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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.10.2006
Aktenzeichen: III R 10/05
Rechtsgebiete: EStG, GG, BVerfGG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 6
EStG § 32 Abs. 6 Satz 2
EStG § 32 Abs. 6 Satz 3
EStG § 32 Abs. 6 Satz 6 zweiter Halbsatz
EStG § 33c
EStG § 33c Abs. 1 Satz 1
EStG § 33c Abs. 2
GG Art. 100 Abs. 1 Satz 1
BVerfGG § 80 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebte im Streitjahr 2002 mit seinem im Juli 1999 geborenen Sohn T, dem im Juli 2002 geborenen Sohn N sowie der mit ihm nicht verheirateten Mutter beider Kinder in einem gemeinsamen Haushalt. Er war ganzjährig selbständig und zeitweise zusätzlich auch nichtselbständig berufstätig, daneben erzielte er positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Kindesmutter studierte ganzjährig an einer Hochschule.

Im Streitjahr wurde T sieben Monate --vom 1. Januar bis 31. Juli 2002-- und N fünf Monate --vom 1. August 2002 bis Jahresende-- von einer Tagesmutter betreut. Die Kosten von 2 730 € für T und 1 746 € für N trug allein der Kläger.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte neben dem Hauhaltsfreibetrag von 2 340 € Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastung zunächst in Höhe von 591 €. Nach zweimaligen Änderungen während des Einspruchsverfahrens wurden Kinderbetreuungskosten in Höhe von insgesamt 1 063 € anerkannt. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten auf insgesamt 751 € herab. Für jedes Kind könnten nur 750 € berücksichtigt werden. Da beide Kinder nur jeweils 7 bzw. 5 Monate betreut worden seien, seien die Jahresbeträge entsprechend zu kürzen.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 708 abgedruckt.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zusammenlebende unverheiratete Eltern würden in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise gegenüber verheirateten Eltern diskriminiert, da sie Betreuungskosten von höchstens 750 € je Kind, verheiratete Eltern aber bis zu 1 500 € abziehen könnten. Demgegenüber betrage der steuerlich nicht berücksichtigungsfähige Eigenanteil sowohl bei zusammenlebenden verheirateten als auch bei nicht verheirateten Eltern 1 548 €. Hinsichtlich des steuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Mindestbetrags würden nicht verheiratete Eltern somit wie verheiratete Eltern behandelt, hinsichtlich des Höchstbetrags der Förderung aber gegenüber verheirateten Eltern benachteiligt. Dies widerspreche Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), der auch mit ihren Kindern zusammenlebende nicht verheiratete Eltern als Familie besonders schütze.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 2002 unter Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten von 1 500 € festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass Aufwendungen für die Kinderbetreuung nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können und der Abzug als außergewöhnliche Belastung nur in Höhe von 751 € zu gewähren war.

Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass das FA § 33c des Einkommensteuergesetzes (EStG) richtig angewandt hat. Der durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) wieder aufgehobene § 33c EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074) benachteiligte zusammenlebende unverheiratete Eltern im Streitjahr 2002 auch nicht in verfassungswidriger Weise. Eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) kommt deshalb nicht in Betracht.

1. Neben dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nach § 32 Abs. 6 EStG von 1 080 € konnten im Streitjahr 2002 Betreuungskosten für ein zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörendes Kind gemäß § 33c Abs. 2 EStG bis zu einer Höhe von 750 € als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. In den Fällen des § 32 Abs. 6 Satz 2, 3 und 6 zweiter Halbsatz EStG, d.h. wenn die Eltern als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, ein Kindschaftsverhältnis nur zu einem Elternteil besteht oder der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag übertragen wurde, verdoppelte sich dieser Betrag auf 1 500 €. Abzugsfähig waren die Kinderbetreuungskosten nach § 33c EStG dabei nur insoweit, als sie bei zusammenlebenden --verheirateten oder unverheirateten Eltern-- 1 548 € überstiegen; wenn die Eltern nicht zusammenlebten, beschränkte sich die zumutbare Eigenbelastung auf 774 €.

Ob --wie der Kläger meint-- zusammenlebenden, unverheirateten Eltern wie zusammenlebenden verheirateten Eltern aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Höchstbetrag von 1 500 € je Kind zusteht, der nach dem Verhältnis ihrer Aufwendungen aufzuteilen ist (so Schmidt/Glanegger, EStG, 25. Aufl., § 33c Rz 24), ob jeder von ihnen bis zu 750 € abziehen kann, so dass sich zwei Höchstbeträge von insgesamt 1 500 € je Kind ergeben oder die Betreuungskosten beider Elternteile für jedes Kind nur bis zu insgesamt 750 € berücksichtigt werden können, ist nach dem Gesetzeswortlaut zweifelhaft. Die Verwaltung gewährt jedem Elternteil, der Betreuungsaufwendungen getragen hat, einen Abzugsbetrag von bis zu 750 € je Kind (R 195 Abs. 4 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 2003 und R 33c Abs. 4 Satz 4 EStR 2005; für einen Höchstbetrag von 750 € je Kind und Elternteil auch Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 33c EStG Rz 24). Pust (in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33c Rz 85) hält diese Auslegung des § 33c Abs. 2 EStG für verfassungsrechtlich geboten. Oepen (in Blümich, § 33c EStG Rz 72) meint dagegen, für Kinder, die zum Haushalt beider unverheirateter Eltern gehörten, gelte ein Höchstbetrag von 750 € je Kind; diese Schlechterstellung sei aber nicht gerechtfertigt.

2. Der Senat legt § 33c Abs. 2 EStG dahin aus, dass zusammenlebende unverheiratete Eltern jeweils Betreuungskosten bis zu 750 € für jedes Kind abziehen können. Der berücksichtigungsfähige Aufwand beträgt somit für jedes Kind bis zu 1 500 €; wie die zumutbare Eigenbelastung in Höhe von 1 548 € gemäß § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG in diesen Fällen aufzuteilen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Mit diesem Inhalt ist die Regelung in § 33c Abs. 2 EStG verfassungsgemäß; sie stellt sich als Konsequenz der --verfassungsrechtlich unbedenklichen-- Einzelveranlagung der unverheirateten Eltern und der --ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklichen-- hälftigen Zuweisung kindbedingter Steuererleichterungen an beide Elternteile dar.

Eine grundgesetzwidrige Benachteiligung zusammenlebender unverheirateter Eltern kann auch nicht darin gesehen werden, dass bei getrennt lebenden Eltern der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gemäß § 32 Abs. 6 Satz 6 zweiter Halbsatz EStG auf Antrag übertragen werden kann und dies gemäß § 33c Abs. 2 EStG die Verdoppelung des Höchstbetrags auf 1 500 € nach sich zieht. Denn zusammenlebende Eltern tragen typischerweise beide zur Betreuung ihrer Kinder bei. Der Gesetzgeber war auch nicht von Verfassungs wegen gehalten, zusammenlebenden unverheirateten Eltern die antragsgebundene Übertragung des einem Elternteil zustehenden Abzugsbetrags auf den anderen zu ermöglichen (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG in der bis Veranlagungszeitraum 1995 geltenden Fassung).

Ende der Entscheidung

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