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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.10.2006
Aktenzeichen: IV R 22/02
Rechtsgebiete: EStG, GewStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2
GewStG § 2 Abs. 1
GewStG § 3 Nr. 6
BGB § 1416
BGB § 1417
1. Überlassen in Gütergemeinschaft lebende Ehegatten zum Gesamtgut gehörende wesentliche Betriebsgrundlagen an eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter einer der Ehegatten ist, liegen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vor, wenn die Gesellschaftsbeteiligung ebenfalls zum Gesamtgut gehört.

2. Die Beteiligung an einer GmbH ist nicht dem Sondergut zuzurechnen, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen zwar nur mit Genehmigung aller Gesellschafter möglich ist, die Übertragung an einen Ehegatten aber keiner Beschränkung unterliegt.

3. Die Gewerbesteuerbefreiung der Betriebskapitalgesellschaft nach § 3 Nr. 6 GewStG erstreckt sich auch auf das Besitzunternehmen (Anschluss an BFH-Urteil vom 29. März 2006 X R 59/00, BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661).


Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die von 1975 bis Oktober 1988 im Güterstand der Gütergemeinschaft lebten. Auf einem eigenen Grundstück errichteten sie ein Altenheim, dessen erster Bauabschnitt Ende 1984 bezugsfertig wurde. Der zweite Bauabschnitt war im Juni 1986 fertiggestellt. Unter dem 27. Dezember 1984 wurde das Altenheim an eine zu gründende Verwaltungs-GmbH i.G. (später Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft mbH --im Folgenden GmbH--) verpachtet. Diese GmbH gründete der Kläger im Februar 1985 zusammen mit einem Herrn X, der aber im September 1985 seine Anteile an den Kläger --in diesem Zeitpunkt bereits alleiniger Geschäftsführer-- abtrat. Die GmbH verfolgt laut 1986 geänderter Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.

Die Klägerin eröffnete am 1. Juli 1987 einen Lebensmitteleinzelhandel, dessen Zweck ausschließlich in der Belieferung des Altenheims bestand.

Am 27. April 1988 verkaufte der Kläger mit Zustimmung der Klägerin seine GmbH-Anteile und trat sie an die Erwerberin ab. In der notariellen Urkunde verpflichteten sich die Kläger, innerhalb von fünf Jahren im ...-Kreis kein Seniorenheim zu betreiben. Mit weiterer notarieller Urkunde vom gleichen Tag veräußerten die Kläger auch die mit dem Altenheim bebauten Grundstücke an einen anderen Erwerber.

Nach einer Steuerfahndungsprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass eine Betriebsaufspaltung zwischen der Gütergemeinschaft und der GmbH vorgelegen habe. Er behandelte die Einkünfte aus der Vermietung des Altenheims als gewerbliche Einkünfte und sah in der Veräußerung der GmbH-Anteile und der Grundstücke eine Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe.

Einsprüche gegen die daraufhin ergangenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1987 und 1988 sowie den Gewerbesteuermessbescheid 1987 hatten im Wesentlichen keinen Erfolg.

Im ersten Rechtsgang wies das Finanzgericht (FG) die Klage unter Verweis auf die Gründe der Einspruchsentscheidung gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab. Der erkennende Senat hob das FG-Urteil auf die Revision der Kläger durch Urteil vom 23. April 1998 IV R 30/97 (BFHE 186, 120, BStBl II 1998, 626) wegen Verfahrensmängeln auf und verwies das Verfahren an das FG zurück.

Auch im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage ab (Urteilsabdruck in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 698). Gegenstand der Entscheidung war für das Jahr 1988 nach mehrfacher Änderung während des Klageverfahrens der Gewinnfeststellungsbescheid vom 16. Januar 2002, mit dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf insgesamt 2 190 555 DM festgestellt wurden; hierin war ein Veräußerungsgewinn von 2 181 268 DM enthalten.

Mit der vom FG zugelassenen Revision machen die Kläger geltend, es liege mangels personeller Verflechtung keine Betriebsaufspaltung vor und die Gewerbesteuerbefreiung der Betriebsgesellschaft schlage auf das Besitzunternehmen durch.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1987 und 1988 mit der Maßgabe abzuändern, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden und ein Veräußerungsgewinn nicht erfasst wird, sowie den Gewerbesteuermessbescheid 1987 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es vertritt weiter die Auffassung, dass eine personelle Verflechtung aufgrund der Zugehörigkeit der GmbH-Anteile zum Gesamtgut bestehe.

