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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.05.1998
Aktenzeichen: IV B 108/97
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, VwGO, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 38
AO 1977 § 41 Abs. 2
AO 1977 § 42
AO 1977 § 80 Abs. 2
AO 1977 § 110
AO 1977 § 164
AO 1977 § 165
AO 1977 § 357
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3 a.F.
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
FGO § 62 Abs. 3
FGO § 65
FGO § 69 Abs. 2
VwGO § 82
BGB § 730 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Beteiligten streiten im Verfahren der Hauptsache um die Rechtmäßigkeit von Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheiden, die die Aktivitäten einer aufgelösten Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffen. Die Gesellschaft betrieb unter der Bezeichnung A-GbR (GbR) die Errichtung, Vermietung und Veräußerung von Wohnungen.

Die GbR wurde im Jahre 1985 gegründet. Zunächst waren zu je einem Viertel die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) an ihr beteiligt.

Nach dem Bau eines Mehrfamilienhauses und dessen Aufteilung in Eigentumswohnungen im April 1987 übertrugen die Antragsteller D, M und O am 18. Juni 1987 ihre Gesellschaftsanteile an ihre Ehefrauen.

Als Kaufpreis war ein Betrag von 1 125 000 DM vereinbart. Er sollte in Höhe von 675 000 DM durch die Übernahme von Schulden beglichen werden. Der Restbetrag in Höhe von 450 000 DM wurde gegen einen Jahreszins in Höhe von 5 v.H. gestundet. Wenige Tage nach Vertragsschluß, nämlich am 26. Juni 1987, begann die GbR mit dem Verkauf von Eigentumswohnungen. Bis zum 20. Juli 1989 wurden sechs Wohnungen veräußert.

Zum 1. Januar 1991 übertrug die Antragstellerin I ihren Anteil gegen Übernahme von Verbindlichkeiten auf eine ihr nahestehende GmbH & Co. KG.

Im Jahre 1991 wurde die GbR im Wege der Realteilung aufgelöst. Den vier Gesellschaftern wurde je eine der verbliebenen Wohnungen durch Los zugeteilt.

Die GbR gab für die Streitjahre Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) folgte dem zunächst. Der Feststellungsbescheid 1986 war hinsichtlich der Einkunftsart vorläufig i.S. des § 165 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Bescheide für die übrigen Streitjahre ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO 1977).

Im Jahre 1993 fand eine Betriebsprüfung statt. In der Prüfungsanordnung war als zu prüfender Steuerpflichtiger die "Firma Grundstücksgemeinschaft A-GbR" benannt. Sie wurde dem Antragsteller M als empfangsbevollmächtigtem Steuerberater der GbR bekanntgegeben.

Der Prüfer war der Auffassung, daß die GbR ab dem 18. Juni 1987 gewerblichen Grundstückshandel betrieben habe. Die mit Vertrag vom 18. Juni 1987 vereinbarte Übertragung der Gesellschaftsanteile könne nicht anerkannt werden, weil es sich um einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten handle (§ 42 AO 1977). Der Vertrag sei zu dem Zweck abgeschlossen worden, die in der Folgezeit erzielten gewerblichen Veräußerungsgewinne unter Abweichung von den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten der Objekte gering zu halten. Hierfür spreche neben der zeitlichen Nähe der Anteilsveräußerung zum ersten Wohnungsverkauf der Umstand, daß bereits in den Mietverträgen vom 16. Juli 1986 bzw. 14. Januar 1987 dokumentiert worden sei, daß für die Eigentumswohnungen eine Verkaufsabsicht bestanden habe. Auch die vorliegende Angebotsliste stamme offenkundig aus der Zeit vor der Übertragung der Gesellschaftsanteile. Unter fremden Dritten sei ein Kaufpreis in dieser Höhe nicht vereinbart worden. Er liege an der oberen Grenze des für das Grundstück erzielbaren Kaufpreises in Höhe von 1,5 Mio. DM. Auch die Antragsteller seien in ihren ursprünglichen Preisvorstellungen von einem Gesamterlös in Höhe von 1,7 Mio. DM ausgegangen, der sich allerdings nicht habe erzielen lassen. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten hätten lediglich 800 000 DM betragen.

