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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: IX E 11/07
Rechtsgebiete: FGO, GKG, EGGVG, GVG, JBeitrO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 62a
FGO § 78 Abs. 1 Satz 1
FGO § 155
FGO § 130 Abs. 1
GKG § 4
GKG § 5 a.F.
GKG § 5 Abs. 6 a.F.
EGGVG § 2
GVG § 17a Abs. 2 Satz 1
JBeitrO § 1 Abs. 1 Nr. 4
JBeitrO § 8 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 78b
ZPO § 767
ZPO § 767 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Erinnerungsführerin) beantragte beim Finanzgericht (FG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Sachen Einkommensteuer 1978 bis 1991 und Umsatzsteuer 1982 bis 1991. Ebenso beantragte sie dort für die seinerzeit anhängigen Verfahren Prozesskostenhilfe. Das FG lehnte die Anträge mit Beschlüssen vom 2. Oktober 2002 8 V 767/02 und 8 S 2385/02 ab. Dabei wies das FG die Erinnerungsführerin in seinen Beschlüssen ausdrücklich darauf hin, dass ein Rechtsmittel nicht gegeben sei (§ 128 Abs. 3 bzw. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Dennoch legte die Erinnerungsführerin gegen die Beschlüsse des FG mit von ihr persönlich unterzeichnetem Schreiben vom 8. September 2002 ausdrücklich als solche bezeichnete Beschwerden ein, welchen das FG mit Beschlüssen vom 2. Oktober 2002 und 26. November 2002 nicht abhalf und die es gemäß § 130 Abs. 1 FGO dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vorlegte.

Mit Schreiben der Geschäftsstelle des X. Senats des BFH vom 21. Januar 2003 wurde die Erinnerungsführerin auf den beim BFH gemäß § 62a FGO bestehenden Vertretungszwang sowie auf die Unanfechtbarkeit der FG-Beschlüsse hingewiesen. Gleichzeitig wurde ihr Gelegenheit gegeben, die Beschwerden gerichtsgebührenfrei zurückzunehmen.

Da die Erinnerungsführerin ihre Beschwerde aufrechterhielt, wurden die Beschwerden mit Beschlüssen des BFH vom 26. Februar 2003 X B 170/02 (nicht veröffentlicht --n.v.--) und X B 171/02 (n.v.) als unzulässig verworfen und die Kosten der Erinnerungsführerin auferlegt.

Mit Kostenrechnungen vom 7. August 2003 (KostL 393/03 und KostL 394/03) setzte die Kostenstelle des BFH gemäß § 4 des Gerichtskostengesetzes (GKG) a.F. Gerichtskosten in Höhe von 105 € und 25 € gegen die Erinnerungsführerin fest.

Die hiergegen eingelegten Erinnerungen wies der BFH mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2003 X E 1/03 (n.v.) und X E 2/03 (n.v.) als unbegründet zurück.

Im Stadium der Beitreibung der Gerichtskosten durch die Justizbeitreibungsstelle des Bundespatentgerichts legte die Erinnerungsführerin beim Amtsgericht (AG) Vollstreckungserinnerung ein, die das AG mit der Begründung verwarf, dass mit der Vollstreckungserinnerung materiell-rechtliche Einwendungen vorgetragen würden, die im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen seien.

Seit dem 1. Januar 2007 ist aufgrund gesetzlichen Organisationsakts durch das Gesetz zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamts für Justiz (BfJ) vom 17. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 3171, 3173, Art. 4 Abs. 13) das BfJ - Justizbeitreibungsstelle - Vollstreckungsbehörde für Ansprüche des BFH (§ 2 Abs. 2, § 6 Abs. 2 Satz 1 der Justizbeitreibungsordnung --JBeitrO-) und somit auch Kostengläubiger und Erinnerungsgegner (Erinnerungsgegner).

Die Erinnerungsführerin beantragte mit Schriftsatz vom 17. September 2006 sowie erneut mit Schriftsatz vom 6. November 2007, ihren Schriftsatz vom 4. August 2006 als "Vollstreckungsklage" zu behandeln.

Das AG hat mit Beschluss vom 20. Februar 2007 ... nach § 2 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) den Rechtsstreit an den BFH verwiesen.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

die Vollstreckung aus den Kostenrechnungen vom 7. August 2003 KostL 393/03 und 394/03 für unzulässig zu erklären.

