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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: IX B 149/04
Rechtsgebiete: FGO, EStG, Gesetz über das Kreditwesen, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
EStG § 45d
EStG a.F. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
Gesetz über das Kreditwesen § 24c
Viertes Finanzmarktförderungsgesetz Art. 6 Nr. 23
Viertes Finanzmarktförderungsgesetz Art. 6 Nr. 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit geändertem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1999 (Streitjahr) erfasste der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) u.a. von den Antragstellern und Beschwerdegegnern (Antragsteller) nachträglich erklärte Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Streitjahres in Höhe von ca. 168 000 DM. Hiergegen legten die Antragsteller Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.

Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des o.a. Feststellungsbescheides lehnte das FA ab. Daraufhin haben die Antragsteller einen entsprechenden Antrag beim Finanzgericht (FG) gestellt. Das FG hat dem Antrag stattgegeben.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde. Es beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen FG-Beschlusses den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung abzuweisen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. August 2003 IX B 45/03, BFH/NV 2004, 37, m.w.N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 120 f.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 122).

2. Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der für die Besteuerung des hier streitigen Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergeben sich aus dem Beschluss vom 16. Juli 2002 IX R 62/99 (BFHE 199, 451, BStBl II 2003, 74), mit dem der Senat eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt hat, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für den Veranlagungszeitraum 1997 maßgeblichen Fassung mit dem Grundgesetz (GG) insoweit unvereinbar ist, als die Durchsetzung des Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird. Um weitere Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat im Einzelnen auf seine Ausführungen in diesem Beschluss. Er hat dort auch zur Rechtslage der Veranlagungszeiträume ab 1999 Stellung genommen und insoweit ausgeführt, dass der gleichmäßige Belastungserfolg auch nicht durch § 45d EStG sowie durch organisatorische Maßnahmen hergestellt werden kann (BFH in BFHE 199, 451, BStBl II 2003, 74, unter B. III. 4. b und c der Gründe).

3. Entgegen der Auffassung des FA sind diese ernstlichen Zweifel durch die Entscheidung des BVerfG vom 9. März 2004 2 BvL 17/02 (BGBl I 2004, 591) nicht beseitigt worden. Das BVerfG hat es im genannten Urteil --was die Jahre ab 1999 angeht-- lediglich abgelehnt, die für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 ausgesprochene Nichtigkeitserklärung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. ohne weiteres auch auf die Regelungen der Folgejahre zu erstrecken. Daraus ergibt sich nicht, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verfassungsgemäß ist. Hierzu bedarf es vielmehr weiterer Ermittlungen zu Umfang und Auswirkungen eines im Streitjahr gegebenen strukturellen Vollzugsdefizits (vgl. Urteil des BVerfG in BGBl I 2004, 591, unter D. III. 2. der Gründe); für diese ist bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung kein Raum.

4. Der Senat kann offen lassen, ob sich --wie das FA geltend macht-- durch den am 1. April 2003 in Kraft getretenen § 24c des Gesetzes über das Kreditwesen (vgl. Art. 6 Nr. 23 und 42 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 21. Juni 2002, BGBl I 2002, 2010) rückwirkend für das Streitjahr bessere Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden ergeben haben, die geeignet waren, in verfassungsrechtlich relevanter Weise einem strukturellen Vollzugsdefizit entgegen zu wirken. Auch die dafür notwendigen Feststellungen sind im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu treffen.

5. Die Antragsteller können verlangen, dass der hier streitige Veräußerungsgewinn im Wege der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheides unberücksichtigt bleibt. Ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) tritt nicht hinter das öffentliche Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft zurück. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Beschluss vom 11. Juni 2003 IX B 16/03 (BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663).



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