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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.09.2005
Aktenzeichen: III R 28/03
Rechtsgebiete: InvZulG 1999


Vorschriften:

InvZulG 1999 § 2 Abs. 4
1. Mit der Herstellung eines Gebäudes ist i.S. von § 2 Abs. 4 Satz 3 InvZulG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999 vom 22. Dezember 1999 grundsätzlich in dem Zeitpunkt begonnen, in dem der Bauantrag gestellt wird.

2. Der Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 5 InvZulG 1999 i.d.F. des InvZulÄndG vom 20. Dezember 2000, nach der als Beginn der Herstellung bei Gebäuden, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt gilt, in dem der Bauantrag gestellt wird, wirkt nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurück.

3. Die Beschränkung der Zulagenförderung auf nach dem 24. August 1997 begonnene Investitionen durch das StBereinG 1999 verletzt kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen eines Investors, der seine Investition vor dem Stichtag begonnen hat, da die vorherige Regelung unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Europäischen Kommission stand.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Fleischerei im Fördergebiet. In den Jahren 1997 bis 2001 errichtete er eine Fabrikationshalle auf eigenen Grundstücken. Auf den Bauantrag vom 30. April 1996, der am 13. Mai 1996 beim Landratsamt einging, erteilte dieses am 5. August 1996 eine Teilbaugenehmigung und am 29. Januar 1997 die Baugenehmigung. In der Folgezeit ergingen zu der Baugenehmigung vom 29. Januar 1997 vier Nachtragsbescheide.

Am 20. September 1997 begann der Kläger mit den Erdarbeiten und reichte am 25. September 1997 die Baubeginnsanzeige vom 20. September 1997 beim Landratsamt ein. Bis 1998 waren für den Neubau Aufwendungen in Höhe von 468 012,89 DM angefallen. Darauf machte der Kläger im Veranlagungszeitraum 1998 Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) in Höhe von 40 v.H. der Aufwendungen im Betrag von 183 957 DM geltend. Im Streitjahr 1999 kamen weitere Herstellungskosten in Höhe von 824 420,29 DM und im Jahr 2000 in Höhe von 255 812,05 DM hinzu. Im Jahr 2001 war das Gebäude fertig gestellt.

Mit seinem Investitionszulagenantrag für das Streitjahr 1999 begehrte der Kläger unter anderem Investitionszulage für die in diesem Jahr angefallenen Baukosten in Höhe von 824 420,29 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) war der Auffassung, die Baukosten seien gemäß § 2 Abs. 4 Sätze 2 bis 5 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulÄndG 1999) vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1850, BStBl I 2001, 28) nicht begünstigt, weil der Bauantrag vor dem 25. August 1997 gestellt worden sei. Das FA setzte die Investitionszulage entsprechend niedriger fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus: Nach § 2 Abs. 4 Sätze 2, 3 InvZulG 1999 i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) sei die Herstellung neuer Gebäude begünstigt gewesen, wenn mit deren Herstellung nach dem 24. August 1997 begonnen worden sei. Maßgebend sei der Beginn der Erdarbeiten gewesen. Die geänderte Gesetzesfassung, nach der bei genehmigungspflichtigen Gebäuden als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt gelte, in dem der Bauantrag gestellt werde (§ 2 Abs. 4 Satz 5 InvZulG 1999 i.d.F. des InvZulÄndG 1999), sei wegen verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung nicht anzuwenden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1647 veröffentlicht.