Darüber hinaus fehle es an der ernsthaften Durchführung des Vertrages. Auf den nicht durch Schuldübernahme gedeckten, zunächst bis zum 31. Dezember 1988 verzinslich gestundeten Teil des Kaufpreises seien bislang weder Tilgungsraten noch Zinsen gezahlt worden.

Der Prüfer und ihm folgend das FA gingen daher bei der weiteren steuerlichen Behandlung davon aus, daß die Antragsteller über die gesamte Zeit des Bestehens der GbR als deren Gesellschafter anzusehen seien.

Das FA erließ dementsprechend für die Streitjahre 1986 bis 1988 sowie 1990 und 1991 einen Sammel-Änderungsbescheid zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung. Er wurde am 19. Juli 1994 zur Post gegeben und war --wie zuvor die Prüfungsanordnung-- gerichtet an den Antragsteller M "für die Grundstücksgemeinschaft A-GbR". Im Abschnitt "D" waren als Feststellungsbeteiligte die Namen aller Gesellschafter, also die der Antragsteller, ihrer Ehefrauen und der GmbH & Co. KG aufgeführt. Die Gewinne und Verluste der Jahre 1986 bis 1988 und 1990 waren den Antragstellern zugeordnet. Dasselbe gilt für das Jahr 1991 mit der Einschränkung, daß an die Stelle der Antragstellerin I die GmbH & Co. KG trat. Die Erhöhung der Einkünfte gegenüber den Ursprungsbescheiden resultierte in erster Linie aus den für die Eigentumswohnungen erzielten Veräußerungserlösen, die nicht um den durch Vertrag vom 18. Juni 1987 vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 1 125 000 DM gemindert waren.

Bezüglich der Gewinnfeststellung 1989 erging --ebenfalls unter dem Datum vom 19. Juli 1994-- ein getrennter Änderungsbescheid. Er erhielt den Hinweis, daß der gegen den Ursprungsbescheid eingelegte Einspruch nicht erledigt sei.

Außerdem erließ das FA für die Streitjahre Gewerbesteuermeßbescheide sowie einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1990. Die Bescheide richteten sich ebenfalls an den Antragsteller M als Empfangsbevollmächtigten für die "Grundstücksgemeinschaft A-GbR".

Mit Schreiben vom 5. August 1994 legte der Antragsteller M namens und im Auftrag der "Grundstücksgemeinschaft A-GbR" gegen die Gewinnfeststellungsbescheide Einspruch ein. Das an das beteiligte FA G adressierte Schreiben trägt einen vom selben Tag datierenden Eingangsstempel des Finanzamts S. Dieses leitete das Einspruchsschreiben mit Anschreiben vom 18. August an das beteiligte FA weiter, wo es dem Eingangsstempel zufolge am 30. August 1994 eintraf.

Mit Schreiben vom 19. September 1994 legte der Antragsteller M namens und im Auftrag der GbR auch gegen die Gewerbesteuermeßbescheide sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1990 Einspruch ein.

Das FA sah die Einsprüche gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1986 bis 1988 sowie 1990 und 1991 als verspätet an und verwarf sie als unzulässig.

Die übrigen Einsprüche wies es als unbegründet zurück. In allen Einspruchsentscheidungen, die den Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller unter dem Datum vom 3. Januar 1996 bekanntgegeben wurden, wird als Einspruchführerin die Grundstücksgemeinschaft A-GbR genannt.

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 1996 ging beim Finanzgericht (FG) eine von den Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller gefertigte Klageschrift ein.

Die Klägerbezeichnung im Rubrum lautet: "Grundstücksgemeinschaft A-GbR". Weiter heißt es:

"In vorgezeichneter Angelegenheit erhebe ich namens und im Auftrag der Steuerpflichtigen Klage ... Die Klage erfolgt zunächst zur Fristwahrung, da eine Abstimmung mit den Klägern über den Inhalt der Einspruchsentscheidung noch nicht abschließend möglich war."

