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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.10.2003
Aktenzeichen: IX B 70/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Tochter des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) erwarb 1993 eine Eigentumswohnung, an der sie dem Kläger ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht einräumte. Der Kläger verpflichtete sich, die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen an der Wohnung auf seine Kosten vorzunehmen. Im Zeitpunkt des Erwerbs war die Wohnung in zwei abgeschlossene Appartements aufgeteilt, von denen eines vermietet war und das andere leer stand. Der Kläger begann nach dem Erwerb damit, das leer stehende Appartement zu sanieren. Noch vor Fertigstellung der Arbeiten im ersten Appartement entschied sich der Kläger zur Rückgestaltung beider Appartements in eine Wohnung. Nach dem Auszug der Mieterin aus dem (vermieteten) Appartement begann der Kläger auch dort mit Bauarbeiten und legte beide Appartements zu einer einzigen Wohnung zusammen. Die Terrasse ließ er zu einem Wintergarten verglasen. Nach Abschluss der Baumaßnahmen (1996) vermietete der Kläger die Wohnung.

Für 1994 erklärte der Kläger Mieteinnahmen von 3 209 DM, von denen er Werbungskosten in Höhe von 33 631 DM abzog. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 1995 machte er Werbungskosten von 77 770 DM und zudem Aufwendungen in Höhe von 80 895,30 DM für die Errichtung des Wintergartens geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Aufwendungen im Wesentlichen als anschaffungsnahe Herstellungskosten und lehnte ihren sofortigen Abzug als Werbungskosten insoweit ab.

Die Einsprüche des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide für 1994 und 1995 blieben erfolglos; das FA wies sie in seiner Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 1997 zurück.

Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung und begehrte, den Anteil der Sanierungsaufwendungen aus 1994, die vor der Baugenehmigung für den Wintergarten entstanden seien, mit sofortiger Abziehbarkeit anzuerkennen. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1998 trug der Kläger vor, er erweitere seine Rechtsauffassung nunmehr dahin, dass auch die Kosten des Wintergartens als Instandhaltungskosten anzuerkennen seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 im Wesentlichen statt und folgte insoweit den Grundsätzen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur steuerlichen Behandlung sog. anschaffungsnaher Aufwendungen (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569). Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 verwarf es als unzulässig, weil der Kläger die Klagefrist versäumt habe. Er habe erst mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1998 und damit verspätet Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 erhoben.

Mit seiner auf einen Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Kläger, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der vom Kläger herausgehobene Verfahrensfehler liegt nicht vor. Zutreffend hat das FG die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 durch Prozessurteil als unzulässig verworfen, weil der Kläger seine Klage zunächst nur gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 gerichtet und in Bezug auf die Einkommensteuer 1995 die Klagefrist versäumt habe.

Als Prozesserklärung ist der Rechtsbehelfsantrag durch Auslegung entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB-- (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Mai 2002 I B 8/02, I S 13/01, BFH/NV 2002, 1317; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1975 2 BvR 630/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976, 70; BFH-Urteil vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, BFHE 193, 85, BStBl II 2001, 162) zu ermitteln. Die Auslegung prozessualer Willenserklärungen ist grundsätzlich Gegenstand der vom FG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen und kann vom BFH nur daraufhin überprüft werden, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 I R 76/91, BFHE 168, 1, BStBl II 1992, 995; BFH-Beschluss vom 26. Juni 2002 IX B 119/01, BFH/NV 2002, 1469).

Danach ist die Auslegung des FG, der Kläger habe sich lediglich gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 gewandt, nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln wird auch vom Kläger nicht vorgetragen. Allein die Behauptung, das FG habe sein Begehren fehlerhaft ausgelegt, reicht dafür nicht aus. Die Vorentscheidung hat nicht allein die Klageschrift seiner Auslegung zugrunde gelegt, sondern auch die dazu eingereichten Anlagen und Erklärungen des Klägers berücksichtigt.

Der Kläger hat mit seinem Schriftsatz vom 14. Oktober 1998 nicht lediglich seine Klage erweitert, was nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87 (BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327) auch nach Ablauf der Frist zur Klageerhebung zulässig gewesen wäre. Die Grundsätze des Großen Senats des BFH in BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327 gelten nur, wenn entschieden werden muss, inwieweit ein Steuerbescheid angefochten worden ist. Im Streitfall geht es aber nicht um Teilanfechtung oder Teilbestandskraft (vgl. dazu auch das BFH-Urteil vom 23. April 2003 IX R 28/00, BFH/NV 2003, 1140 f.), sondern darum, ob mit dem Einkommensteuerbescheid 1995 ein weiterer eigenständiger Verwaltungsakt Verfahrensgegenstand geworden ist.



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