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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.08.2002
Aktenzeichen: IV B 1/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 5
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 128 Abs. 3 Satz 1
FGO § 128 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die nach ihren Angaben zum 1. Januar 1996 gegründet worden ist. Die Gesellschafter brachten ihre Anteile an der A-GmbH (GmbH) mit einem Nominalwert von 400 000 DM in die Antragstellerin ein. Zum 1. Juni 1996 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Antragstellerin schrieb die GmbH-Anteile auf einen Erinnerungswert von 5 DM ab. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte die Teilwertabschreibung nicht an und stellte in einem geänderten Feststellungsbescheid einen Verlust in Höhe von nur 1 000 DM fest. Dies begründete das FA damit, dass die GmbH-Anteile als betriebsschädliche Wirtschaftsgüter nicht hätten eingelegt werden können. Bei Aufstellung der Eröffnungsbilanz sei die Wertlosigkeit der Anteile bekannt gewesen.

Gegen diesen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte 1996 hat die Antragstellerin Sprungklage erhoben, die das Finanzgericht (FG) zwischenzeitlich mit Beschluss vom 19. Dezember 2001 zur Durchführung des Vorverfahrens an das FA abgegeben hat. Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) haben FA und FG abgelehnt.

Das FG führte aus, die Einlage der GmbH-Beteiligungen aus dem Privatvermögen der Gesellschafter stelle einen tauschähnlichen Vorgang dar, mit der Folge, dass als Anschaffungskosten der Anteile deren gemeiner Wert anzusetzen sei. Angesichts der wirtschaftlichen Situation der GmbH, wie sie sich in der Bilanz auf den 31. Dezember 1995 widerspiegele, halte es der Senat für ausgeschlossen, dass der gemeine Wert der Anteile dem Nennwert entsprochen habe. Das Eigenkapital sei schon am vorherigen Bilanzstichtag trotz einer Erhöhung aufgezehrt, das Anlagevermögen nicht annähernd durch langfristiges Kapital gedeckt gewesen. Einem Umlaufvermögen von 3 Mio. DM hätten kurzfristige Verbindlichkeiten von 4 Mio. DM gegenübergestanden. Unabhängig von einer im Jahresabschluss 1995 vorgenommenen Wertberichtigung sei die GmbH überschuldet gewesen. Das Bestehen erheblicher Risiken drücke sich auch darin aus, dass die kreditgebende Bank zu einer Ausdehnung des Kreditvolumens nur gegen Bürgschaften von 1,5 Mio. DM bereit gewesen wäre. Bei überschlägiger Prüfung ergäben sich danach keine Anhaltspunkte dafür, dass der gemeine Wert im Zeitpunkt der Einlage über einen symbolischen Betrag hinausgegangen wäre.

Auch wenn man von einer mit dem Teilwert anzusetzenden Einlage ausgehe, ändere sich an dem Ergebnis nichts. Der baldige Konkurs der GmbH nach dem Einbringungsstichtag und die vom Konkursverwalter zum 31. Mai 1996 ermittelten Aktiva von rund 450 000 DM bei rund 3,8 Mio. DM Verbindlichkeiten indizierten einen gegen Null gehenden Teilwert der Beteiligung.

Bei dieser Sachlage brauche der Senat nicht den Zweifeln nachzugehen, die an einer Existenz der GbR bereits im Streitjahr (1996) beständen. Es gebe mit Ausnahme der 26 Monate nach dem behaupteten Beginn der Tätigkeit eingereichten Eröffnungsbilanz keine Anhaltspunkte für in Zusammenhang mit der Betriebseröffnung stehende Maßnahmen. Für die Ingangsetzung des Betriebs seien keine Aufwendungen entstanden. Nach dem Gesellschaftsvertrag sei die Antragstellerin "am" 1. Januar 1996 gegründet worden, während die Antragstellerin selbst nur von einer Gründung "zum" 1. Januar 1996 spreche. Es sei nicht auszuschließen, dass der angegriffene Bescheid tatsächlich, und zwar deshalb fehlerhaft sei, weil das FA Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt habe, ohne zu prüfen, ob die Antragstellerin im Streitjahr schon Maßnahmen zur Aufnahme einer werbenden Tätigkeit ergriffen habe. Diese Zweifel rechtfertigten aber keine AdV, weil die Antragstellerin dadurch nur schlechter gestellt würde.

Die Beschwerde gegen den Beschluss ließ das FG nicht zu.

Mit der außerordentlichen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, begehrt die Antragstellerin die Zulassung der Beschwerde wegen eines schwerwiegenden Verfahrensmangels. Sie trägt vor, gegen einen gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unanfechtbaren Beschluss komme die Möglichkeit einer außerordentlichen Beschwerde in Betracht. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe ein solches Rechtsmittel gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zugelassen (BVerfG-Beschlüsse vom 28. März 1985 1 BvR 1245, 1254/84, BVerfGE 69, 233, und vom 28. September 1982 2 BvR 125/82, BVerfGE 61, 119; BFH-Beschlüsse vom 19. April 1989 II B 177/88, BFH/NV 1990, 576; vom 3. Juli 1997 VII B 96/97, VII S 11/97, BFH/NV 1998, 44; vom 15. Januar 2001 VII B 289/00, nicht veröffentlicht --nv--). Grundlage dafür sei neben der sog. greifbaren Gesetzwidrigkeit eine schwerwiegende Verletzung grundgesetzlich geschützter Verfahrensvorschriften, wie z.B. des Rechts auf Gehör (BFH-Beschlüsse vom 26. April 1996 III B 35/96, BFH/NV 1996, 700; vom 15. Januar 2001 VII B 289/00, nv). Außerdem sei die Einlegung der außerordentlichen Beschwerde Zugangsvoraussetzung für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde.

