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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: IV R 49/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 3
EStG § 52 Abs. 15 Satz 6 a.F.
EStG § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 1 a.F.
EStG § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 a.F.
EStG § 52 Abs. 15 Satz 8 2. Halbsatz a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der 1939 geborene Kläger war in den Streitjahren (1996 und 1997) Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs.

Zum Betriebsvermögen gehörten u.a. die Gebäude X-Straße 1 und X-Straße 3. Die Kläger wohnten bis Ende 1996 zusammen mit dem im Betrieb als Arbeitnehmer beschäftigten Sohn in dem Gebäude X-Straße 1.

Bei dem Gebäude X-Straße 3 handelt es sich um ein 1890 errichtetes Häuslingshaus. Es diente ursprünglich den auf dem Hof beschäftigten Arbeitnehmern als Unterkunft. In den siebziger Jahren bis Anfang der achtziger Jahre war es fremdvermietet. Danach wurde es --auch 1986-- in geringem Umfang als Lager- und Abstellraum eigenbetrieblich genutzt. Am 31. Dezember 1986 stand es leer. Nach Renovierung des Gebäudes bezogen die Kläger im Dezember 1996/Januar 1997 das Häuslingshaus. Die bisherige Wohnung überließ der Kläger dem Sohn.

Mit notariellem Vertrag vom 7. Dezember 1998 übertrug der Kläger den Hof zum 1. Juli 1998 im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den Sohn, behielt sich aber ein bis zum 65. Lebensjahr befristetes Nießbrauchsrecht daran vor, von dem die Gebäude X-Straße 1 und 3 ausgenommen waren. Der Kläger bewirtschaftete den Betrieb als Nießbrauchsberechtigter weiter; der Sohn blieb darin als Arbeitnehmer tätig.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah in den Nutzungsänderungen Entnahmen der Gebäude und des dazugehörenden Grund und Bodens. Die Entnahme des Gebäudes X-Straße 1 sah das FA als steuerfrei, die Entnahme des Gebäudes X-Straße 3 dagegen als steuerpflichtig an und erhöhte den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1996/97 um 155 000 DM.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Entnahme des Häuslingshauses sei nicht nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes a.F. (EStG a.F.) begünstigt, weil die Wohnung im Zeitpunkt der Entnahme nicht der Nutzungswertbesteuerung unterlegen habe. Das Häuslingshaus sei 1986 auch keine Altenteilerwohnung gewesen; denn nicht die geplante, sondern die tatsächliche Nutzung sei entscheidend. Der steuerfreien Entnahme einer vor dem 1. Januar 1987 einem Dritten entgeltlich überlassenen Wohnung nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. stehe die dort (2. Halbsatz) geregelte Objektbeschränkung entgegen. Der Kläger habe das Häuslingshaus als Betriebsleiter und nicht als Altenteiler bezogen, obwohl eine andere, der Nutzungswertbesteuerung unterliegende Wohnung zur Verfügung gestanden habe. Wohnbedarf für einen Altenteiler sei in der Übergangszeit von 1987 bis 1998 nicht entstanden.

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger. Sie machen u.a. geltend, die streitbefangene Wohnung (X-Straße 3) sei vor dem 1. Januar 1987 vermietet gewesen; dass dies auch im Kalenderjahr 1986 der Fall gewesen sein müsse, sage die Vorschrift nicht. Die Vermietung sei die letzte Nutzung vor dem Stichtag gewesen. Die Entnahme beruhe auf einer Verwendung als Betriebsleiter- oder Altenteilerwohnung vor dem 1. Januar 1999.

Die Objektbeschränkung stehe einer steuerfreien Entnahme nicht entgegen. Entscheidend sei, ob im Zeitraum der Übergangsregelung (1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1998) ein zusätzlicher Wohnraumbedarf für Betriebsinhaber und/oder Altenteiler auftrete, der es erfordere, dass bisher nicht unter die Nutzungswertbesteuerung fallende, vor dem 1. Januar 1987 vermietete Wohnungen für Wohnzwecke des Betriebsinhabers oder von Altenteilern genutzt werden müssten. Es könne nicht darauf ankommen, ob der zusätzliche Bedarf eine zweite Betriebsleiterwohnung oder eine Altenteilerwohnung zusätzlich zur Betriebsleiterwohnung betreffe. Typischerweise entstehe der neue Wohnungsbedarf bei der Generationsnachfolge und/oder bei der Familiengründung. Bis dahin wohnten die Generationen auf den landwirtschaftlichen Betrieben vielfach in einer Wohnung.