Die Prozeßvollmacht war nicht der Klageschrift beigefügt, sondern wurde erst außerhalb der Klagefrist zusammen mit der Klagebegründung vom 19. März 1996 übersandt. Sie ist von den Gesellschaftern D, I , M und X (Ehefrau des M) unterzeichnet. In der Klagebegründung werden im Rubrum die "Grundstücksgemeinschaft A-GbR (D, M, O, I)" als Kläger genannt.

Mit Schriftsatz vom 11. September 1996 beantragten die Prozeßbevollmächtigten für die "sogenannte Grundstücksgemeinschaft A-GbR (D, M, O, I)", die Vollziehung der mit der Klage angefochtenen Steuerbescheide auszusetzen.

Das FG wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide mit der Begründung ab, die Antragsteller als ehemalige Gesellschafter hätten die Bescheide nicht angefochten. Die Klage in der Hauptsache sei vielmehr von der nicht klagebefugten GbR erhoben worden. Eine Auslegung der Klage dahingehend, daß wegen der Formulierung "Abstimmung mit den Klägern" die ehemaligen Gesellschafter der GbR als Kläger anzusehen seien, sei nicht zulässig. Die späteren Klarstellungen seien außerhalb der Klagefrist erfolgt. Unerheblich sei auch, daß die Einspruchsbescheide als Adressaten selbst nur die GbR aufführten, da dies nur zur Folge hätte, daß dann die GbR auf Aufhebung des ihr gegenüber zu Unrecht erhobenen Bescheides klagen könne, eine solche Klage sei aber nicht erhoben.

Den Antrag hinsichtlich der Gewerbesteuermeßbescheide und des Bescheides über die Feststellung des verrechenbaren Verlustes auf den 31. Dezember 1990 wies das FG mit der Begründung zurück, es sei hier aufgrund der Formulierung "Namens und im Auftrag der Kläger" davon auszugehen, daß die namentlich bezeichneten natürlichen Personen den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hätten. Diese seien jedoch in Gewerbesteuerangelegenheiten nicht klage- und demgemäß auch nicht antragsbefugt.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Vollziehung der Bescheide betreffend die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1990, Gewinnfeststellung 1986 bis 1991 und Gewerbesteuermeßbeträge 1987 bis 1991 auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.

1. Gewinnfeststellungsbescheide

a) Der Senat geht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon aus, daß die Klage insoweit zulässig erhoben war.

aa) Allerdings hat der Senat in seinem Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89 (BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333) entschieden, daß einer handelsrechtlich voll beendeten Personengesellschaft das Klagerecht aus § 48 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. (entspr. § 48 Abs. 1 Nr. 1 n.F.) nicht mehr zusteht. Die Klagebefugnis gegenüber den Gewinnfeststellungsbescheiden geht vielmehr uneingeschränkt auf die betroffenen Gesellschafter über.

Zu den Mindestanforderungen, die bereits bis zum Ablauf der Klagefrist vorliegen müssen, damit die Klageschrift als fristwahrende Erhebung einer Klage gewertet werden kann, gehört zunächst die Bezeichnung des Klägers bzw. der Kläger. Dies schließt jedoch nicht aus, daß eine nicht eindeutige Bezeichnung des Klägers entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Grundsätzen vom FG und von der Revisionsinstanz (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 24. Januar 1952 III ZR 196/50, BGHZ 4, 328, 335) ausgelegt werden kann. Bei dieser --nach der Verständnismöglichkeit des Empfängers-- vorzunehmenden Auslegung sind zur Bestimmung des in der Rechtsbehelfsschrift genannten Klägers alle dem FG und dem FA bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178, und vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171, m.w.N.). Wenn die Klage, wie im Streitfall, unmittelbar beim FG angebracht wird, kann es dabei nicht darauf ankommen, ob ein zur Auslegung heranzuziehendes Aktenstück dem FG schon bekannt war. Vielmehr sind bei der Auslegung der Klageschrift auch diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu berücksichtigen, die nur für das FA als einem der beiden Adressaten der Klage bereits zum Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift erkennbar waren (BFH-Urteil vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296, BStBl II 1989, 846, unter Hinweis auf das unveröffentlichte Senatsurteil vom 12. April 1984 IV R 209/83).

