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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: III B 70/05
Rechtsgebiete: FGO, AO, EStG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
AO § 171 Abs. 10
EStG § 68 Abs. 1 Satz 1
EStG § 68 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob die Bezüge und Einkünfte der am ... 1978 geborenen Tochter A des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) mehr als 7 188 € im Kalenderjahr 2002 betragen haben.

A legte am 11. Dezember 2001 ihre Abschlussprüfung an der Hochschule ... ab. Ab 1. Februar 2002 begann sie ihr Referendariat als Lehreranwärterin in B. Ausweislich des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2002 vom 28. April 2003 betrugen ihre Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit 11 344 €, Werbungskosten wurden in Höhe von 1 144 € berücksichtigt, so dass sich ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 10 200 € beliefen.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2003 hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für 2002 für A auf und forderte den bereits ausbezahlten Betrag in Höhe von 924 € zurück. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Im Einspruchsverfahren legte der Kläger einen geänderten Einkommensteuerbescheid seiner Tochter für 2002 vom 1. September 2003 vor, worin nunmehr 3 507 € als Werbungskosten für A anerkannt wurden und ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nunmehr 7 837 € betrugen. Mit Entscheidung vom 7. Oktober 2003 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Hiergegen richtete sich die Klage. Zur Begründung trug der Kläger vor, wie aus dem Steuerbescheid vom 1. September 2003 ersichtlich sei, hätten Aufwendungen in Höhe von 464,78 € mangels Nachweises nicht berücksichtigt werden können. Diese und weitere Belege in Höhe von insgesamt 832,68 € seien nachgeliefert worden, so dass die Einkünfte und Bezüge unter 7 188 € lägen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zutreffend gehe die Familienkasse davon aus, dass die Einkünfte und Bezüge von A den im Streitjahr geltenden Grenzbetrag von 7 188 € überschritten hätten. Auch sei bereits zweifelhaft, ob die gegenüber dem Finanzamt (FA) geltend gemachten Werbungskosten im Einzelnen berücksichtigt werden könnten. Denn die Entscheidung des FA sei für die Kindergeldbehörde nicht verbindlich. Die behaupteten Aufwendungen seien überdies gegenüber der Familienkasse ersichtlich nicht nachgewiesen worden.

Dessen ungeachtet könnten auch die Aufwendungen für den Kauf des Computers einschließlich der Peripheriegeräte, wie etwa der Flachbettscanner, auch dann, wenn die Tochter die Aufwendungen getragen haben sollte, nur teilweise berücksichtigt werden. Allenfalls sei eine berufliche Nutzung von 50 v.H. in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Peripheriegeräte grundsätzlich nur zusammen mit dem Computer abgeschrieben werden könnten.

Zweifelhaft erschienen auch die behaupteten Aufwendungen für Arbeitszimmer und Fahrtkosten zwischen Wohnort und dem Ausbildungsort. Die Tatsache, dass die Tochter die Wohnung zusammen mit einem Freund angemietet habe, lasse es gleichfalls als unwahrscheinlich erscheinen, dass die Tochter 38 Heimfahrten vorgenommen habe. Hinzu komme, dass bei der Berechnung nicht die zurückgelegten Kilometer, sondern nur die Entfernungskilometer angesetzt werden könnten. Werde die Anzahl der Heimfahrten wie vom FA nur mit 24 angenommen oder, was nach Auffassung des Gerichts angesichts des Zusammenlebens der Tochter mit ihrem Freund noch wahrscheinlicher erscheine, allenfalls zur Hälfte, d.h. nur mit 18 Fahrten berücksichtigt, minderten sich die zu berücksichtigenden Aufwendungen entsprechend auf 1 575 € (lt. FA) bzw. auf 1 145 €. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen überschritten die Einkünfte und Bezüge von A somit deutlich den Grenzbetrag von 7 188 €.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht) und wegen eines Fehlers in der Beweiswürdigung geltend macht. Er sei sowohl von der Familienkasse als auch vom FG im Glauben gelassen worden, die Entscheidung über die Kindergeldberechtigung hänge von den einschlägigen Steuerbescheiden seiner Tochter ab. Seine Tochter habe nur deshalb Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt, weil sie gedacht habe, die Familienkasse nehme den Einkommensteuerbescheid als Grundlage für ihre Entscheidung. Mit ihrem Einspruch habe die Tochter erheblich höhere Werbungskosten als vorher nachgewiesen. Hätte er, der Kläger, gewusst, dass die Familienkasse sich nicht am Steuerbescheid orientiere, hätte er gleich die Unterlagen der Familienkasse vorgelegt und nicht Einspruch gegen den ein Guthaben aufweisenden Einkommensteuerbescheid eingelegt. Auch das FG habe die Zahlen aus dem Einkommensteuerbescheid nicht übernommen trotz Offenlegung aller Werbungskosten. Hier sei die richterliche Aufklärungspflicht verletzt worden. Es hätte ihm, dem nicht anwaltlich vertretenen Kläger, deutlich gemacht werden müssen, dass der Einkommensteuerbescheid für die Entscheidung nicht verbindlich sei.

