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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.04.1999
Aktenzeichen: IV R 63/97
Rechtsgebiete: EstG, HGB


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 5
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 6
HGB § 255 Abs. 1 Satz 2
BUNDESFINANZHOF

Bei Betriebseröffnung ist der Teilwert eines Wirtschaftsguts unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt aufzuwendenden Anschaffungsnebenkosten anzusetzen.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3, Nrn. 5 und 6 HGB § 255 Abs. 1 Satz 2

Urteil vom 29. April 1999 - IV R 63/97 -

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1997, 1381)


Gründe

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu 1 bis 3 und der am 10. Oktober 1992 verstorbene D schlossen sich im Jahre 1978 zu einer BGB-Gesellschaft, der "Bauherrengemeinschaft ...-Straße" (Gesellschaft) mit dem Kläger zu 3 als alleinigem Geschäftsführer zusammen.

In einem Rechtsstreit vor dem Finanzgericht (FG) Berlin (I R 404/88) einigten sich die Kläger mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) darauf, daß die Gesellschaft bis zum 24. April 1982 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und danach Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Den Ergebnissen einer Außenprüfung bei der Gesellschaft folgend, setzten die Kläger den Grund und Boden in der Anfangsbilanz zum 25. April 1982 mit dem Teilwert von 998 880 DM (2 081 qm zu 480 DM/qm) an. Mit ihrem Einspruch gegen den darauf ergangenen Feststellungsbescheid 1983 und dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung machten die Kläger geltend, der Teilwert sei mit 1 155 738 DM anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag beruhe auf dem Ansatz von Grunderwerbsteuer, Maklerprovision und Notariats- und Grundbuchkosten in Höhe von insgesamt 156 858 DM, wovon 2/3 (104 572 DM) auf das Streitjahr entfielen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1381 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus: Das FA habe der Gewinnermittlung für das Streitjahr zu Recht einen Teilwert des Grund und Bodens (...-Straße) in Höhe von 998 880 DM zugrunde gelegt und in die Wertermittlung keine potentiellen Anschaffungsnebenkosten einbezogen.

Mit ihrer dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision der Kläger ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG ist zutreffend von der Zulässigkeit der Klage auch hinsichtlich der unbekannten Erben des am 10. Oktober 1992 verstorbenen Klägers D ausgegangen. Die Prozeßvollmacht des Verstorbenen wirkt gemäß § 155 FGO i.V.m. § 86 der Zivilprozeßordnung (ZPO) über seinen Tod hinaus. Da das Verfahren auch nicht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 246 ZPO ausgesetzt wurde, war es nicht erforderlich, die Prozeßvollmacht der nach Ausschlagung der Erbschaft durch die Mutter und den Bruder des Klägers weiterhin unbekannten Erben einzuholen (§ 155 FGO i.V.m. § 86 zweiter Halbsatz ZPO).

2. Zu Unrecht haben FA und FG bei Ermittlung des Teilwerts für den Grund und Boden die Anschaffungsnebenkosten nicht berücksichtigt.

a) Übereinstimmend sind die Beteiligten davon ausgegangen, daß die Gesellschaft bis zum 24. April 1982 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und danach gewerbliche Einkünfte erzielte. Damit haben die Kläger am 25. April 1982 einen Gewerbebetrieb eröffnet und das Gesellschaftsvermögen in ein gewerbliches Betriebsvermögen überführt. Für diesen Fall sieht § 6 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die entsprechende Anwendung der Nr. 5 dieser Vorschrift vor.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Wirtschaftsgüter, die mehr als drei Jahre vor Einlage in das Betriebsvermögen angeschafft wurden, mit dem Teilwert zu bewerten. Nach der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist dies der Betrag, den ein Erwerber im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut unter der Annahme der Betriebsfortführung ansetzen würde. Für die Bestimmung des Teilwerts gilt die Vermutung, daß der Teilwert eines Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Erwerbs den Anschaffungskosten entspricht und sich zu einem späteren Zeitpunkt mit den Wiederbeschaffungskosten deckt (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269, und vom 8. September 1994 IV R 16/94, BFHE 176, 340, BStBl II 1995, 309, jeweils m.w.N.). Bei einem Grundstück lassen sich die Wiederbeschaffungskosten aus dem Verkehrswert oder gemeinen Wert ableiten (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1983 IV R 218/80, BFHE 139, 268, BStBl II 1984, 33). Dies alles gilt auch für die Bestimmung des Teilwerts bei einer Betriebseröffnung (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1978 I R 142/76, BFHE 128, 178, BStBl II 1979, 729, und vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77, BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456). Denn der Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG unterscheidet sich in nichts von dem allgemeinen Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 6 F 60, S. 19 oben), der auch für nicht abnutzbare Anlagegüter und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, wie das Grundstück im Streitfall, maßgebend ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Für die Bewertung von Wirtschaftsgütern im Zeitpunkt der Eröffnung eines Betriebs ist die Definition des Teilwerts nach der Rechtsprechung des BFH allerdings entsprechend zu modifizieren (Urteile in BFHE 128, 178, BStBl II 1979, 729, und vom 10. Juli 1991 VIII R 126/86, BFHE 164, 565, BStBl II 1991, 840). Teilwert ist dann der Preis, den ein fremder Dritter für die Beschaffung des Wirtschaftsguts aufgewendet hätte, wenn er den Betrieb eröffnet und fortgeführt haben würde. Aber auch diese Beschaffungskosten stimmen in der Regel mit dem Marktpreis oder gemeinen Wert überein (BFH in BFHE 164, 565, BStBl II 1991, 840).

