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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: III B 95/06
Rechtsgebiete: InvZulG 1991, FGO, ZPO


Vorschriften:

InvZulG 1991 § 2
InvZulG 1991 § 2 Satz 1 Nr. 2
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 82
FGO § 115 Abs. 2
ZPO § 377
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vermietet Stromaggregate für Veranstaltungen wie Volksfeste und Messen und versorgt Großveranstaltungen mit Strom.

Er beantragte für die Anschaffung eines LKW und für fünf Dieselstromaggregate die Gewährung einer Investitionszulage nach § 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991 für das Kalenderjahr 1992. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -FA-) setzte mit Bescheid vom 4. März 1993 zunächst antragsgemäß eine Investitionszulage in Höhe von 33 482 DM für das Kalenderjahr 1992 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO-) fest. Bei einer betriebsnahen Veranlagung ermittelte das FA, dass für den LKW kein Fahrtenbuch geführt wurde, die Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers vernichtet worden waren und keine Aufzeichnungen über den Einsatz der Dieselstromaggregate vorhanden waren. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1997 setzte das FA daraufhin unter Änderung des Bescheids vom 4. März 1993 die Investitionszulage auf 0 herab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Zu klären sei die Rechtsfrage, wie die Verbleibensvoraussetzung des § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1991 bei Fahrzeugtypen zu definieren sei, welche auf einen bestimmten Transportgegenstand zugeschnitten und nur eingeschränkt verwendbar seien. Weiter sei klärungsbedürftig, nach welchen Kriterien der örtliche Bereich eines Unternehmens abzugrenzen sei und ob der Steuerpflichtige oder das Finanzamt die Feststellungslast hinsichtlich der Verbleibensvoraussetzung zu tragen habe. Weiter sieht der Kläger einen Verstoß gegen § 377 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 82 FGO darin, dass das Finanzgericht (FG) den Kläger in der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung aufgefordert habe, die von ihm benannten Zeuginnen zum Termin mitzubringen, falls er seine Klage aufrechterhalte. Nach § 377 ZPO seien Zeugen jedoch aufgrund eines Beweisbeschlusses zu laden.

Ferner hätte das FG den Kläger gemäß § 76 Abs. 2 FGO darauf hinweisen müssen, dass es hinsichtlich der Verbleibensvoraussetzung eine Beweislastentscheidung treffen wolle und ihn auffordern müssen, weitere Beweismittel zu benennen. Die Frage, ob im Streitfall die Verbleibensvoraussetzung erfüllt sei, sei in der mündlichen Verhandlung --trotz der Vernehmung der Zeugin A-- von untergeordneter Bedeutung gewesen. Die Beweislastentscheidung des FG hinsichtlich der Verbleibensvoraussetzung stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Der Kläger habe mehrmals erwähnt, dass er über eine ausreichend große Anzahl freier Mitarbeiter verfüge, die als Zeugen in Betracht gekommen wären. Dies hätte sich auch dem FG aufdrängen müssen. Eine Beweislastentscheidung sei außerdem erst dann zulässig, wenn entscheidungserhebliche Umstände unter Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Beweismittel nicht zu der erforderlichen Gewissheit geführt hätten (Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 96 Rz 22). Es hätten sich jedoch aus dem Vortrag des Klägers Hinweise auf weitere Zeugen ergeben.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Bei dem Erfordernis der Fortbildung des Rechts handelt es sich um einen Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung (BFH-Beschluss vom 27. Januar 2003 II B 194/01, BFH/NV 2003, 792). Beide Zulassungsgründe setzen deshalb eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (z.B. Senatsbeschluss vom 6. Juni 2006 III B 202/05, BFH/NV 2006, 1653, m.w.N.).

Die Rechtsfrage, wie die Verbleibensvoraussetzung bei Fahrzeugtypen zu definieren sei, welche auf einen bestimmten Transportgegenstand zugeschnitten und nur eingeschränkt verwendbar seien, ist nicht klärungsbedürftig. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn --wie im Streitfall-- auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden sind und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute höchstrichterliche Prüfung und Entscheidung der Frage geboten erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2004 III B 84/03, BFH/NV 2004, 1252).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt der Begriff des Verbleibens voraus, dass sich das Wirtschaftsgut während der Verbleibensfrist ununterbrochen im räumlichen Bereich einer Betriebsstätte im Fördergebiet befindet. Ein Wirtschaftsgut, das --wenn auch nur kurzfristig-- außerhalb des Fördergebietes eingesetzt wird, erfüllt daher in der Regel die Verbleibensvoraussetzung nicht (z.B. Senatsurteil vom 7. Februar 2002 III R 14/00, BFHE 198, 164, BStBl II 2002, 312, m.w.N.). Bei Transportmitteln (z.B. Kfz, Schiffe) wird ausnahmsweise eine räumliche Bindung an das Fördergebiet noch anerkannt, wenn sie überwiegend, d.h. grundsätzlich an mehr als 183 Tagen pro Jahr der Bindungsfrist, und regelmäßig, d.h. ohne größere zeitliche Unterbrechung, im Fördergebietsverkehr eingesetzt werden (z.B. Senatsurteil vom 10. Dezember 1998 III R 113/95, BFH/NV 1999, 965, m.w.N.). Bei anderen Wirtschaftsgütern, die ihrer Art nach nicht dazu bestimmt und geeignet sind, im räumlich abgegrenzten Bereich der Betriebsstätte eingesetzt zu werden (z.B. Messestände), ist allenfalls ein kurzfristiger Einsatz außerhalb des Fördergebiets für die Gewährung der Investitionszulage unschädlich (Senatsurteil in BFHE 198, 164, BStBl II 2002, 312, m.w.N.).

