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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: III R 63/04
Rechtsgebiete: AuslG 1990, EStG, FGO, BKGG, AufenthG, Bundeselterngeld- und ElternzeitG, GG


Vorschriften:

AuslG 1990 § 30
AuslG 1990 § 30 Abs. 3
AuslG 1990 § 55
AuslG 1990 § 55 Abs. 2
AuslG 1990 § 56
EStG § 22 Nr. 3 Satz 3 a.F.
EStG § 23 Abs. 4 Satz 3 a.F.
EStG § 52 Abs. 61a Satz 2
EStG §§ 62 ff.
EStG § 62 Abs. 2
EStG § 62 Abs. 2 Satz 1
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3 n.F.
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b
FGO § 74
BKGG § 1 Abs. 3
AufenthG § 23 Abs. 1
AufenthG § 23a
AufenthG § 24
AufenthG § 25 Abs. 3
AufenthG § 25 Abs. 4
AufenthG § 25 Abs. 5
AufenthG § 60a
Bundeselterngeld- und ElternzeitG §§ 15 ff.
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) reiste im Jahre 1993 zusammen mit ihrem Ehemann und fünf Kindern aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland ein. Nach einem Asylverfahren war die Familie nach § 55 Abs. 2 des Ausländergesetzes (AuslG) 1990 ausländerrechtlich geduldet. Der Ehemann der Klägerin war berufstätig. Im August 1995 erlitt er einen Arbeitsunfall, der zur Erwerbsunfähigkeit führte. Am 17. Januar 2003 erhielt die Familie wegen des Unfalls eine befristete Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990. Am ... Januar 2005 verstarb der Ehemann, der bis zu seinem Tod von der Klägerin gepflegt wurde.

Mit Antrag vom 22. Januar 2003 begehrte die Klägerin Kindergeld für die drei im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte dies ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor, das angefochtene Urteil verstoße gegen das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 4. Mai 1999 C-262/96 (Slg. 1999, I-2685). Sie, die Klägerin, habe ihren zu 100 v.H. schwerbehinderten Mann gepflegt. Hätte dieser weiter gearbeitet, so hätte er Kindergeld bezogen. Ein Ausschluss des Kindergeldanspruchs könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.

Sollte eine Aufenthaltsbefugnis nach dem Wortlaut der Neuregelung des § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ausreichend sein, so hätte der Gesetzgeber die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) nicht in ausreichendem Maße umgesetzt. Außerdem finde das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 --SozSichAbk YUG-- (BGBl II 1969, 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl II 1975, 390) Anwendung. Es könne nicht darauf ankommen, ob tatsächlich die Arbeitnehmereigenschaft noch bestanden habe, sondern nur darauf, welche Leistungen nach Beendigung des Arbeitnehmerverhältnisses bezogen worden seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 3. April 2003 sowie den Ablehnungsbescheid vom 25. Februar 2003 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, ab Januar 2003 für drei Kinder Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Familienkasse trägt vor, die Klägerin sei im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die eine Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Behörde erlaube. Aufgrund dieses Titels hätte die Klägerin nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie berechtigt erwerbstätig wäre oder Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bezöge oder sich in Elternzeit befände. Dies treffe im Streitfall jedoch nicht zu.

II. 1. Das Revisionsverfahren war nicht im Hinblick auf den Beschluss des Finanzgerichts (FG) Köln vom 9. Mai 2007 10 K 1690/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2007, 1247), mit dem dieses dem BVerfG die Frage der Vereinbarkeit des § 62 Abs. 2 EStG n.F. mit dem Grundgesetz (GG) vorgelegt hat, auszusetzen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Aussetzung eines Klageverfahrens entsprechend § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geboten, wenn vor dem BVerfG bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, den FG und dem BFH zahlreiche Parallelverfahren (Massenverfahren) vorliegen und keiner der Beteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat (z.B. Senatsbeschluss vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408). Ein derartiges Interesse ist im Streitfall jedoch zu bejahen, da erstmals nach Ergehen des zitierten Vorlagebeschlusses eine Entscheidung des BFH zur Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG n.F. herbeigeführt werden soll (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408, unter 3.e).

2. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Familienkasse hat es zu Recht abgelehnt, Kindergeld für die Zeit ab Januar 2003 zu gewähren.

a) Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 hing der Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld davon ab, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG 1990) oder Aufenthaltserlaubnis (§ 15 AuslG 1990) war. Eine Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG 1990), Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) oder eine Duldung (§§ 55, 56 AuslG 1990) reichte nicht aus. Diese Regelung war nach Ansicht des BVerfG für die nahezu wortgleiche Regelung in § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2353) insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, als die Gewährung von Kindergeld allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114). Das BVerfG hat in dem zitierten Beschluss das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Kindergeld nur solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten war, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben würden (s. BTDrucks 12/5502, S. 44), nicht beanstandet, sondern nur die zur Erreichung dieses Ziels getroffenen gesetzlichen Unterscheidungskriterien, die allein an die Qualität des ausländerrechtlichen Titels anknüpften und deshalb nach Ansicht des BVerfG sachlich nicht gerechtfertigt waren.

b) Der Gesetzgeber hat daraufhin § 62 Abs. 2 EStG durch Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 --AuslAnsprG-- (BGBl I 2006, 1915) geändert. Die Regelung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten und erfasst alle Sachverhalte, bei denen --wie im Streitfall-- das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG). Ausländer, die nach §§ 55, 56 AuslG 1990 bzw. nach § 60a des ab 1. Januar 2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) geduldet sind, haben auch nach der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG keinen Anspruch auf Kindergeld. Der Senat hat mit Urteilen vom 15. März 2007 III R 93/03 (BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234) sowie III R 54/05 (BFH/NV 2007, 1298) zur Kindergeldberechtigung geduldeter Ausländer entschieden, dass die vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung sachlich gerechtfertigt und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, da keine langfristige Integration geduldeter Ausländer und ihrer Familien in Deutschland beabsichtigt ist. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.

c) In Fällen, in denen ein Ausländer im Besitz einer wegen eines Krieges in seinem Heimatland erteilten Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 AufenthG ist oder in denen er eine Aufenthaltsgenehmigung wegen eines Härtefallersuchens (§ 23a AufenthG), zur Gewährung vorübergehenden Schutzes (§ 24 AufenthG) oder aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG) erhalten hat, hängt der Anspruch auf Kindergeld nach der Neuregelung gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 EStG davon ab, dass der Ausländer sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG) und darüber hinaus berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit nach §§ 15 ff. des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 5. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2748) in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG). Das Gesetz stellt auf die Integration von Ausländern in den deutschen Arbeitsmarkt ab. Damit ist der Gesetzgeber den Vorgaben des BVerfG nachgekommen, das beanstandet hatte, dass die frühere Regelung nur ausländische Eltern benachteiligte, die legal in Deutschland lebten und bereits in den Arbeitsmarkt integriert waren (s. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114, unter B.III.4.). Bei Ausländern, denen keine Erwerbstätigkeit erlaubt ist, ging er --wie das BVerfG-- davon aus, dass das Existenzminimum ihrer Kinder durch staatliche Fürsorgeleistungen in ausreichendem Maße gesichert ist (BTDrucks 16/1368, S. 9).

3. Der Senat teilt nicht die im Vorlagebeschluss des FG Köln in EFG 2007, 1247 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG.