Ein schwerwiegender Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liege vor, wenn das rechtliche Gehör verletzt werde. Davon sei insbesondere auszugehen, wenn das FG tatsächliches oder rechtliches Vorbringen nicht zur Kenntnis nehme. Im Streitfall sei zu erkennen, dass das schriftsätzliche Vorbringen der Antragstellerin nicht die geringste Beachtung gefunden habe. Alleinige entscheidungserhebliche Bedeutung komme dem Kriterium der Wertlosigkeit zu. Im Schriftsatz vom 12. November 2001 nebst Anlagen seien die in Bezug auf die Wertlosigkeit vom FG herangezogenen Umstände zweifelsfrei widerlegt worden (wird im Einzelnen ausgeführt). Daraus, dass das FG den Prozessstoff auf die bei Gericht vorhandenen Unterlagen und die sog. präsenten Beweismittel beschränke, ergebe sich ein schwerwiegender Verfahrensverstoß (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 1994 VI B 149/94, BFH/NV 1995, 628; vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791).

Dass das FG die AdV verfahrensfehlerhaft abgelehnt habe, zeige sich auch an dem wenige Tage später ergangenen Beschluss über die Abgabe der Sprungklage an das FA zur Durchführung des Vorverfahrens. Es dränge sich der Eindruck auf, dass das Gericht selbst Zweifel an dem unsubstantiierten Vortrag des FA zur steuerlichen Beurteilung der für 1996 relevanten Umstände habe. Da das FG von erheblichem Aufklärungsbedarf ausgehe, hätte es zwingend auch die AdV gewähren müssen. Denn damit würden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts dokumentiert. Die dafür maßgeblichen Umstände hätten auch schon bei Erlass des angefochtenen Beschlusses vorgelegen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Eine Stellungnahme dazu hat es nicht abgegeben.

Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.

1. Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde gegen die Entscheidung über die AdV gemäß § 69 Abs. 3 und 5 FGO nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Das FG hat die Beschwerde nicht zugelassen; es hat vielmehr ausdrücklich auf die Unanfechtbarkeit des Beschlusses hingewiesen.

Die Beschwerde der Antragstellerin richtet sich ausdrücklich gegen die Nichtzulassung der Beschwerde. Eine solche Beschwerde ist nicht statthaft, weil ein derartiges Rechtsmittel von der FGO nicht vorgesehen ist. Im Unterschied zur Nichtzulassung der Revision gibt es kein eigenständiges Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde. Insbesondere ergibt sich ein solches Verfahren nicht aus dem Verweis auf § 115 Abs. 2 FGO in § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 1997 IV B 61/97, BFH/NV 1998, 344, m.w.N.). Nach Auffassung des BVerfG bestehen gegen diese Regelung keine verfassungsmäßigen Bedenken (Beschluss vom 6. Oktober 1977 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39).

2. Auch eine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzeswidrigkeit ist im Streitfall nicht gegeben. Die Statthaftigkeit eines solchen, in der FGO nicht vorgesehenen Rechtsbehelfs hat die Rechtsprechung ausnahmsweise für Sonderfälle greifbarer Gesetzeswidrigkeit in Erwägung gezogen, d.h. für Fälle, in denen die erstinstanzliche Entscheidung jeglicher Grundlage entbehrt und damit eine nicht hinnehmbare Gesetzeswidrigkeit zur Folge hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2000 IV B 98/00, BFH/NV 2001, 332, und vom 26. August 1991 IV B 135/90, BFH/NV 1992, 509). Der kraft Gesetzes unanfechtbare Beschluss muss demgemäß unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sein oder auf einer Gesetzesauslegung beruhen, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (BFH-Beschluss vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791, m.w.N.).

Die Antragstellerin trägt einen derartig außergewöhnlichen und schwerwiegenden Rechtsverstoß nicht schlüssig vor. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs eröffnet den außerordentlichen Beschwerdeweg nicht (BFH-Beschluss vom 26. Mai 1977 V B 7/77, BFHE 122, 256, BStBl II 1977, 628; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 128 Rz. 16). Ein solcher Verstoß könnte allenfalls mit einer Gegenvorstellung beim Ausgangsgericht gerügt werden. Es kann deshalb dahinstehen, ob dem FG tatsächlich angelastet werden kann, es habe das schriftsätzliche Vorbringen der Antragstellerin zur Frage der Werthaltigkeit der Beteiligungen nicht zur Kenntnis genommen.

Soweit die Antragstellerin in der Ablehnung des Aussetzungsgesuchs bei nahezu zeitgleicher Abgabe der Sprungklage an das FA eine widersprüchliche und willkürliche Behandlung durch das FG sieht, ist dem nicht zuzustimmen. Bereits im Beschluss über die AdV hat das FG ausgeführt, dass es gravierende Zweifel daran habe, dass die Antragstellerin tatsächlich bereits im Jahr 1996 (dem Streitjahr) --zumindest vor Konkurseröffnung über das Vermögen der GmbH-- einen auf Erzielung von Gewinnen gerichteten Betrieb unterhalten habe. Diese Zweifel hatte es aber im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nicht für bedeutsam gehalten, weil bei Verneinung eines entsprechenden Betriebs dem Begehren der Antragstellerin erst recht nicht hätte stattgegeben werden können. Dieselben Zweifel waren ausweislich der Gründe des Beschlusses vom 19. Dezember 2001 Ursache für die Abgabe an das FA.

Ende der Entscheidung

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