Des Weiteren werde ein Fehler in der Beweiswürdigung gerügt. Das FG habe auf S. 5 des Urteils seinen Überlegungen falsche Tatsachen zugrunde gelegt. Die vom FG erwähnten Werbungskosten in Höhe von 942 € für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien nicht für 2002, sondern im Steuerbescheid 2003 berücksichtigt worden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) der mangelnden Sachaufklärung durch die Vorinstanz liegt nicht vor. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei sind die Beteiligten heranzuziehen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO), die ihrerseits Mitwirkungspflichten haben (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 3 FGO). Das FG hat hiernach (nur) den Sachverhalt zu erforschen; die Aufklärungspflicht bezieht sich danach nur auf Tatsachen, nicht aber auf Rechtsfragen (Gräber/ Stappenfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 11).

Es ist unstreitig, dass es sich bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Kindes und der Kindergeldfestsetzung zugunsten der Eltern um grundsätzlich unterschiedliche Verfahren handelt und nach ständiger Rechtsprechung der für das Kind ergangene Einkommensteuerbescheid keinen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung darstellt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Februar 2006 III B 4/05, BFH/NV 2006, 1055).

Die Familienkasse und nachfolgend das FG haben die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes selbständig und ohne Bindung an den Inhalt eines für das Kind ergangenen Einkommensteuerbescheids zu ermitteln (BFH-Urteil vom 23. November 2001 VI R 125/00, BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296, mit Anmerkung Pust, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2002, 425, und Greite, Kommentierte Finanzrechtsprechung, Fach 3, § 70 EStG, 3/02 S. 117; ebenso Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 63.4.1.2 Abs. 1 Satz 4, BStBl I 2004, 743, 774, sowie Mengele, Finanz-Rundschau 1999, 1160, 1165). Kindergeldberechtigte und ihre volljährigen Kinder haben insoweit gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Einkommensteuergesetzes besondere Mitwirkungspflichten, u.a. im Hinblick auf die Substantiierung und den Nachweis der Einnahmen, Bezüge, Werbungskosten und der ausbildungsbedingten Aufwendungen (s. im Einzelnen zutreffend: Dienstanweisung zur Überprüfung von Kindergeldfestsetzungen n.F., BStBl I 2005, 614, 615).

Im Übrigen ist der Kläger, worauf die Familienkasse auch zutreffend hinweist, im Gerichtsbescheid vom 26. August 2004, in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2004 und im Erörterungstermin vom 20. Januar 2005 auf die mangelnde Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids für das Kindergeldverfahren sowie auf seine erforderlichen Nachweispflichten hingewiesen worden.

Soweit der Kläger eine fehlerhafte Beweiswürdigung des FG rügt, ist die Beschwerde bereits unzulässig, da die Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen ist, so dass mit der Behauptung fehlerhafter Beweiswürdigung die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreicht werden kann. Außerdem betrifft der gerügte Fehler die Einkommensteuerfestsetzung, der im Kindergeldverfahren, wie bereits ausgeführt, keiner Bindungswirkung zukommt.

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