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich anhand dieser Grundsätze beantworten. Im Grunde geht es dem Kläger nicht um die Beantwortung einer abstrakten, im allgemeinen Interesse liegenden Rechtsfrage, sondern um die Überprüfung der Anwendung der dargestellten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall durch das FG. Diese Zielsetzung rechtfertigt jedoch nicht die Revision (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Juli 2006 X B 206/05, BFH/NV 2006, 1877).

Die Rechtsfrage, wer die Feststellungslast hinsichtlich der Verbleibensvoraussetzung zu tragen habe, ist gleichfalls nicht klärungsbedürftig, da diese Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1653). Der Anspruchsberechtigte trägt nach der Rechtsprechung des BFH die Feststellungslast dafür, dass die Tatbestandsmerkmale für eine Vergünstigung --hier die Investitionszulage-- erfüllt sind (Senatsurteil vom 22. Januar 2004 III R 52/01, BFHE 205, 132, BStBl II 2004, 542, m.w.N.). Die Verbleibensvoraussetzung ist nach dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Investitionszulage, so dass der Kläger für das Vorliegen dieses Merkmals die Feststellungslast trägt. Nach § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1991 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die --neben weiteren Voraussetzungen-- mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben.

Die Frage, nach welchen Kriterien der örtliche Bereich eines Unternehmens abzugrenzen sei, ist im Revisionsverfahren nicht klärbar. Denn für die Entscheidung des FG war unerheblich, ob die vom Kläger angeschafften Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen der Betriebsstätte des Klägers in X zuzuordnen waren oder nicht. Das FG hat seine Entscheidung allein darauf gestützt, dass im Streitfall die Verbleibensvoraussetzung des § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1991 nicht erfüllt war.

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

Soweit der Kläger einen Verstoß des FG gegen § 377 ZPO i.V.m. § 82 FGO rügt, kann das Urteil des FG jedenfalls nicht darauf beruhen, weil das FG die vom Kläger zum Beweis des Einsatzes des LKW und der Aggregate im Fördergebiet während der Verbleibensfrist benannte Zeugin A im Termin zur mündlichen Verhandlung vernommen hat.

Das FG hat ferner nicht seine Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO verletzt. Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die Aufklärung von Amts wegen durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschränkt oder gar beseitigt wird. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, zur Erreichung des Prozessziels auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten wird (z.B. BFH-Beschluss vom 19. März 2001 VII B 231/00, BFH/NV 2001, 1012, m.w.N.).

Im Streitfall musste der anwaltlich vertretene Kläger auf Grund der Einlassung des FA, es sei nicht nachgewiesen, dass der LKW überwiegend und regelmäßig im Fördergebiet und die Aggregate nur kurzfristig außerhalb des Fördergebiets eingesetzt worden seien, damit rechnen, dass das FG eine Beweiswürdigung und als deren Folge ggf. auch eine Beweislastentscheidung treffen würde. Gleichwohl hat der Kläger zum Beweis des Einsatzes des LKW und der Aggregate im Fördergebiet während der Verbleibensfrist lediglich A als Zeugin benannt, welche in der mündlichen Verhandlung auch vernommen worden ist.

Aus dem gleichen Grund verletzt das FG-Urteil auch nicht als Überraschungsentscheidung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO). Eine Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht des § 76 Abs. 2 FGO verlangen jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert oder sogar die einzelnen für die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. Februar 2007 X B 105/06, BFH/NV 2007, 962, m.w.N.).

Mit seinem Vortrag, das FG hätte keine Beweislastentscheidung treffen dürfen, rügt der Kläger keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 FGO. Die Grundsätze über die Feststellungslast betreffen das materielle Recht, so dass ihre Verkennung keinen Verfahrensmangel darstellt (BFH-Beschluss vom 28. Juli 1994 IV S 2/93, BFH/NV 1995, 118, m.w.N.; Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 162).

Soweit der Kläger sinngemäß die Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO, § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügt, fehlt es an der Darlegung, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, und inwiefern die unterlassene Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2006 III B 143/05, BFH/NV 2006, 1058, m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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