II.

Die Revision ist begründet, soweit sie den Gewerbesteuermessbescheid 1987 betrifft. Dieser Bescheid war aufzuheben. Soweit die Revision die Gewinnfeststellungsbescheide 1987 und 1988 betrifft, ist sie im Ergebnis unbegründet und die Klage war abzuweisen.

1. Die Kläger erzielten in den Streitjahren (1987 und 1988) aus der Überlassung der Grundstücke an die GmbH gewerbliche Einkünfte. Dies ist Folge der zwischen den Klägern und der GmbH bestehenden Betriebsaufspaltung.

a) Die Vermietung von Wirtschaftsgütern wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann als eine über eine reine Vermögensverwaltung hinausgehende gewerbliche Tätigkeit angesehen, wenn das vermietende Unternehmen (Besitzunternehmen) mit dem mietenden Unternehmen (Betriebsunternehmen) sachlich und personell verflochten ist (Betriebsaufspaltung; vgl. Senatsurteile vom 18. März 1993 IV R 96/92, BFH/NV 1994, 15, und vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570, jeweils m.w.N.).

Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn es sich bei dem vermieteten Wirtschaftsgut für das Betriebsunternehmen um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt. Bei einem Grundstück ist das der Fall, wenn es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 26. November 1992 IV R 15/91, BFHE 171, 490, BStBl II 1993, 876). Diese Voraussetzungen sind nach den unstreitigen tatsächlichen Feststellungen des FG erfüllt.

b) Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine Person oder mehrere Personen zusammen als Personengruppe sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). In diesem Fall unterscheidet sich die Tätigkeit des Besitzunternehmens von der Tätigkeit eines normalen Vermieters. Ob eine personelle Verflechtung vorliegt, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. An diese Voraussetzung sind strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Beschluss in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Besitzunternehmen kann nach der Rechtsprechung des BFH auch eine Gütergemeinschaft sein (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; Senatsurteil in BFHE 171, 490, BStBl II 1993, 876).

Im Streitfall liegt eine personelle Verflechtung vor, weil an Besitz- und Betriebsunternehmen dieselben Personen beteiligt sind, also Beteiligungsidentität besteht. Beide Kläger waren an der GmbH beteiligt, weil die vom Kläger erworbenen Anteile an der GmbH Gesamtgut der Kläger i.S. des § 1416 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) waren. Nach § 1416 Abs. 1 Satz 2 BGB gehört zum Gesamtgut auch das Vermögen, das der Mann oder die Frau während der Gütergemeinschaft erwirbt. Ausgeschlossen davon sind nur Gegenstände, die zum Vorbehaltsgut oder Sondergut gehören. Sondergut sind nach der abschließenden Regelung in § 1417 Abs. 2 BGB die Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können.

Der Anteil an einer GmbH fällt danach grundsätzlich in das Gesamtgut, weil er rechtsgeschäftlich frei übertragbar ist (§ 15 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--). Streitig ist die Frage, ob ein Anteil dann zum Sondergut gehört, wenn er gesellschaftsvertraglich nicht ohne Zustimmung der Mitgesellschafter übertragen werden kann. Die Zuordnung zum Sondergut wird zum Teil abgelehnt, weil unter einem Übertragungsverbot i.S. des § 1417 Abs. 2 BGB nur ein solches auf Grund eines Gesetzes, nicht aber ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Übertragungsverbot verstanden wird (so etwa Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 65. Aufl. 2006, § 1417 Rz. 3; Soergel/Gaul, BGB, 12. Aufl. 1988, § 1417 Rz. 3; Erman/Heckelmann, BGB, 11. Aufl. 2004, § 1417 Rz. 2; Scholz, GmbHG, 9. Aufl. 2000, § 15 Rdnr. 201). Die Gegenansicht fasst auch rechtsgeschäftliche Übertragungsverbote unter § 1417 Abs. 2 BGB (so etwa Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl. 1994, § 38 IV 1; Staudinger/Thiele (2000), BGB, § 1417 Rn. 9; Kanzleiter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, 4. Aufl. 2000, § 1417 Rdnr. 3; Winter/Löbbe in Ulmer, GmbHG, 2005, § 15 Rn. 150).

