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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 03.08.2001
Aktenzeichen: IV B 28/01
Rechtsgebiete: FGO, 2.FGOÄndG


Vorschriften:

FGO § 115
FGO a.F. § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO a.F. § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO a.F. § 115 Abs. 2 Nr. 3
2.FGOÄndG Art. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt und seit Gründung der Beigeladenen (1984), einer Sozietät von Rechtsanwälten, deren Gesellschafter. Er wuchs in Hamburg auf. Beim Tode seines Vaters (1976) wurde ihm die Hälfte seines dort belegenen Elternhauses übertragen. 1988 verkauften er und seine Mutter das gesamte Haus. Das Studium und die Referendarausbildung hatte der Kläger in Süddeutschland verbracht. Nach dem Abschluss des Assessorexamens bezog er im Juli 1982 eine 112 qm große Eigentumswohnung in .../Sylt. Bis Ende 1983 arbeitete er an seiner Dissertation. Mit Vertrag vom 13. Dezember 1983 mietete er für einen monatlichen Mietzins von 1 896 DM eine ca. 97 qm große Wohnung in Hamburg an, die er auch noch im Streitjahr (1992) bewohnte.

Nach der Zulassung als Rechtsanwalt (... Januar 1984) wurde der Kläger zum 1. Februar 1984 für einen Monat Angestellter der Sozietät ... in Hamburg. Zum 1. April 1984 begründete er in Hamburg mit anderen Rechtsanwälten eine Sozietät, der im Streitjahr die Anwälte A und B sowie der Steuerberater C angehörten. In .../Sylt erwarb er zusammen mit seiner Mutter im November 1989 ein Haus, in dem er seitdem eine Wohnung nutzt. Mit seiner Ehefrau bewohnt er seit November 1994 eine weitere, gemeinsame Wohnung in Hamburg.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stellte für das Streitjahr (1992) --unter dem Vorbehalt der Nachprüfung-- die Einkünfte der Sozietät aus selbständiger Arbeit mit Bescheid vom 1. September 1994 einheitlich und gesondert fest und rechnete dem Kläger erklärungsgemäß 65 146 DM zu. Von den dabei berücksichtigten Sonderbetriebsausgaben des Klägers entfielen 3 351,57 DM auf Aufwendungen für ein Arbeitszimmer.

Mit Schreiben vom 14. Juni 1995 beantragte der Steuerberater C als Bevollmächtigter des Klägers, den Feststellungsbescheid 1992 zu ändern und 31 334,82 DM Kosten wegen doppelter Haushaltsführung als Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu berücksichtigen. Das FA lehnte den Antrag ab; den Einspruch wies es durch Einspruchsentscheidung vom 14. November 1997 als unbegründet zurück; eine doppelte Haushaltsführung sei nicht gegeben.

Mit der Klage brachte der Kläger vor, er habe einen Haushalt in .../Sylt unterhalten. Dort befinde sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen, dort betreue er auch seine Mutter. Nur unterbrochen durch seine arbeitsbedingte Abwesenheit halte er sich dort auf. Das Haus in .../Sylt sei nicht mit der Wohnung in Hamburg, zu vergleichen. Für die 184 Arbeitstage, an denen er sich in Hamburg aufgehalten habe, beanspruche er die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 3 331 DM.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus: Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung könnten nach der Rechtsprechung unter denselben Voraussetzungen wie bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Oktober 1989 IV R 84/88, BFH/NV 1991, 361). Es handele sich um notwendige Mehraufwendungen durch eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen diese beibehalten werde. Zwar halte der BFH (Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180) nicht mehr am Erfordernis fest, es müsse auch während der Abwesenheit hauswirtschaftliches Leben herrschen. Das FG sei aber überzeugt, dass der Kläger bereits seit 1984 den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Hamburg habe.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Dagegen richtet sich die Beschwerde. Der Kläger macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung; auch beruhe das Urteil auf Verfahrensmängeln. Das Urteil sei insbesondere als eine sog. Überraschungsentscheidung einzustufen.

Da das angefochtene Urteil noch vor dem 1. Januar 2001 zugestellt wurde, richtet sich die Zulässigkeit der Beschwerde gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) noch nach § 115 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis Ende 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.).

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie erfüllt nicht die Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (BFH-Beschluss vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden. Insoweit ist die schlüssige und substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung erforderlich. Dazu muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits eine Entscheidung getroffen, ist substantiiert darzulegen, weshalb eine erneute oder weitere Entscheidung für erforderlich gehalten wird (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2000 IV B 55/99, juris).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. dargelegt. Er ist nicht konkret auf die maßgebliche Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingegangen (Beschluss vom 17. Januar 2001 IV B 155/00, BFH/NV 2001, 802; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 61; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 117, m.w.N.). Die Behauptung des Klägers, das FG habe einen bisher von der Rechtsprechung nicht bestätigten Rechtsgrundsatz des Inhalts aufgestellt, die Voraussetzungen für die Annahme einer doppelten Haushaltsführung seien immer zu verneinen, wenn nach dem Abschluss einer Berufsausbildung mit der erstmaligen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit ein zweiter --auswärtiger-- Haushalt begründet werde, zeigt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht auf.

