Krankheit erforderlich gewesen sei oder lediglich dazu gedient habe, einem erneuten "Ausbruch" der Krankheit vorzubeugen. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das FG aufgrund der Fassung des Gutachtens nicht zu dem Ergebnis gelangt ist, der Sachverständige nehme die Krankheit des Klägers nicht ernst. Die Einschätzung des Sachverständigen, der Besuch der AA stärke den Kläger gegenüber einem möglichen Rückfall, sei aber Jahre nach dem akuten Ausbruch der Krankheit therapeutisch nicht mehr angezeigt, lässt diesen Schluss nicht zu.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe.



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