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, in Fällen, in denen ein Ausländer rechtmäßig oder rechtswidrig nach Deutschland einreist und --z.B. wegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses-- damit zu rechnen ist, dass er auf absehbare Zeit nicht mehr ausreist, von Anfang an oder nach einer gewissen Zeit Kindergeld zu gewähren, weil von einem Daueraufenthalt auszugehen sei. Vielmehr kann bei der nach dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 anzustellenden Prognose über die Dauer des Aufenthalts zunächst erwartet werden, dass sich ein Ausländer, dessen Aufenthalt lediglich geduldet ist, rechtstreu verhält und wieder ausreist oder dass ein Ausländer, der wegen eines Krieges in seinem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG oder eine Erlaubnis nach §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erhalten hat, nach Wegfall der Gründe, die einer Rückkehr in sein Herkunftsland entgegengestanden waren, wieder heimkehrt. Der Gesetzgeber handelte verfassungskonform und im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums, als er typisierend gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG einen Daueraufenthalt erst bei einem mindestens dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und bei Integration in den Arbeitsmarkt unterstellte. Nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers bietet eine derartige Integration eine Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland.

b) Entgegen der im Vorlagebeschluss in EFG 2007, 1247 geäußerten Ansicht des FG Köln ist das in § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG verwendete Abgrenzungskriterium der Erwerbstätigkeit nicht derart unbestimmt, dass es gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt (Art. 20 Abs. 3 GG). Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies allein steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 14. März 1967 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, BStBl III 1967, 357, unter B.I.). Unüberwindliche Auslegungsprobleme sind für den Senat nicht ersichtlich.

c) Der Senat ist auch nicht der Ansicht, die in § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG angeordnete Rückwirkung der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auf noch nicht bestandskräftig entschiedene Fälle sei verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber den bis zum 1. Januar 2006 befristeten Regelungsauftrag bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt habe (so FG Köln, Urteil vom 9. Mai 2007 10 K 983/04, EFG 2007, 1254). Der Fall, der dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 zugrunde lag, betraf § 1 Abs. 3 BKGG 1993. Die vom BVerfG getroffene Anordnung, wonach das bis zum 31. Dezember 1993 geltende Recht anzuwenden sei (§ 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990, BGBl I 1990, 1354), falls der Gesetzgeber bis zum 1. Januar 2006 die verfassungswidrige Norm nicht durch eine Neuregelung ersetzen sollte, gilt nur für § 1 Abs. 3 BKKG 1993, nicht aber für das ab 1996 nach §§ 62 ff. EStG zu gewährende Kindergeld. Auch wenn § 1 Abs. 3 BKGG 1993 und § 62 Abs. 2 EStG 1996 nahezu wortgleich waren, folgt daraus nicht, dass die vom BVerfG angeordnete Sanktion des Wieder-In-Kraft-Setzens der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden kindergeldrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen auch für das steuerrechtliche Kindergeld gilt. § 1 Abs. 3 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung kann im steuerlichen Kindergeldrecht keine (Wieder-)Geltung erlangen.

d) Eine Übertragung der vom BVerfG für § 1 Abs. 3 BKGG 1993 angeordneten Sanktion auf das steuerrechtliche Kindergeld lässt sich entgegen der Rechtsansicht des Niedersächsischen FG im Urteil vom 23. Januar 2006 16 K 12/04 (EFG 2006, 751) sowie des FG Köln im Urteil in EFG 2007, 1254 auch nicht mit einem Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/01 (BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26) begründen. Nach dieser Entscheidung sind wegen Unvereinbarkeit des Verlustausgleichs- und Abzugsverbots in § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG für Altfälle die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden. Eine Vorlage an das BVerfG wegen der Verfassungswidrigkeit der Regelung hielt der BFH ausnahmsweise für entbehrlich, weil das BVerfG bereits das (vergleichbare) Verlustausgleichsverbot in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG a.F. wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt hatte mit der Folge, dass die Verluste entsprechend den allgemeinen Regeln über Verlustausgleich und Verlustabzug zu behandeln waren (BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88). Im Streitfall handelt es sich dagegen nicht um einschränkende Regelungen systematisch zusammenhängender Vorschriften eines Gesetzes, deren Nichtigkeit zur Anwendbarkeit der allgemeinen gesetzlichen Regeln führt, sondern es sind Vorschriften verschiedener Gesetze (BKGG und EStG) betroffen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F. für die Jahre 1993 bis 1995 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt und angeordnet, dass auf noch nicht abgeschlossene Verfahren § 1 Abs. 3 BKGG in der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung anzuwenden ist, wenn der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum 1. Januar 2006 ersetzen sollte. Diese nur für § 1 Abs. 3 BKGG geltende Sanktion des BVerfG kann der BFH trotz Wortgleichheit der Vorschriften nicht in eigener Zuständigkeit auf § 62 Abs. 2 EStG übertragen. Dies fällt ausschließlich in die Kompetenz des BVerfG.