So habe es sich auch im Streitfall verhalten. Der Kläger habe in einer Betriebsleiterwohnung zusammen mit dem Hofnachfolger gewohnt. Nach Übergabe des Betriebes mit der Besonderheit, dass der Übergeber ihn aufgrund des Nießbrauchsrechts weiter bewirtschaftete, habe sich ein Wohnraumbedarf für zwei Betriebsleiterwohnungen ergeben. Der Kläger sei Betriebsinhaber aufgrund des Nießbrauchsrechts und der Hofübernehmer als neuer Eigentümer Betriebsinhaber eines ruhenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gewesen. Die Wohnung des Klägers habe, wie im Hofübergabevertrag geregelt, nach Auslaufen des Nießbrauchsrechts zu einer Altenteilerwohnung mutiert. Eine zeitliche Diskrepanz zwischen der Eigennutzung (als Betriebsleiter- oder Altenteilerwohnung) einer bisher vermieteten Wohnung und dem durch Hofübergabe entstehenden zusätzlichen Wohnungsbedarf könne dann nicht schädlich sein, wenn ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang gewahrt sei und die Voraussetzungen (des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. im Übrigen) vollständig bis zum 31. Dezember 1998 vorlägen. Der mögliche zeitliche Rahmen könne wie bei dem Buchwertübergang nach § 6 Abs. 3 EStG maximal zwei Jahre betragen, wenn ein einheitlicher Willensentschluss zu Grunde liege (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. April 1989 I R 105/85, BFHE 157, 93, BStBl II 1989, 653).

Die geringfügige eigenbetriebliche Nutzung des streitgegenständlichen Wohnhauses sei für die steuerfreie Entnahmemöglichkeit grundsätzlich unschädlich.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des Urteils des Niedersächsischen FG vom 26. August 2005 11 K 11215/02 und der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2002 den Entnahmegewinn im Wirtschaftsjahr 1996/97 für das Grundstück (Gebäude und Grund und Boden), X-Straße 3 in Höhe von 155 000 DM steuerfrei zu lassen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). FA und FG haben die Entnahme des in den Streitjahren von den Klägern bezogenen Wohnhauses zu Recht nicht als steuerfrei angesehen.

1. Die Nutzung einer vor dem 1. Januar 1987 vermieteten, dem gewillkürten Betriebsvermögen zuzuordnenden Wohnung zu eigenen Wohnzwecken oder für Wohnzwecke eines Altenteilers nach dem 31. Dezember 1986 führt zu einer Zwangsentnahme dieser Wohnung (Senatsurteil vom 1. Juli 2004 IV R 10/03, BFHE 206, 426, BStBl II 2004, 947), wobei der Entnahme- oder Veräußerungsgewinn außer Ansatz bleibt (§ 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung --EStG a.F.--, jetzt § 13 Abs. 4 Satz 6 Nr. 2 EStG). Die Steuerfreiheit tritt jedoch nicht ein, soweit Wohnungen vorhanden waren, die Wohnzwecken des Eigentümers des Betriebs oder Wohnzwecken eines Altenteilers dienten und die unter § 52 Abs. 15 Satz 6 oder Satz 8 Nr. 1 EStG a.F. fielen (§ 52 Abs. 15 Satz 8 2. Halbsatz EStG a.F.). Der Entnahmegewinn ist danach nur dann steuerfrei, wenn für Wohnzwecke des Betriebsinhabers und des Altenteilers keine Wohnungen i.S. des Satzes 6 der Vorschrift vorhanden waren, für die die Möglichkeit zur steuerfreien Entnahme nach den allgemeinen Regeln bestand oder die nach Satz 8 Nr. 1 steuerfrei hätten entnommen oder veräußert werden können (Senatsurteil vom 23. November 2000 IV R 82/99, BFHE 193, 488, BStBl II 2001, 232, unter 4.b der Entscheidungsgründe). Für die Anwendbarkeit der Regelung in Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. kommt es deshalb darauf an, ob im Betrieb während der Übergangszeit (1987 bis 1998) neuer Wohnbedarf für den Betriebsinhaber oder für einen bzw. mehrere Altenteiler entstand.

