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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.10.1998
Aktenzeichen: III R 20/98
Rechtsgebiete: InvZulG, FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

InvZulG § 2 Satz 1
FGO § 124 Abs. 1
FGO § 126 Abs. 1
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1
FGO § 54 Abs. 2
FGO § 120 Abs. 1 Satz 2
FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2
ZPO § 222 Abs. 1 u. 2
AO 1977 § 110 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Streit geht in der Sache darum, ob für die Kosten eines Ladeneinbaus und einer Klimaanlage in einem Ladenlokal Investitionszulage nach § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991 zu gewähren ist.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ab. Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG ließ der Senat die Revision zu. Der Beschluß wurde der von einem berufsmäßigen Bevollmächtigten vertretenen Klägerin am 22. Januar 1998 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 1998 bestätigte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Eingang des Zulassungsbeschlusses und fragte bei der Geschäftsstelle des erkennenden Senats an, wann und in welcher Weise über die Revision entschieden werde. Die Geschäftsstelle teilte dem Prozeßbevollmächtigten daraufhin unter dem 11. Februar 1998 mit, eine Revision des "Beklagten" liege noch nicht vor. Seine Fragen könnten daher nicht beantwortet werden.

Unter dem 24. Februar 1998 wandte sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin sodann an das FG mit der Bitte um Mitteilung, "wie der Zeitplan bezüglich der Durchführung der Revision aussieht". Unter dem 2. März 1998 teilte ihm das FG mit, das weitere Verfahren nach Zulassung der Revision richte sich nach der Finanzgerichtsordnung (FGO); das FG nehme auf den Ablauf des Revisionsverfahrens keinen Einfluß.

Da bis dahin keine Revision eingelegt wurde, wurden die Akten mit Anschreiben des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. April 1998 dem FG zurückgegeben. Dies wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unter dem 2. April 1998 durch Übersendung eines Abdrucks des Schreibens vom 1. April 1998 von der Geschäftsstelle mitgeteilt.

Unter dem 21. April 1998 fragte dieser unter bezug auf das Schreiben des BFH vom 1. April 1998 beim FG an, wann und wie das FG zu entscheiden gedenke und ob noch weitere Unterlagen benötigt würden, worauf ihn das FG am 24. April 1998 telefonisch von seiner Unzuständigkeit unterrichtete.

Mit Schriftsatz vom 24. April 1998, am gleichen Tage beim FG eingegangen, legte die Klägerin Revision ein. Zur Begründung verwies sie ohne weitere Ausführungen lediglich auf die Klageschrift sowie auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde.

Ferner beantragte die Klägerin mit einem weiteren Schriftsatz vom 24. April 1998 an den BFH, eingegangen am 27. April 1998, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führt sie aus: Es habe sich offensichtlich dadurch ein Mißverständnis eingeschlichen, daß in dem Schreiben des BFH vom 11. Februar 1998 ihrem Bevollmächtigten gegenüber der Eindruck erweckt worden sei, der BFH warte zunächst noch auf die Revision des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--).

Mit Schriftsatz vom 3. August 1998 trägt die Klägerin ergänzend vor, der Beschluß des BFH über die Zulassung der Revision habe keine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Deshalb habe ihr Bevollmächtigter unter dem 9. Februar 1998 beim BFH angefragt, wann und in welcher Weise über die Revision entschieden werde. Die Auskunft des BFH, eine Revision des Beklagten liege noch nicht vor, sei eine unglückliche Ausdrucksweise. Ihr Bevollmächtigter habe dadurch in der Vorstellung beharrt, eine Ausschlußfrist könne derzeit nicht ablaufen. Erst aufgrund eines Telefonats am 24. April 1998 mit dem FG sei ihm klar geworden, daß die Revisionsfrist versäumt sei. Noch am gleichen Tage sei darauf Wiedereinsetzung beantragt worden.

Unter dem 25. August 1998 übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin einen Auszug aus seinem Fristenkontrollbuch, das täglich überwacht werde. Das Büropersonal habe es versäumt, das Urteil des FG in das Fristenkontrollbuch einzutragen. Am 27. August 1998 trug der Bevollmächtigte der Klägerin ferner vor, der Beschluß über die Zulassung der Revision sei versehentlich von seiner sehr zuverlässigen und sachkundigen Sekretärin nicht in das Fristenkontrollbuch eingetragen worden. Dies wurde von der Sekretärin bestätigt.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids die Investitionszulage 1991 auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zu verwerfen.