Mit der Revision trägt das FA vor: Zwar liege ein Fall echter Rückwirkung vor. Denn die Neuregelung mache den Anspruch auf Investitionszulage rückwirkend von einem in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen und damit vom Kläger nicht mehr zu beeinflussenden Sachverhalt, der Stellung des Bauantrags, abhängig. Diese Rückwirkung sei im Streitfall jedoch nicht unzulässig, da der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Streitfall nicht verletzt sei. Denn der Kläger habe seine Investitionsentscheidung, den Bau der Fabrikationshalle, nicht erst mit dem tatsächlichen Beginn der Bauarbeiten am 20. September 1997, sondern schon mit der Stellung des Bauantrags am 13. Mai 1996 getroffen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht damit rechnen können, für sein Vorhaben eine staatliche Förderung über den 31. Dezember 1998 hinaus zu erhalten, da das FördG zum Jahresende 1998 ausgelaufen sei. Dass die Errichtung neuer Betriebsgebäude auch im Jahre 1999 gefördert werden sollte, sei erst mit der Veröffentlichung des InvZulG 1999 vom 18. August 1997 im Bundesgesetzblatt am 25. August 1997 (BGBl I 1997, 2070) offenbar geworden. Da dieses Gesetz aber unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission gestanden habe, sei auch damit noch kein verlässlicher Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Dem Kläger sei daher durch das InvZulÄndG 1999 nicht nachträglich eine Subvention entzogen worden, mit der er bei seiner Investitionsentscheidung, die bereits mit der Stellung des Bauantrags getroffen worden sei, habe rechnen können. § 2 Abs. 4 Satz 5 InvZulG 1999 i.d.F. des InvZulÄndG 1999 könne daher nicht dahin ausgelegt werden, dass die Regelung für das Jahr 1999 nicht anwendbar sei.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Stellt der Investor ein Gebäude her, für das eine Baugenehmigung erforderlich ist, beginnt er i.S. des § 2 Abs. 4 Satz 3 InvZulG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999 mit der Herstellung, wenn er den Bauantrag stellt und nicht erst, wenn er mit den eigentlichen Bauarbeiten anfängt. § 2 Abs. 4 Satz 5 InvZulG 1999 i.d.F. des InvZulÄndG 1999, nach dem der Bauantrag ausdrücklich als Beginn der Herstellung gilt, hat nur klarstellende Bedeutung und wirkt deshalb nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurück. Da der Kläger den Bauantrag für die Halle im Mai 1996 und damit nicht nach dem Stichtag 24. August 1997, eingereicht hat, ist seine Investition nach § 2 Abs. 4 Satz 2 InvZulG 1999 nicht begünstigt.

1. Nach § 2 Abs. 4 InvZulG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Förderung in den neuen Ländern vom 18. August 1997 (BGBl I 1997, 2070, BStBl I 1997, 790) waren Investitionen begünstigt, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1998 und vor dem 1. Januar 2002 bzw. 2005 abschloss. Der Zeitpunkt des Beginns der Investition war unerheblich.

Nach der Einfügung der Sätze 2 und 3 in § 2 Abs. 4 InvZulG 1999 durch das StBereinG 1999 sind --unter anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen-- Investitionen nur noch begünstigt, wenn sie nach dem 24. August 1997 (ab Verkündung des InvZulG 1999 am 25. August 1997) begonnen worden sind (Satz 2). Nach Satz 3 sind Investitionen in dem Zeitpunkt begonnen, in dem die Wirtschaftsgüter bestellt oder herzustellen begonnen worden sind.

Durch das InvZulÄndG 1999 wurde Satz 5 in § 2 InvZulG 1999 eingefügt, nach dem bei Gebäuden, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt gilt, in dem der Bauantrag gestellt wird.

2. Entgegen der Auffassung des FG ist bei der Errichtung von Gebäuden, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, bereits nach § 2 Abs. 4 Satz 3 InvZulG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999 der Zeitpunkt als Beginn der Herstellung anzusehen, in dem der Bauantrag gestellt wird. Der spätere Beginn der eigentlichen Bauarbeiten, z.B. der Erdarbeiten, ist nicht entscheidend.

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 16. Dezember 1998 X R 153/95 (BFH/NV 1999, 782) ausgeführt hat, wird der Beginn der Herstellung eines Gebäudes in steuerrechtlichen und zulagenrechtlichen Vorschriften nicht einheitlich verwendet. Da die Investitionszulage einen Anreiz für Investitionen bieten soll, ist im Zulagenrecht, wenn das Gesetz die Begünstigung vom Beginn einer Investition nach einem bestimmten Zeitpunkt abhängig macht, ausschlaggebend auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Investor seine Entscheidung zur Durchführung der Investition für sich bindend nach außen erkennbar und ggf. nachweisbar getroffen hat. Dadurch wird gewährleistet, dass die Zulage dem Förderzweck entsprechend gewährt wird und Mitnahmeeffekte vermieden werden.