Legt man die Klageschrift vom 1. Februar 1996 nach diesen Rechtsgrundsätzen aus, dann folgt für den Streitfall, daß die Klage für das FA nur dahingehend verstanden werden konnte, daß die ehemaligen Gesellschafter der GbR sich gegen die Einspruchsentscheidungen vom 3. Januar 1996 wendeten, die im Rubrum die GbR aufführten, sich jedoch auf die gegenüber den ehemaligen Gesellschaftern ergangenen Gewinnfeststellungsbescheide bezogen. Kläger sind mithin --was die Gewinnfeststellung betrifft-- die von diesen Entscheidungen beschwerten ehemaligen Gesellschafter.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß in der Gewinnfeststellungssache von den acht ehemaligen Gesellschaftern alle oder nur einige oder auch nur einer als Kläger in Betracht kamen, und insoweit erst die Nennung der jeweiligen Personen Klarheit bringen konnte. Ausreichend war, daß der Kreis der in Betracht kommenden Kläger in der Klageschrift klar eingegrenzt war. Die Klageschrift wandte sich ausdrücklich "gegen die Einspruchsentscheidungen" und durch diese wurden, soweit sie die Gewinnfeststellung betrafen, alle ehemaligen Gesellschafter betroffen. Entsprechend gehörten sie auch alle zum Kreis der in Betracht kommenden Kläger. Die weitere Individualisierung und Konkretisierung, wer nun aus diesem Kreis Kläger sein sollte, konnte noch nach Ablauf der Klagefrist erfolgen (BFH-Urteil in BFHE 157, 296, BStBl II 1989, 846, unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 5. Mai 1982 7 B 201.81, Die Öffentliche Verwaltung --DÖV-- 1982, 827 zu dem § 65 FGO vergleichbaren § 82 der Verwaltungsgerichtsordnung). Das gilt jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Zahl der in Betracht kommenden Kläger mit acht Personen klein und leicht überschaubar war (BVerwG in DÖV 1982, 827). Selbst wenn man an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung Zweifel haben wollte (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 65 Rdnr. 28), müßte eine abschließende Entscheidung dem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben.

bb) Der Senat geht im Rahmen des Aussetzungsverfahrens des weiteren davon aus, daß die Einsprüche gegen die Änderungsbescheide 1986 bis 1988 und 1990 bis 1991 nicht wegen verspäteten Eingangs beim FA als unzulässig zu verwerfen waren. Wird ein fristgebundener Schriftsatz fehlerhaft an eine andere Behörde als an die Rechtsmittelbehörde adressiert, ist das Schriftstück von der angegangenen Behörde im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an die zuständige Rechtsmittelbehörde weiterzuleiten. Kommt die Empfangsbehörde dieser Verpflichtung nicht nach und wäre bei ordnungsgemäßem Verhalten der fristgebundene Schriftsatz rechtzeitig bei der Rechtsmittelbehörde eingegangen, so spricht vieles dafür, daß dem Rechtsmittelführer gemäß § 110 AO 1977 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zu bewilligen ist und daß auf das Verschulden des Rechtsmittelführers nicht entscheidend abgestellt werden darf (Tikpe/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 357 AO 1977 Tz. 10, zum Zivilprozeßrecht: Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, vom 20. Juni 1995 1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, Neue Juristische Wochenschrift 1995, 3173; BGH-Urteil vom 1. Dezember 1997 II ZR 85/97, Deutsches Steuerrecht 1998, 351). Das muß erst recht gelten, wenn --wie im Streitfall-- das Schriftstück zwar richtig adressiert, aber gleichwohl der falschen Behörde zugegangen ist. Denn in einem solchen Fall ist der Irrtum für die falsche Empfangsbehörde offensichtlich. Im Streitfall ist bei summarischer Betrachtung nicht erkennbar, inwiefern das Finanzamt S im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs 13 Tage benötigte, um das Einspruchsschreiben in die Kurierpost zu geben, die es dann im Laufe von weiteren 12 Tagen an das beteiligte FA weiterleitete.