e) Eine Beschränkung des Kindergeldanspruchs durch § 62 Abs. 2 EStG n.F. steht entgegen der Rechtsansicht des FG Köln im Beschluss in EFG 2007, 1247 auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25. Oktober 2005 in der Sache 59140/00, Okpisz/Deutschland (BFH/NV 2006, Beilage 3, 357). Dieses ist, ebenso wie die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114, zu § 1 Abs. 3 BKGG 1993 ergangen, nicht aber zu § 62 Abs. 2 EStG n.F. Ebenso wenig lässt sich ein Anspruch auf Kindergeld aus dem Urteil des EuGH in Slg. 1999, I-2685 herleiten, das den Beschluss des Assoziationsrates EWG-Türkei Nr. 3/80 betrifft (s. Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1234).

4. Im Streitfall hatte die Klägerin ab Januar 2003 wegen des Arbeitsunfalls des Ehemannes eine befristete Aufenthaltsbefugnis. Es handelte sich offensichtlich um eine Befugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG 1990, die erteilt werden konnte, wenn der freiwilligen Ausreise oder der Abschiebung eines unanfechtbar ausreisepflichtigen Ausländers Hindernisse entgegenstanden, die er nicht zu vertreten hatte. Diese Aufenthaltsgenehmigung entspricht einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die erteilt werden kann, wenn ein ausreisepflichtiger Ausländer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen und ohne Verschulden an der Ausreise gehindert ist und mit dem Wegfall des Hindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (ebenso FG Düsseldorf vom 23. Januar 2007 10 K 2661/04 Kg, EFG 2007, 605, sowie FG Münster vom 24. April 2007 15 K 3830/04 Kg, EFG 2007, 1700). Die Kindergeldberechtigung der Klägerin richtet sich deshalb nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG, der Aufenthaltsbefugnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG aufführt, sowie nach § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG. Hiernach scheidet ein Anspruch auf Kindergeld aus, weil die Klägerin nicht erwerbstätig war; auch bezog sie keine Leistungen zur Arbeitsförderung nach dem SGB III oder nahm Elternzeit in Anspruch (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b EStG).

5. Auch das SozSichAbk YUG begründet keinen Anspruch auf Kindergeld. Nach Art. 28 Abs. 1 dieses Abkommens können Personen Kindergeld beanspruchen, die in Deutschland beschäftigt sind und den in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften unterliegen oder nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Geldleistungen aus der Krankenversicherung wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Beschäftigte Personen im Sinne dieses Abkommens sind nur Arbeitnehmer (Senatsurteile in BFH/NV 2007, 1234, sowie in BFH/NV 2007, 1298). Die Klägerin war im fraglichen Zeitraum jedoch nicht beschäftigt, auch bezog sie keine Leistungen aus der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung. Da die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 SozSichAbk YUG nicht erfüllt sind, braucht der Senat auf die Frage der Fortgeltung des Abkommens nicht einzugehen (vgl. den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 2 GG vom 23. Mai 2006 B 13 RJ 17/05 R, Die Sozialgerichtsbarkeit 2007, 227, betr. das Verhältnis zu Bosnien und Herzegowina).

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