Diese Behauptung ist schon nicht schlüssig. Das FG hat einen derartigen Rechtssatz nicht aufgestellt. Es ist vielmehr aufgrund einer Würdigung verschiedener Tatsachen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen mit der Aufnahme der beruflichen Tätigkeit (1984) in Hamburg begründet hatte. Ausdrücklich hat es --weiter-- die Frage, wie dies bei einem auf Sylt Aufgewachsenen steuerlich zu beurteilen wäre, offen gelassen. Die vom Kläger insoweit aufgeworfene Rechtsfrage könnte demnach in einem sich anschließenden Revisionsverfahren auch gar nicht geklärt werden (s. hierzu z.B. den BFH-Beschluss vom 15. Juni 2000 IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238).

2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F. zuzulassen. Der Kläger hat insoweit für einen Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen.

a) Er macht zwar geltend, das FG-Urteil sei als Überraschungsentscheidung einzustufen und verstoße damit gegen den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO). Zwischen den Beteiligten sei nämlich unstreitig gewesen, dass er im Jahr 1984 eine beruflich bedingte Haushaltsführung begründet habe; insbesondere sei auch das FA davon ausgegangen, dass die Wohnung in Hamburg aus beruflichen Gründen unterhalten worden sei. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hat aber das FG mit den Beteiligten gerade die Frage erörtert, ob 1984 ein doppelter Haushalt aus beruflichen Gründen begründet wurde. Der Kläger musste daher damit rechnen, dass das FG diese Frage anders als die Beteiligten beurteilen und seine Entscheidung darauf stützen könnte, dass der Haupthausstand bereits im Jahr 1984 nach Hamburg verlegt worden sei.

Die Beschwerde verkennt weiter offenbar, dass die berufliche Begründung eines zweiten Haushalts, z.B. bei Anmietung einer Wohnung am Beschäftigungsort, voraussetzt, dass der Steuerpflichtige an einem anderen Ort weiterhin seinen (privaten) Haupthausstand hat. Die insoweit zu treffende Aussage bedarf einer Würdigung der maßgebenden Umstände, aber auch der rechtlichen Wertung, welche von zwei oder mehreren Wohnungen den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen bildet. Insoweit handelt es sich um eine Beweiswürdigung durch das FG. Mögliche Fehler dabei führen nicht zur Zulassung der Revision (BFH-Beschluss vom 10. November 1994 IV B 23/94, BFH/NV 1995, 691).

b) Soweit der Kläger sich für die Zulassung der Revision auf die zusätzlich beantragte Protokollberichtigung stützt, ist gleichfalls ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Mit Beschluss vom heutigen Tage hat der erkennende Senat die Beschwerde des Klägers gegen die versagte Protokollberichtigung (IV B 49/01) verworfen. Der Senat kann daher davon ausgehen, dass das FG keinen ausdrücklich gestellten Beweisantrag des Klägers übergangen hat. Das FG hatte dann aber auch von sich aus keine Veranlassung, den Sachverhalt dahin zu erforschen, ob der Kläger bereits zum Zeitpunkt seines Wechsels von Süddeutschland nach Sylt (1982) fest beabsichtigte, nach Abschluss seiner Dissertation eine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Hamburg aufzunehmen oder ob er gedrängt worden sei, sich auf Sylt als Rechtsanwalt oder Notar niederzulassen.

Ungeachtet dessen hat sich das FG mit diesem Vorbringen auseinander gesetzt. Es hat sowohl festgestellt, dass der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich zu Beginn des Jahres 1984, als Rechtsanwalt tätig wurde, und zwar zunächst als Angestellter und dann als Mitglied einer Sozietät. Weiter hat es festgestellt, dass er zeitgleich damit eine ausreichend große Wohnung in einer guten Wohnlage von Hamburg bezog, die er auch noch im Streitjahr (1992) bewohnte. Es hat sich auch mit der Frage befasst, wann der Kläger seine sog. berufliche Orientierungsphase beendet hatte. Dazu hat es festgestellt, dass der Kläger den Entwurf seiner Dissertation abgegeben habe und danach, im Februar 1984, als angestellter Rechtsanwalt seine berufliche Tätigkeit in Hamburg begonnen und nach Gründung der Sozietät zum 1. April 1984 dort fortgesetzt habe. Es konnte sich dafür auf die persönlichen Erklärungen des Klägers stützen, dass er gerade wegen der durch die Dissertation erworbenen Fachkenntnisse seinen beruflichen Weg nur in Hamburg zu machen glaubte, und zwar 1984.



Ende der Entscheidung

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