b) Es bestehen allerdings in der Sache keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 FGO an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

aa) Die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide sind nicht etwa deshalb unwirksam, weil sie nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben wären. Sie sind vielmehr dem Antragsteller M als Empfangsbevollmächtigtem für die früheren Gesellschafter bekanntgegeben worden. Die privatrechtliche Vollbeendigung der Gesellschaft hatte --ohne daß es auf die Regelung des § 80 Abs. 2 AO 1977 ankäme-- auf das Fortbestehen der von den betroffenen Gesellschaftern für die Vertretung ihrer eigenen Person erteilten Vollmachten keinen Einfluß. Hiervon sind die Beteiligten auch offenkundig übereinstimmend ausgegangen.

bb) Es bestand auch kein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch die Betriebsprüfung erlangten Kenntnisse. Zum einen war die Betriebsprüfungsanordnung nicht rechtswidrig. Insbesondere konnte sie an die "A-GbR" gerichtet und dem Antragsteller M bekanntgegeben werden. Eine Außenprüfung ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 60/91 (BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82) entschieden hat, auch bei einer privatrechtlich vollbeendigten Personengesellschaft zulässig. Die Gesellschaft gilt für die Zwecke der Betriebsprüfung noch als existent. Das gilt auch dann, wenn das Gesellschaftsvermögen im Wege der Realteilung verteilt worden ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 1994 VIII R 13/94, BFHE 174, 550, BStBl II 1994, 809). Gesetzliche Vertreter der als fortbestehend geltenden GbR waren die ehemaligen Gesellschafter (§ 730 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Sie hatten dem Mitgesellschafter M zur Entgegennahme von Verwaltungsakten der Finanzbehörden Empfangsvollmacht erteilt, die mangels Widerrufs weiterhin bestand (§ 80 Abs. 2 AO 1977; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. März 1986 VII R 146/81, BFHE 146, 492, BStBl II 1986, 589).

Abgesehen davon würde selbst die Unwirksamkeit der Prüfungsanordnung kein Verwertungsverbot auslösen, weil die durch die angefochtenen Bescheide geänderten Feststellungsbescheide 1987 bis 1991 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 1994 VII R 93/93, BFH/NV 1995, 572). Die Änderung des Feststellungsbescheides 1986 betraf ausschließlich die Qualifizierung der Einkunftsart. Insoweit war der Ursprungsbescheid jedoch vorläufig i.S. des § 165 AO 1977.

cc) Es kann bei summarischer Betrachtung keinem ernstlichen Zweifel unterliegen, daß der Abschluß des Vertrages vom 18. Juni 1987 einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 darstellt und nicht ernsthaft durchgeführt worden ist (§§ 38, 41 Abs. 2 AO 1977). Ein Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt worden ist, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942, m.w.N.). Er kann entgegen der Auffassung der Antragsgegner auch --und gerade dann-- vorliegen, wenn es sich um Geschäfte innerhalb des Familienverbundes handelt, bei denen Interessengegensätze typischerweise fehlen (BVerfG-Beschluß vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34, unter B. I. 1.).

