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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: IX R 105/00
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 10e Abs. 6a
AO 1977 § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1994 und 1995 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.

Im Jahre 1992 erwarben der Kläger und seine Eltern ein Grundstück zu je 1/3. Im folgenden Jahr übertrugen die Eltern ihre Miteigentumsanteile den Klägern in der Weise, dass beide zu gleichen Teilen Eigentümer des Grundstücks wurden. Gleichzeitig verpflichteten sich die Kläger, den Eltern unentgeltlich und auf Lebenszeit ein im Grundbuch einzutragendes Wohnungsrecht einzuräumen.

Die Kläger errichteten auf dem Grundstück ein --im Dezember 1994 bezogenes-- Zweifamilienhaus. Im Zusammenhang mit der Baumaßnahme schlossen sie im April 1994 mit den Eltern einen Darlehensvertrag über 300 000 DM mit einem Zinssatz von 5 v.H. und einer jährlichen Tilgung von 1 v.H.; die Darlehensvaluta hatten die Eltern bereits zuvor im Laufe des Jahres 1993 ausgezahlt. Als Sicherheit sollte ebenfalls das den Eltern auf Lebenszeit einzuräumende Wohnungsrecht dienen. Darüber hinaus nahmen die Kläger im Juni 1994 ein Bankdarlehen in Höhe von 250 000 DM auf, das durch eine Buchgrundschuld gesichert wurde.

Ende 1994 schlossen die Kläger mit den Eltern einen lebenslänglichen Mietvertrag über die zweite Wohnung des Hauses; das Mietrecht der Eltern sollte ebenfalls durch das eingetragene Wohnungsrecht gesichert werden. Die Eltern bewohnen die Wohnung seit Januar 1995.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machten die Kläger Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 25 182 DM (1994) und 25 243 DM (1995) geltend. Für 1995 begehrten sie ferner die Berücksichtigung der an die Eltern gezahlten Schuldzinsen gemäß § 10e Abs. 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht. Auch die an die Eltern gezahlten Zinsen ließ er nicht gemäß § 10e Abs. 6a EStG zum Abzug zu.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Nach seiner Auffassung sind der Miet- sowie der Darlehensvertrag steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

II. Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG den Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung des ihnen übertragenen Hauses sowie den streitigen Schuldzinsenabzug bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr berücksichtigt.

1. Dem streitigen Mietverhältnis ist entgegen der Auffassung des FA nicht die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen.

a) Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung: Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Januar 1996 IX R 13/92, BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom 14. Januar 2003 IX R 5/00, BFHE 201, 246, BStBl II 2003, 509, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224). Auch Angehörigen steht es danach frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil in BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214).

b) Danach liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts bei Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen nicht schon deshalb vor, weil das Objekt vor der Vermietung vom jetzigen Mieter auf den Vermieter übertragen wurde und der Mieter in diesem Zusammenhang auf ein bei der Grundstücksübertragung zu seinen Gunsten eingeräumtes Wohnungsrecht an dem Vermietungsobjekt --unentgeltlich-- verzichtet. Zur weiteren Begründung nimmt der Senat insoweit auf das Urteil vom heutigen Tage im Verfahren IX R 60/98 Bezug.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Vermieter den (Nutzungs-)Berechtigten im Zusammenhang mit der Aufgabe des Nutzungsrechts ausweislich der getroffenen Vereinbarungen im Ergebnis durch ein Entgelt für diese Aufgabe so stellt, als ob dieser unverändert sein Nutzungsrecht --unentgeltlich-- ausüben würde (Urteil des Senats vom heutigen Tage IX R 56/03).

c) Im Übrigen ist der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Mietvertrag steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus (im Rahmen des sog. Fremdvergleichs) sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht; dabei schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der im Streitfall vereinbarte Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam und der Besteuerung zugrunde zu legen. Dem Einwand des FA, der Gestaltungsmissbrauch liege in dem Zusammenhang von dinglichem Wohnungsrecht und Mietvertrag, ist aus den im Urteil IX R 60/98 dargelegten Gründen nicht zu folgen.

3. Die Würdigung des FG, der Darlehensvertrag sei anzuerkennen, ist möglich und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Gewährung eines Bau- oder Anschaffungsdarlehens unter --wie im Streitfall-- volljährigen, wirtschaftlich voneinander unabhängigen Verwandten bietet für sich allein regelmäßig noch keinen Anlass für die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838). Hat der Gläubiger das Darlehen allein aus seinen Mitteln gewährt, stehen sich die Vermögensbereiche der Beteiligten von vornherein selbständig gegenüber. Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist davon auszugehen, dass der Darlehensvertrag tatsächlich durchgeführt worden ist und dem Fremdvergleich standhält. Die fehlende Absicherung im Grundbuch hat das FG im Ergebnis zutreffend als unerheblich angesehen; sie war wegen der Besonderheiten des Streitfalles unnötig. Die Eltern des Klägers waren durch das lebenslange Wohnungsrecht ausreichend abgesichert.

Ende der Entscheidung

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