2. Der Kläger konnte danach das Wohnhaus X-Straße 3 nicht für eigene Wohnzwecke steuerfrei entnehmen, weil in Gestalt des bis dahin von ihm bewohnten Hauses X-Straße 1 eine Betriebsleiterwohnung vorhanden war, für die die Möglichkeit zur steuerfreien Entnahme nach den allgemeinen Regeln bestand, und kein neuer Wohnbedarf für den Betriebsinhaber oder für einen Altenteiler entstanden war.

a) Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger Rügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), war --und blieb-- der Kläger im Zeitpunkt der Nutzungsänderung durch den Umzug in das Wohnhaus X-Straße 3 (im Dezember 1996/Januar 1997) Eigentümer und Betriebsleiter des landwirtschaftlichen Hofes. Ihm stand außerdem auch das bisher als Betriebsleiterwohnung genutzte Haus X-Straße 1 zur Verfügung, das er dem Sohn überließ. Dieses Haus hatte im Veranlagungszeitraum 1986 der Nutzungswertbesteuerung unterlegen und konnte deshalb nach § 52 Abs. 15 Satz 6 ff. EStG a.F. steuerfrei entnommen werden; tatsächlich wurde es auch nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 1 EStG a.F. steuerfrei entnommen. Neuer Wohnbedarf war weder für den Kläger als Betriebsleiter noch für einen Altenteiler entstanden. Der Sohn war (noch nicht) Betriebsleiter; weder der Kläger noch der Sohn waren Altenteiler. Die Objektbeschränkung in § 52 Abs. 15 Satz 8 2. Halbsatz EStG a.F. erlaubt bei dieser Sachlage die steuerfreie Entnahme einer weiteren Betriebsleiterwohnung nicht.

b) Dass der Kläger den landwirtschaftlichen Betrieb später auf den Sohn übertragen und das Wohnhaus X-Straße 3 nach Auslaufen des im Übergabevertrag vorbehaltenen Nießbrauchs als Altenteilerwohnung genutzt hat, rechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Auch wenn man es nicht für erforderlich hält, dass der Hofübergabevertrag bereits vor dem zur Entnahme führenden Umzug in die Altenteilerwohnung abgeschlossen sein muss, fehlt es vorliegend an dem wegen der zeitpunktbezogenen Beurteilung des Entnahmevorgangs jedenfalls erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang, worauf das FA zu Recht hingewiesen hat (im Ergebnis gl.A. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Rz A 173 a.E.). Denn zum einen wurde der Übergabevertrag erst am 7. Dezember 1998 und damit etwa zwei Jahre nach dem zur Entnahme führenden Umzug abgeschlossen; daran ändert auch der im Übergabevertrag festgelegte Besitzübergang zum 1. Juli 1998 nichts. Zum anderen begründete die Übertragung des Hofes die Notwendigkeit einer Altenteilerwohnung (noch) nicht. Denn der Kläger wurde erst nach Auslaufen des vorbehaltenen Nießbrauchs mit Vollendung seines 65. Lebensjahres Altenteiler.

3. Da bereits die Objektbeschränkung nach § 52 Abs. 15 Satz 8 2. Halbsatz EStG a.F. einer steuerfreien Entnahme des Wohnhauses X-Straße 3 entgegensteht, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob eine vor dem 1. Januar 1987 einem Dritten unentgeltlich zur Nutzung überlassene Wohnung auch dann nach § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG a.F. steuerfrei entnommen werden kann, wenn sie im Veranlagungszeitraum 1986 leer gestanden hat (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. November 1986 IV B 4 -S 2236- 15/86, BStBl I 1986, 528, unter III.2., vorletzter Absatz).

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