Das von den ursprünglichen Gesellschaftern angestrebte Ziel lag darin, das in Eigentumswohnungen aufgeteilte Grundstück an einzelne Erwerber zu veräußern. Aus der Zeitabfolge muß geschlossen werden, daß zumindest die erste Enderwerberin im Zeitpunkt der Übertragung der Anteile bereits gefunden war. Unter diesen Umständen ergab die dazwischengeschobene Übertragung der Anteile an die Ehefrauen der ursprünglichen Gesellschafter --abgesehen von dem Versuch, die Versteuerung der Veräußerungsgewinne zu vermeiden-- keinen erkennbaren Sinn. Hierzu paßt, daß der Vertrag auch nicht ernstlich durchgeführt wurde. Der die Schuldübernahme übersteigende Kaufpreis wurde nicht gezahlt und noch nicht einmal verzinst. Der Kaufpreis wurde daher zu einem wesentlichen Teil aus dem beim Weiterverkauf der Objekte erzielten Erlös beglichen; denn den übernommenen Schulden in Höhe von 675 000 DM standen Veräußerungserlöse in Höhe von rd. 680 000 DM gegenüber. Dieser Effekt war aufgrund der vorhandenen Angebotslisten auch bereits absehbar. Während demnach nach dem äußerlichen Erklärungsinhalt die erwarteten Gewinne im wesentlichen den Altgesellschaftern zukommen sollten, wurde in Wirklichkeit die von ihnen geschaffene Gewinnchance unentgeltlich an die Ehegatten weitergegeben. In dieser Preisgestaltung ist ein gewichtiges Indiz für einen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu sehen (BFH-Urteil vom 12. Juli 1991 III R 47/88 (BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143).

Der außersteuerliche Grund für die Anteilsübertragung soll den Antragstellern zufolge darin gelegen haben, daß sie die Haftung für Baumängel auf ihre Ehefrauen abwälzen wollten. Diese Erklärung erscheint abwegig.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide könnten allenfalls insoweit bestehen, als die Anteilsübertragung auf die Ehegatten der ursprünglichen Gesellschafter anzuerkennen und lediglich die Kaufpreisvereinbarung steuerlich unbeachtlich sein könnte (BFH-Beschluß vom 10. November 1993 I S 9/93, BFH/NV 1994, 685, 687). Diese Möglichkeit würde indessen nicht zu der von den Antragstellern geforderten Aufhebung der angefochtenen Bescheide führen. Die Antragsteller haben nicht erkennen lassen, daß ihnen an einer solchen Lösung gelegen ist.

2. Gewerbesteuermeßbescheide

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist, was die Gewerbesteuermeßbeträge und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes angeht, unzulässig.

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Mai 1992 IV R 146/88 (BFH/NV 1993, 303) entschieden hat, besteht eine KG steuerlich fort, bis die Ansprüche des FA aus dem Gewerbesteuerrechtsverhältnis vollständig abgewickelt sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob noch Aktivvermögen vorhanden ist. Die Liquidatoren --bzw. im Falle einer GbR die früheren Gesellschafter-- haben ihre Tätigkeit fortzusetzen, wenn Abwicklungsmaßnahmen notwendig werden, ohne daß es einer Nachtragsliquidation bedürfte.

b) Der Senat sieht als Kläger des Verfahrens in der Hauptsache, soweit die Gewerbesteuer betroffen ist, die GbR, vertreten durch die ehemaligen Gesellschafter, an. Er hat ferner keine Bedenken, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung so zu verstehen, daß Antragsteller die namens der Gesellschaft handelnden früheren Gesellschafter sind. Der Antrag ist gleichwohl unzulässig, da nicht alle in Betracht kommenden früheren Gesellschafter Vollmacht zur Klageerhebung erteilt haben. Eine solche Klage ist unzulässig (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1993, 303, unter 2.). Das gilt unabhängig davon, wie weit man den Kreis der betroffenen Personen ziehen will. Selbst wenn man (wofür wenig spricht) nur diejenigen ehemaligen Gesellschafter einbeziehen wollte, denen das FA Gewinnanteile zugerechnet hat, fehlten die Vollmachten des ehemaligen Gesellschafters O und der GmbH & Co. KG.

c) Gemäß § 62 Abs. 3 FGO kann die Vollmacht nachgereicht werden. Hierfür kann der Senatsvorsitzende oder der Berichterstatter eine Frist setzen. Im Streitfall erscheint es nicht sinnvoll, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, weil --wie sich aus den Ausführungen zur Gewinnfeststellung ergibt-- der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in der Sache keinen Erfolg hätte (s.o. unter 1. b). Hinsichtlich der Bekanntgabe der Bescheide gilt das zur Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Ausgeführte (1. b bb) entsprechend.



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