Die Frage kann --wie das FG zu Recht erkannt hat-- im vorliegenden Rechtsstreit unentschieden bleiben. Denn auch ein rechtsgeschäftliches Übertragungsverbot führt nicht zur Zuordnung zum Sondergut, wenn sich das Verbot nicht auch auf die Übertragung an den Ehegatten erstreckt. Zweck des rechtsgeschäftlichen Übertragungsverbots ist, dass sich kein Vertragspartner einen Dritten als (weiteren) Vertragspartner aufdrängen lassen muss (Kanzleiter, MünchKomm, § 1417, Rdnr. 3). Soweit bestimmte Personen von dem Übertragungsverbot ausdrücklich ausgenommen sind, fehlt es jedoch an einem solchen Schutzinteresse. So verhält es sich im Streitfall, denn das im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Übertragungsverbot nahm ausdrücklich Übertragungen an Ehegatten und eheliche Abkömmlinge aus. Der Einwand der Kläger, der Mitgesellschafter habe aber nicht auf den Schutz gegen eine Einbeziehung in das Gesamtgut verzichtet, greift nicht durch. Denn aus der Sicht des Mitgesellschafters ist es ohne Bedeutung, ob der Gesellschaftsanteil zum Sondergut eines der Ehegatten oder zum Gesamtgut gehört. Unklarheiten und Zuordnungsfragen entstehen bei der Gütergemeinschaft im Unterschied zu anderen Gesamthandsgemeinschaften nicht.

Für die personelle Verflechtung kommt es entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht darauf an, ob jeder der Ehegatten seine Mitwirkungsrechte tatsächlich ausgeübt hat. Nach dem Ehe- und Erbvertrag der Kläger üben beide Ehegatten die Verwaltung des Gesamtguts gemeinschaftlich aus. Damit bestanden für beide Ehegatten die für eine Unternehmerinitiative erforderlichen Mitwirkungsmöglichkeiten. Inwieweit sich jeder Ehegatte im Einzelnen an Entscheidungen über die Verwaltung des Gesamtguts beteiligt hat, ist ohne Bedeutung. Der Senat folgt den Klägern nicht in der Annahme, im Fall der personellen Verflechtung auf Grund ehelichen Güterrechts müssten besondere Anforderungen an eine tatsächliche Ausübung der Mitwirkungsrechte gestellt werden. Die von den Ehegatten bewusst gewählte Gütergemeinschaft hat das Entstehen der betreffenden Mitwirkungsrechte zur Folge und ist unter diesem Gesichtspunkt nicht anders zu beurteilen als eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung.

2. Das Besitzunternehmen der Kläger nimmt aber an der Gewerbesteuerbefreiung der Betriebs-GmbH teil. Ein Gewerbesteuermessbetrag 1987 war deshalb nicht festzusetzen. Mit Urteil vom 29. März 2006 X R 59/00 (BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661) hat der BFH in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass sich die Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer nach § 3 Nr. 20 Buchst. c des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) bei einer Betriebsaufspaltung auch auf die Vermietungs- und/oder Verpachtungstätigkeit des Besitzpersonenunternehmens erstreckt. Dieser Rechtsprechungsänderung hat der erkennende Senat zugestimmt. Sie gilt auch im Streitfall, denn die Steuerbefreiung für ein gemeinnütziges Altersheim gemäß § 3 Nr. 6 GewStG kann insoweit nicht anders beurteilt werden als die Steuerbefreiung für ein Altenheim i.S. des § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG; dies räumt auch das FA ein. Daraus folgt, dass das Besitzunternehmen der Kläger nur gewerbesteuerbefreite Einkünfte erzielt.

3. Die Gewerbesteuerbefreiung ändert indessen nichts an dem Vorliegen der Betriebsaufspaltung. Diese hat nicht nur Bedeutung für die Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb, sondern auch für die Qualifizierung des Vermögens des Besitzunternehmens als Betriebsvermögen. Dementsprechend waren die der GmbH überlassenen Grundstücke und die Anteile an der GmbH Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Mit der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter an zwei verschiedene Erwerber im Jahr 1988 haben die Kläger demnach einen Aufgabegewinn erzielt, der zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählt. Da er der Höhe nach nicht mehr streitig ist, ist der Gewinnfeststellungsbescheid 1988 auch insoweit nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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