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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.01.2002
Aktenzeichen: IV B 208/01
Rechtsgebiete: ZPO, FGO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
FGO § 51 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Das Verfahren betrifft eine Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) gegen einen Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt worden ist. Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2001, eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 20. Dezember 2001, hat der Antragsteller den Vorsitzenden Richter am BFH A und die Richter am BFH B und C wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Er trägt vor, die abgelehnten Richter seien objektiv befangen und parteilich. In einem Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01 (BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837) bezeichneten sie die Maßnahmen des Antragstellers zur Abwendung von Straftaten, zur Aufklärung von Straftaten und für die Erlangung von Schadensersatz als ein von der Norm abweichendes Bedürfnis, private Aufwendungen in den betrieblichen Bereich zu verlagern. Damit werde der Grundstein gelegt, ihn, den Antragsteller und ein Opfer von Straftaten, zum Steuerhinterzieher zu richten. Dies stelle eine Verleumdung dar und beleidige und demütige ihn auf das Tiefste. BFH-Richter, die die seit 1995 wirkenden Sorgfalts- und Amtspflichtverletzungen nicht sehen wollten, diese überläsen und übergingen, könnten keine gerechte Sachverhaltsbeurteilung vornehmen. Die Beweislage zeige zudem, dass die Richter ihre Behauptungen und Vermutungen höher werteten als ihnen vorgelegte Beweise und Zeugendarlegungen.

Die nach seiner Auffassung unterlaufenen Sorgfalts- und Amtspflichtverletzungen sowie deren Folgen legt der Antragsteller ausführlich dar.

Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, aber unbegründet.

1. Nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden wird. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung wirklich von Voreingenommenheit beeinflusst ausfiele. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung des angeführten objektiven Maßstabs Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, und vom 11. Januar 1995 IV B 104/93, BFH/NV 1995, 629).

Das Ablehnungsgesuch muss sich grundsätzlich auf bestimmte Richter beziehen; anderenfalls ist es missbräuchlich und unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig zurückzuweisen. Das gilt jedoch nicht, wenn alle Mitglieder eines Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte in einer Kollegialentscheidung abgelehnt werden. In einem solchen Fall liegt ein Missbrauch des Ablehnungsrechts nur vor, wenn der Antrag gar nicht oder nur mit Umständen begründet wird, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Ablehnung rechtfertigen könnten (BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 1994 IV B 85/93, BFH/NV 1995, 33; vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112, m.w.N.).

Im Streitfall betrachtet der Senat das Ablehnungsgesuch danach nicht als missbräuchlich und entscheidet deshalb ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter. Denn der Antragsteller stützt sein Gesuch auf eine genau bezeichnete Passage im von den abgelehnten Richtern unterzeichneten Beschluss in BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837. Die dortigen Ausführungen beziehen sich auf den Antragsteller und lassen es nicht völlig ausgeschlossen erscheinen, bei Hinzutreten weiterer Umstände die Besorgnis der Befangenheit begründen zu können.

2. Tatsächlich besteht diese Besorgnis jedoch nicht. Das Ablehnungsgesuch war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Der beschließende Senat hat darauf verzichtet, eine dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter einzuholen. Darauf kann nach der Rechtsprechung des BFH verzichtet werden, wenn --wie im Streitfall-- der Sachverhalt, aus dem der Antragsteller die Befangenheit herleitet, unstreitig feststeht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. November 1999 XI B 41/99, BFH/NV 2000, 593, und vom 30. September 1986 VIII B 31/86, BFH/NV 1987, 308).

Die vom Antragsteller beanstandeten Ausführungen sind Bestandteil eines Beschlusses über eine Nichtzulassungsbeschwerde des hiesigen Antragstellers. Der Senat hatte die Frage zu prüfen, ob der Beschwerde stattzugeben sei, weil das angefochtene Urteil Fehler von erheblichem Gewicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO enthalte, die geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Einen Fehler hatte der Antragsteller und seinerzeitige Beschwerdeführer darin gesehen, dass Prozesskosten vom FG nicht als Betriebsausgaben anerkannt worden waren. Die abgelehnten Richter waren der Auffassung, die vom Antragsteller angestrengten Schadensersatzprozesse hätten keine realen Erfolgsaussichten gehabt, weil es nahezu unmöglich gewesen wäre, den Kausalzusammenhang zwischen den angeblich mangelhaften Ermittlungsbemühungen der Polizei und dem Verlust von Mandaten nachzuweisen. Sie betrachteten deshalb die Zuordnung "ein(es) vom Normalverhalten abweichende(n) Bedürfnis(ses), auch schlechthin aussichtslose Prozesse zu führen," zum privaten und nicht betrieblichen Bereich als nicht so fern liegend, dass darin ein zur Revisionszulassung führender schwerwiegender Fehler liegen könne.

Diese Formulierungen lassen keinen Rückschluss darauf zu, dass die an dem Beschluss beteiligten Richter voreingenommen gegenüber dem Antragsteller waren. Es handelt sich um sachbezogene und die Person des Antragstellers in keiner Weise herabsetzende Ausführungen. Ob sie in der Sache zutreffend waren, bedarf keiner Erörterung, weil auch unzutreffende Rechtsansichten eines Richters eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründen können, wenn zugleich andere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie auf unsachlichen Erwägungen oder auf Willkür beruhen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. März 1997 XI B 190/96, BFH/NV 1997, 780, und in BFH/NV 1995, 629, jeweils m.w.N.). Derartige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich.

Dass die Entscheidung der abgelehnten Richter nicht auf Willkür beruht, ergibt sich bereits daraus, dass die vom Antragsteller erhobene Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss in BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen worden ist (BVerfG-Beschluss vom 7. Dezember 2001 1 BvR 1885/01).

Hinweise auf sachfremde Erwägungen liegen nicht vor. Insbesondere ist das damalige Vorbringen des Antragstellers zu den schadensauslösenden Pflichtverletzungen nicht übergangen, sondern ausdrücklich gewürdigt worden. Die Bewertung der Aussichten, im Prozesswege Schadensersatz zu erhalten, mag aus der Sicht des Antragstellers anders ausfallen als aus der Sicht des FG oder des BFH. Jedenfalls beruht es nicht auf unsachlichen Erwägungen, wenn unter Hinweis auf die Beweislage eine außerbetriebliche Mitveranlassung der geführten Prozesse für nicht ausgeschlossen gehalten wird. Dem Antragsteller wird mit dieser Wertung der Beweislage in keiner Weise abgesprochen, dass er tatsächlich Opfer von Pflichtverletzungen durch Behörden, Institutionen oder einzelne Personen geworden ist. Erst recht beinhaltet die Annahme einer nicht auszuschließenden privaten Mitveranlassung nicht im Geringsten den Vorwurf einer Steuerstraftat, wie der Antragsteller offensichtlich meint.

Ende der Entscheidung

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