II. Die Revision ist unzulässig. Sie war gemäß §§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.

1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die einmonatige Revisionsfrist wurde im Streitfall mit der Zustellung des Beschlusses über die Revisionszulassung an die Klägerin am 22. Januar 1998 in Lauf gesetzt und endete gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung am 23. Februar 1998 (Montag). Die Revisionsbegründungsfrist endete, da die Frist nicht gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO verlängert worden war, dementsprechend am 23. März 1998. Die erst unter dem 24. April 1998 erhobene und durch Verweisung auf die Klage- und Beschwerdeschriften begründete Revision ist daher sowohl hinsichtlich der Einlegung als auch der Begründung verspätet.

Der Hinweis der Klägerin, der Beschluß über die Zulassung der Revision habe keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, geht fehl. Der Beschluß des BFH über die Revisionszulassung bedurfte keiner Rechtsmittelbelehrung (BFH-Beschluß vom 12. Januar 1968 VI R 140/67, BFHE 90, 395, BStBl II 1968, 121). Die Rechtsmittelbelehrung, die dem angefochtenen FG-Urteil beigefügt war, war ausreichend und zutreffend (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1995 V R 40/95, BFH/NV 1996, 422).

2. Der Klägerin ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen dieser Fristversäumnisse zu gewähren.

Nach § 56 Abs. 1 FGO ist jemandem auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 56 Abs. 2 FGO).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Die Wiedereinsetzung wird nicht nur durch grobes Verschulden, sondern bereits durch einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Eine Fristversäumung ist deshalb nur als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1995 V R 51/94, BFH/NV 1996, 193, zur insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 110 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--). Hiervon ausgehend begegnet es bereits erheblichen Bedenken, ob das Mißverständnis aufgrund der Auskunft der Geschäftsstelle des Senats vom 11. Februar 1998, auf das sich die Klägerin beruft, nicht auf einem Verschulden ihres steuerlichen Beraters beruht. Das FA weist zutreffend darauf hin, daß der berufsmäßige Vertreter der Klägerin hätte erkennen müssen, daß nach erfolgreicher Durchführung des Verfahrens wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb der Revisionsfrist bzw. der Revisionsbegründungsfrist die Revision von ihm einzulegen und zu begründen gewesen wäre. Dies gilt unabhängig von dem prozessualen Verhalten des FA. Denn die Klägerin war vor dem FG in vollem Umfang unterlegen, so daß eine Revisionseinlegung durch das FA und eine eventuelle Anschlußrevision der Klägerin nicht in Betracht kamen.

Die Frage des Verschuldens kann indes dahinstehen. Denn die Klägerin hat jedenfalls die Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses versäumt, innerhalb derer gemäß § 56 Abs. 2 FGO die versäumte Rechtshandlung nachzuholen ist und die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, schlüssig vorgetragen werden müssen (BFH-Beschluß vom 20. Juni 1996 X R 95/93, BFH/NV 1997, 40). Das von der Klägerin angegebene Mißverständnis ist spätestens mit dem Zugang der Hinweise des FG vom 2. März 1998 weggefallen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin wurde darin vom FG hinsichtlich der Durchführung der Revision auf die Bestimmungen der FGO verwiesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er Veranlassung gehabt, die Voraussetzungen einer zulässigen Revisionseinlegung und Revisionsbegründung, insbesondere hinsichtlich der Fristerfordernisse, anhand des Gesetzes und ggf. unter Zuhilfenahme von Erläuterungswerken zu prüfen. Bei Zugang des Schriftsatzes mit dem Wiedereinsetzungsbegehren vom 24. April 1998 am 27. April 1998 und auch bei Zugang der Revisionsschrift mit Revisionsbegründung am 24. April 1998 war indes die Frist von zwei Wochen nach dem Wegfall des angeblichen Mißverständnisses längst verstrichen. Dabei kann dahinstehen, ob in der bloßen Verweisung der Klägerin auf Schriftsätze des Klage- und Beschwerdeverfahrens eine ausreichende Revisionsbegründung gesehen werden könnte.

Wegen des Ablaufs der Wiedereinsetzungsfrist ist auch das weitere dem früheren Vortrag teilweise widersprechende Vorbringen der Klägerin in ihren späteren Schriftsätzen, insbesondere hinsichtlich eines Versehens des Büropersonals bei der Führung des Fristenkontrollbuches, nicht entscheidungserheblich.

Das Verhalten ihrer Prozeßbevollmächtigten muß sich die Klägerin zurechnen lassen.

Ende der Entscheidung

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