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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: IX R 15/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist die Einkünfteerzielungsabsicht nicht entgegen der auf § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beruhenden typisierenden Annahme, eine langfristige Vermietung werde in der Regel letztlich zu positiven Einkünften führen, deshalb zu prüfen, weil der Steuerpflichtige die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermietungsobjekts sowie anfallende Schuldzinsen mittels Darlehen finanziert, die zwar nicht getilgt, indes bei Fälligkeit durch den Einsatz von parallel laufenden Lebensversicherungen abgelöst werden sollen.
Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ihr Einfamilienhaus mit Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hatten.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie errichteten im Jahr 1982 außerhalb ihres Wohnortes ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung für insgesamt 547 852 DM, das sie wegen einer geplanten beruflichen und örtlichen Veränderung des in der Immobilienbranche tätigen Klägers zunächst selbst nutzen wollten. Als es dazu aber nicht kam und auch ein Verkauf des Hauses nicht realisiert werden konnte, vermieteten sie es für monatlich 1 500 DM. Sie erhöhten die Miete ab dem 1. Oktober des Streitjahres 1990 auf 1 600 DM und ab dem Jahr 1994 auf 1 800 DM monatlich. Der Mietvertrag wurde im Jahr 1984 zunächst auf fünf Jahre abgeschlossen, dann aber auf unbestimmte Zeit verlängert.

Die Kläger erklärten für die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1996 Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung des Hauses, im Jahr 1992 153 514 DM und im Streitjahr 1993 148 125 DM. Ab 1997 erzielten sie Überschüsse. Die Ergebnisse beruhten vor allem auf Schuldzinsen, die sich im Zeitraum von 1985 bis 1996 zwischen 58 497 DM und 161 201 DM jährlich bewegten. Ursache war die besondere Art der Finanzierung unter Einsatz von Lebensversicherungen: Die Kläger finanzierten die Herstellungskosten wie auch die auflaufenden Zinsen über Darlehen und lösten ihre Darlehensverpflichtungen im Jahr 1996 u.a. über Kapitallebensversicherungen insgesamt ab. Im Jahr 1998 übertrugen sie das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihre Tochter.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) akzeptierte in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden für die Streitjahre (1990, 1993) die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse zunächst. Aufgrund einer im Jahr 1997 durchgeführten Gesamtüberprüfung gelangte er zur der Auffassung, die Kläger hätten nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt. Wegen nicht mehr änderbarer Veranlagungen berücksichtigte das FA die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung des Objekts erstmals für das Jahr 1992 nicht mehr. Dadurch ergab sich ein verminderter Verlustrücktrag nach dem Streitjahr 1990 und eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1993. Die Einsprüche der Kläger blieben im Wesentlichen ohne Erfolg. Insbesondere das Missverhältnis der Schuldzinsen zu den Mieteinnahmen spreche --so das FA-- gegen die Überschusserzielungsabsicht der Kläger.

Ihre Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1213 veröffentlichten Urteil ab. Gegen das Vorliegen der Überschusserzielungsabsicht spreche das krasse Missverhältnis zwischen den Mieteinnahmen und den Schuldzinsen einerseits und der vereinbarten Zins- und Darlehenstilgung andererseits. Bei der von den Klägern gewählten Vertragsgestaltung sowie nach der tatsächlichen Durchführung (Auflaufenlassen der Zinsen) sei die Erwirtschaftung eines Totalüberschusses auch bei einer auf Dauer angelegten Fremdvermietung nicht möglich. Die gebotene Prognose falle bezogen auf einen dreißigjährigen Zeitraum negativ aus.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Einkünfteerzielungsabsicht nur in Ausnahmefällen zu prüfen. Im Streitfall liege aber eine durch eine besondere Art der Nutzung gekennzeichnete Ausnahme nicht vor. Die Art der Finanzierung mit dem jahrelangen Auflaufenlassen der Zinsen sei zwar nicht der gängige Finanzierungsweg, indes steuerrechtlich korrekt und anzuerkennen. Auch bei einer üblichen Finanzierung wäre es innerhalb von dreißig Jahren nicht zu einem Einnahmeüberschuss gekommen.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre dahin gehend zu ändern, dass für das Kalenderjahr 1990 ein weiterer Verlustabzug von 153 514 DM aus dem Jahre 1992 und im Veranlagungszeitraum 1993 ein (weiterer) Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 148 125 DM zu berücksichtigen ist.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FG hat § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend angewandt, indem es in der von den Klägern gewählten Finanzierung einen Umstand gesehen hat, die Einkünfteerzielungsabsicht durch eine Prognose zu überprüfen.