Hiervon ausgehend ist für den Beginn der Herstellung i.S. von § 2 Abs. 4 Satz 3 InvZulG i.d.F. des StBereinG 1999 bei genehmigungspflichtigen Gebäuden grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Investor den Bauantrag einreicht. Denn mit dem Antrag auf Baugenehmigung ersucht der Investor die Genehmigungsbehörde, ihm die Durchführung des in dem Bauantrag beschriebenen Bauvorhabens zu gestatten. In dem Bauantrag kommt daher --anders als in einer unverbindlichen Bauvoranfrage-- in aller Regel nach außen erkennbar zum Ausdruck, dass sich der Bauherr zur Errichtung des Gebäudes entschlossen hat. Dem Zweck der Stichtagsregelung, Mitnahmeeffekte zu vermeiden, entspricht es, in Fällen, in denen der Bauantrag vor dem Stichtag gestellt wurde und die tatsächlichen Bauarbeiten erst danach ins Werk gesetzt wurden, auf den Zeitpunkt des Bauantrags als dokumentierter Bauabsicht und nicht auf die späteren Arbeiten abzustellen. Dementsprechend hat der BFH für die Verlängerung der Reinvestitionsfrist bzw. für den Beginn der Herstellung eines Gebäudes innerhalb der Reinvestitionsfrist nach § 6b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes entschieden, maßgeblich sei die den Bauarbeiten vorausgehende Einreichung des Bauantrags, wenn das Bauvorhaben aufgrund des Bauantrags innerhalb der Vierjahresfrist durchgeführt werde (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1981 IV R 85/81, BFHE 134, 297, BStBl II 1982, 63). Ein vom Zeitpunkt des Bauantrags abweichender Beginn der Herstellung könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn eine Baugenehmigung in der Art einer Bauvoranfrage gestellt wird, um --ohne eine konkrete Bauabsicht-- genehmigungsrechtliche Fragen vorab zu klären.

3. Ist sonach bereits nach § 2 Abs. 4 Satz 3 InvZulG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999 bei der Errichtung genehmigungspflichtiger Gebäude der Bauantrag grundsätzlich als Beginn der Herstellung anzusehen, hat die rückwirkende Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 5 InvZulG 1999 i.d.F. des InvZulÄndG 1999, nach welcher der Bauantrag als Beginn der Herstellung gilt, jedenfalls für den Regelfall nur klarstellende Bedeutung. Die Regelung wirkt somit nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurück (s.a. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 14/3273, S. 5; Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 14/3273, S. 7, und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BTDrucks 14/4626, S. 4).

4. Da der Kläger für die von ihm errichtete Halle den Bauantrag bereits im Mai 1996 gestellt und damit seine Investitionsabsicht erkennbar bekundet hat, ist die Begünstigungsvoraussetzung, der Investitionsbeginn nach dem 24. August 1997, nicht erfüllt. Es sind keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme in dem Sinne ersichtlich, dass der Kläger mit dem Bauantrag noch keine Entscheidung für seine Absicht, das Gebäude zu errichten, getroffen haben könnte.

Der Kläger konnte zwar aufgrund der Rechtslage nach dem Gesetz vom 18. August 1997 darauf hoffen, für die nach dem 31. Dezember 1998 fertig gestellte Fabrikationshalle eine Investitionszulage zu erhalten.

Der spätere Ausschluss der Begünstigung für vor dem 25. August 1997 begonnene Investitionen durch die Einfügung des Satzes 2 in § 2 Abs. 4 InvZulG 1999 aufgrund des StBereinG 1999 bewirkt indes keinen ungerechtfertigten Eingriff in eine schützenswerte Rechtsposition des Klägers. Denn nach Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes vom 18. August 1997 stand § 2 InvZulG 1999 unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Europäischen Kommission. Wegen dieses Genehmigungsvorbehalts konnte ein Investor, der seine Investition vor dem 25. August 1997 begonnen hatte, nicht auf die Förderung seines Vorhabens vertrauen. Die Europäische Kommission sah in den höheren Fördersätzen nach dem InvZulG 1999 für vor dem 25. August 1997 begonnene Investitionen, eine nachträgliche Erhöhung der Investitionszulage, die keinen Investitionsanreiz auslösen könne. Die Regelung sei daher nicht geeignet, die regionale Entwicklung im Sinne der regional bezogenen Ausnahmeregelungen nach Art. 92 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu fördern. Eine solche nachträgliche Beihilfe sei einer nicht genehmigungsfähigen Betriebsbeihilfe gleichzusetzen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. Januar 1999, BStBl I 1999, 180, mit Anlage). Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, wurde die Begünstigung durch das StBereinG 1999 auf Investitionen beschränkt, die nach dem 24. August 1997 begonnen wurden (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 14/2070, S. 26, 27).

Ende der Entscheidung

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