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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.08.2006
Aktenzeichen: IV B 109/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist nicht dadurch gegeben, dass das Finanzgericht (FG) den beantragten Beweis über die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erhoben hat.

a) Bei der Beantwortung der Frage, ob das FG einen Verfahrensfehler begangen hat, ist von dessen materiell-rechtlicher Auffassung auszugehen (ständige Rechtsprechung; vgl. Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2004 IV B 202/02, BFH/NV 2005, 367, m.w.N.; s. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 79). Das FG hat bereits ohne Beachtung der überholten Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Systemsoftware- und Anwendersoftwareentwicklern (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87, BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337; Auffassung aufgegeben durch BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989) ausgeführt, dass die Tätigkeit des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) in den Streitjahren (1992 bis 1996) nicht der eines Softwareentwicklers, sondern vielmehr der eines EDV-Beraters entsprach (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 60-61/94, BFHE 178, 364, BStBl II 1995, 888, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 367, unter 3. der Gründe). Unter Zugrundelegung dieser Auffassung ist die Frage nach dem Vorliegen eines Verfahrensmangels zu beantworten.

b) Zwar muss das FG aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) den vom Kläger gestellten Anträgen zur Erhebung von Beweisen, die geeignet erscheinen, den erforderlichen Nachweis der Kenntnisse zu erbringen, entsprechen, wenn diese Tatsachen nicht bereits zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Selbst wenn aber ein Gutachten durch Wissensprüfung auch Feststellungen darüber treffen kann, ob die Tätigkeit des Klägers so anspruchsvoll ist, dass sie sowohl in der Tiefe als auch der Breite zumindest das Wissen eines Kernbereiches eines Fachstudiums voraussetzt, kann es nicht dazu dienen, eine ausreichende substantiierte Klagebegründung zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Oktober 1994 IV B 112/93, BFH/NV 1995, 420). Die Entscheidung über die Einholung eines solchen Gutachtens steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2005 IV B 187/03, BFH/NV 2005, 2015). Eine Wissensprüfung kann dabei nur als ergänzendes Beweismittel in Betracht kommen. Denn zum einen weist die Examinierung Defizite im Hinblick auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme auf. Zum anderen ist sie nur geeignet, den Nachweis über ein aktuell vorhandenes Wissen zu erbringen, so dass weitere Rückschlüsse auf den Kenntnisstand im Streitzeitraum notwendig sind. Deshalb kommt ein solcher Beweis nur dann in Betracht, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2002 IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768, unter 1. der Gründe).

c) Wer, wie ein Autodidakt, die für den Katalogberuf vorgeschriebene Ausbildung nicht besitzt, kann den Nachweis der erforderlichen theoretischen Kenntnisse zwar auch anhand eigener praktischer Arbeiten erbringen. Diese Arbeiten müssen jedoch den Schluss rechtfertigen, dass die theoretischen Kenntnisse ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule Ausgebildeten entsprechen (Senatsurteil vom 7. November 1991 IV R 17/90, BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324; Senatsbeschluss vom 8. November 2002 IV B 120/01, BFH/NV 2003, 170). Damit müssen die praktischen Arbeiten den wesentlichen Teil des Katalogberufs umfassen und dürfen sich nicht lediglich auf einen Ausschnitt hieraus beschränken. Nur derjenige, der solche umfangreichen Kenntnisse nachgewiesen hat, kann sich dann in seiner Tätigkeit auf Teilbereiche spezialisieren (Senatsurteil in BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324; Senatsbeschluss vom 23. September 1998 IV B 95/97, BFH/NV 1999, 459).

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte der Kläger dem Gericht konkret --ggf. durch Vorlage praktischer Arbeiten, die den wesentlichen Teil des Katalogberufes umfassen-- vortragen müssen, er habe sich Kenntnisse angeeignet, die ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen eines beratenden Betriebswirts bzw. eines Ingenieurs entsprechen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2003 IV B 214/01, BFH/NV 2004, 56). Erst wenn sich dem FG danach eine ausreichende Tatsachengrundlage präsentiert hätte, hätte sich ihm die Frage gestellt, ob es zu deren Beurteilung eines Sachverständigengutachtens bedurfte (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1995, 420).

2. Der Kläger hat die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht in einer den Anforderungen der §§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 2. Alternative, 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.

a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO setzt voraus, dass nicht nur das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen sein soll bezeichnet wird, sondern auch der Rechtssatz, den sie falsch ausgelegt oder angewandt haben soll (Senatsbeschluss vom 9. Juli 2002 IV B 160/01, BFH/NV 2002, 1563; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 41 f.). Der Kläger hat zwar mit den Urteilen des BFH vom 24. März 1987 VII R 155/85 (BFH/NV 1987, 560) und vom 14. März 1991 IV R 135/90 (BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769) Entscheidungen benannt und abstrakte Rechtssätze bezeichnet; er hat es jedoch versäumt, divergierende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil gegenüberzustellen.

b) Soweit der Kläger im Übrigen dem BFH-Urteil in BFHE 164, 408, BStBl II 1991, 769, den Rechtssatz entnehmen will, ein dem beratenden Betriebswirt ähnlicher Beruf läge schon dann vor, wenn sich die Beratungstätigkeit auf zumindest einen der anerkannten Hauptbereiche der Betriebswirtschaft erstrecke, ist dieser Rechtssatz der Entscheidung nicht zu entnehmen (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 459).

3. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, das Verfahren im Hinblick auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer und das hierzu unter dem Aktenzeichen 1 BvL 2/04 beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren auszusetzen. Zur Begründung wird auf das Senatsurteil vom 24. Februar 2005 IV R 23/03 (BFHE 209, 269, BStBl II 2005, 578) verwiesen.

Ende der Entscheidung

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