b) Wie die Kläger zu Recht ausgeführt haben, umfassen die Wiederbeschaffungskosten auch die Anschaffungsnebenkosten. Der von den Beteiligten übereinstimmend als gemeiner Wert anerkannte Grundstückswert von 480 DM/qm wäre danach lediglich Grundlage der Wertermittlung, aus der die Wiederbeschaffungskosten abzuleiten sind. Zu diesem Ergebnis ist auch der BFH zur Frage der Teilwertabschreibung auf Wertpapiere des Umlaufvermögens gelangt (BFH-Urteil vom 15. Juli 1966 VI 226/64, BFHE 86, 699, BStBl III 1966, 643). Dem folgt der Senat mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (s. nur Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 6 EStG Anm. 1095, m.w.N.).

c) Entgegen der Auffassung des FG folgt auch aus dem Wortlaut der Begriffsbestimmung des Teilwerts in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nichts anderes. Die Bezugnahme auf den Gesamtkaufpreis in der Teilwertdefinition schließt nicht etwa solche Nebenkosten der Anschaffung aus, die nicht dem Steuerpflichtigen, sondern Dritten gegenüber zu leisten sind (so aber Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 26. Februar 1969 II 77/68, EFG 1969, 294, m.w.N.); sie soll nur verdeutlichen, daß das Wirtschaftsgut in seiner betrieblichen Einbindung (so Meincke in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 6 EStG Rz. 183) und aus objektiver Sicht des "gedachten Erwerbers" zu bewerten ist (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 I R 51/95, BFHE 179, 326, BStBl II 1998, 781, m.w.N.). So führt etwa die Berücksichtigung des Gesamtkaufpreises auch nicht dazu, einen Unternehmensertragswert anteilig auf die einzelnen Wirtschaftsgüter umzulegen (BFH-Entscheidung vom 2. März 1973 III R 88/69, BFHE 109, 63, BStBl II 1973, 475 zu 3. der Entscheidungsgründe). Der Gesetzgeber des EStG 1934 vom 16. Oktober 1934 (RGBl I, 1005, RStBl, 1261) wollte bei Einführung des Teilwerts einen Substanzwert und keinen Ertragswert (Doralt, Deutsche steuerjuristische Gesellschaft, 7, 141, 147; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 1998, § 6 Rz. 215). Bei einer substanzwertbezogenen Auslegung des Begriffs "Gesamtkaufpreis" aber ist es gerechtfertigt, wenn auch diejenigen Beträge, die der Erwerber des Betriebs als sog. Nebenkosten der Anschaffung an Dritte zahlen müßte, zum Teilwert des betreffenden Wirtschaftsguts hinzugerechnet werden (so Herrmann/Heuer/Raupach/ Winkeljohann, a.a.O., § 6 EStG Anm. 582).

d) Die zu Unrecht auf den Gesetzeswortlaut gestützte Auffassung des FG würde zudem dazu führen, daß der Steuerpflichtige die nach § 255 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuches und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG gebotene Aktivierung der Anschaffungsnebenkosten stets sofort durch eine Teilwertabschreibung rückgängig machen müßte (so zu Recht Meincke in Littmann/Bitz/Hellwig, a.a.O., § 6 EStG Rz. 164). Dies aber wäre mit der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung von der Übereinstimmung der Teilwertbegriffe in den verschiedenen Tatbeständen des § 6 Abs. 1 EStG (s. 2. a) nicht vereinbar.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Die Beteiligten sind zwar übereinstimmend davon ausgegangen, daß der vom Prüfer zugrunde gelegte Wert die Anschaffungsnebenkosten nicht enthält. Das FG hat aber von seinem Standpunkt aus zu Recht keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang Anschaffungsnebenkosten als Teil der Wiederbeschaffungskosten im Zeitpunkt der Betriebseröffnung zu berücksichtigen sind.

Ende der Entscheidung

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