II. 1. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO sind Einwendungen gegen Gerichtskostenforderungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO, die den beizutreibenden Anspruch selbst betreffen, vom Schuldner gerichtlich nach den Vorschriften über die Erinnerung gegen den Kostenansatz geltend zu machen. Die Erinnerungsführerin begehrt, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, weil sie der Auffassung ist, die Vollstreckung erfolge aus offensichtlich unrichtigen Entscheidungen des BFH und der Vorinstanzen. Damit richtet sich ihre Einwendung gegen den zu vollstreckenden Anspruch selbst. Diese Formulierung ist nicht eng zu verstehen und betrifft nicht nur die klassischen Erlöschensgründe (wie z.B. Zahlung, Verjährung, Aufrechnung; vgl. etwa BFH-Beschluss vom 10. Juli 1997 VII E 13/97, BFH/NV 1998, 76). Es sollen vielmehr möglichst alle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Gerichtskostenanspruch von dem Gericht geprüft und beschieden werden, bei dem die zu vollstreckenden Gerichtskosten --im Streitfall beim BFH-- angesetzt worden sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. vor Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 --BGBl I 2004, 718--). Damit hat die Zuweisung dieser Einwendungen in das Erinnerungsverfahren die Funktion, die sonst der für diesen Bereich grundsätzlich ausgeschlossenen Vollstreckungsabwehrklage (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO nennt § 767 der Zivilprozessordnung --ZPO-- nicht) zukommt (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 12. Dezember 2002 20 W 352/02, Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit --FGPrax-- 2003, 197, 198). Daher liegt es nahe, den Ausdruck "Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, ... betreffen" in § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO ebenso zu verstehen wie die Formulierung "Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen" in § 767 Abs. 1 ZPO. Die Einwendung, es werde aus einer offensichtlich unrichtigen Entscheidung vollstreckt, gehört als Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung oder des Rechtsmissbrauchs zum Anwendungsbereich des § 767 ZPO und damit auch zu den von § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO in das Erinnerungsverfahren verwiesenen Einwendungen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2003 VII K 1/03, BFH/NV 2003, 811, m.w.N.).

2. Die danach zulässige Erinnerung der Erinnerungsführerin ist unbegründet.

a) Die Erinnerungsführerin kann --im Streitfall-- nicht mit solchen Einwendungen gehört werden, welche die Kostenansätze oder die Zahlungspflicht selbst betreffen und die sie bereits mit der (Erst-)Erinnerung gegen den jeweiligen Kostenansatz oder die Zahlungspflicht hätte geltend machen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 1998 X E 1/98, BFH/NV 1998, 1120). Soweit der BFH bereits in den Beschlüssen vom 15. Dezember 2003 X E 1/03 (n.v.) und X E 2/03 (n.v.) den Kostenansatz sowie die Zahlungspflicht bestätigt hat, ist dies im Rahmen der Erinnerung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO i.V.m. § 5 GKG a.F. nicht mehr zu prüfen.

b) Soweit sich die Einwendungen gegen die Richtigkeit der Sachentscheidung und nicht gegen den Anspruch i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO als solchen richten, können sie grundsätzlich nicht im Rahmen der Erinnerung erhoben werden, da die inhaltliche Richtigkeit des Beschlusses allgemein nicht zu überprüfen ist (zum Erinnerungsverfahren betreffend den Kostenansatz, BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1120). Lediglich in Ausnahmefällen ist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung oder des Rechtsmissbrauchs zulässig (dazu Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 1976 III ZR 120/74, Der Deutsche Rechtspfleger --Rpfleger-- 1976, 354; BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 811; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 767 Rz 12 "Rechtsmissbrauch" und "unzulässige Rechtsausübung").

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor. Denn der Erinnerungsgegner vollstreckt lediglich --entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag-- Gerichtskostenforderungen, gegen welche die Erinnerungsführerin keine substantiierten Einwendungen vorgebracht hat. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die den Gerichtskostenforderungen zugrunde liegenden Erkenntnisse offensichtlich falsch oder erschlichen sind, so dass sich eine Vollstreckung der Gerichtskosten aus diesem Grund als unzulässige Rechtsausübung oder Rechtsmissbrauch darstellen könnte.

3. Die begehrte Bestellung eines Notanwalts gemäß § 155 FGO i.V.m. § 78b ZPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil im Verfahren der Erinnerung kein Vertretungszwang besteht.

4. Der Antrag auf Akteneinsicht, der sich ausweislich seiner Begründung nur auf nicht näher bezeichnete "diverse" beizuziehende Akten erstreckt, hat ebenfalls keinen Erfolg. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO haben die Beteiligten Anspruch auf Einsicht in die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten. Ein Anspruch auf Einsicht in Akten, die dem Gericht tatsächlich nicht vorliegen, kann infolgedessen dem Gericht gegenüber nicht geltend gemacht werden (BFH-Beschluss vom 16. August 1999 VII B 131/99, BFH/NV 2000, 78).

5. Die Entscheidung ergeht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrO i.V.m. § 5 Abs. 6 GKG a.F. gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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