1. Nur die Einkünfte aus der Vermietung des Einfamilienhauses, die die Kläger nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielen, unterliegen der Einkommensteuer. Der Vermieter muss sie durch eine zielgerichtete Vermögensnutzung erwirtschaften, um auf Dauer einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erreichen.

a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (ständige Rechtsprechung des BFH, grundlegend Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; gleicher Ansicht das Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 8. Oktober 2004, BStBl I 2004, 933). Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten nur, wenn besondere Umstände gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 unter 2. d; BFH-Urteile vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 --Ferienwohnung--; vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646 --verbilligte Vermietung--; vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695; vom 9. Juli 2002 IX R 47/99, BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580 --befristete Vermietungstätigkeit--; vom 6. Oktober 2004 IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386 --aufwendig gestaltetes Wohngebäude--).

b) Um einen derartigen besonderen Umstand handelt es sich bei der von den Klägern gewählten Finanzierungsart ersichtlich nicht, auch wenn sie in den Streitjahren durch ein krasses Missverhältnis der Mieteinnahmen im Verhältnis zu den Schuldzinsen geprägt ist.

aa) Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht darauf an, ob die Kläger mit ihrer auf Dauer angelegten Fremdvermietung tatsächlich einen Totalüberschuss erzielen konnten. Denn zu einer dies überprüfenden Prognose kommt es nicht. Es ist für die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angelegte typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht gerade kennzeichnend, auf den typischen statt auf den verwirklichten Geschehensablauf abzustellen (vgl. K. Ebling in Kirchhof/Jakob/ Beermann (Hrsg.), Festschrift für K. Offerhaus, 1999, 578; vgl. auch Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume bei der Anwendung der Steuergesetze, 1992, 73 ff.).

bb) Die im Streitfall durchgeführte Finanzierung des Einfamilienhauses ist für sich kein Umstand, der dazu führt, die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger zu überprüfen.

Die Kläger haben ihr Einfamilienhaus nach den Feststellungen des FG zunächst vollständig fremdfinanziert, die Darlehen nicht getilgt und entstehende Zinsen auflaufen lassen, um dann die sich im Laufe der Zeit aufgebaute Darlehenssumme einschließlich Zinsen u.a. durch fällig werdende Lebensversicherungen zurückzuzahlen. Dieses Finanzierungskonzept liegt den Verträgen der Kläger mit ihrer Bank zugrunde, wie es sich aus den vom FG in Bezug genommenen Akten des FA --insbesondere den Auszügen aus der Akte über steuerliche Ermittlungen-- ergibt. Es war nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG in den Streitjahren (1990 und 1993) unbeschadet des Umstandes maßgebend, dass es anders als zunächst konzipiert bereits im Jahr 1996 zu einer vollständigen Ablösung der Darlehenssumme gekommen ist. Diese Art von (Gebäude-)Finanzierung unter dem Einsatz von Lebensversicherungen wird im Schrifttum als marktgerechte Finanzierungsart herausgestellt (vgl. Meyer-Scharenberg, Finanzierung mit Lebensversicherungen, 2. Aufl., 1996, Rn. 4; Tischbein, Kreditsicherung durch Lebensversicherungsansprüche, 3. Aufl., 2000, Rz. 46; Loy, Finanzierungen unter Einsatz von Lebens- und Rentenversicherungen, 1996, S. 21) und auch vom Gesetzgeber (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 55 zu Nummer 9 --§ 10 EStG--) zur langfristigen Finanzierung eines Mietwohngebäudes akzeptiert. Er hat mit dem Steueränderungsgesetz 1992 (vom 25. Februar 1992, BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146; vgl. dazu Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 10 EStG Rz. 7) lediglich die steuerrechtlichen Vergünstigungen beim Sonderausgabenabzug zurückgeführt (vgl. dazu von Bornhaupt, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 850 --Risiko- und Lebensversicherungsbeiträge--; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rdnr. E 228). Dem entspricht es, wenn auch die Rechtsprechung des BFH dem Steuerpflichtigen die Freiheit zubilligt, unter Einsatz von Eigenmitteln oder Fremdmitteln steuerrechtlich erheblich tätig zu werden (vgl. grundlegend den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193).

Als Umstand, der als Beweis des ersten Anscheins oder als Beweisanzeichen gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht spricht, eignet sich das oben dargestellte Finanzierungskonzept unbeschadet seiner Marktgängigkeit auch deshalb nicht, weil die durch die Refinanzierung von Zinsen bedingten hohen Schuldzinsen am Anfang des Engagements kompensiert werden durch positive Ergebnisse nach der Ablösung der Darlehensverbindlichkeiten (vgl. auch die Beispiele in BTDrucks 12/1108, S. 56; die Übersicht bei Meyer-Scharenberg, a.a.O., S. 184, und das zu einer vergleichbar finanzierten Leibrentenversicherung ergangene BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267), die regelmäßig --und auch hier-- weit vor dem Ende der Laufzeit einer üblichen Finanzierung zu Standardkonditionen (siehe dazu das BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 unter II. 1. e cc) vorgenommen werden. Umgekehrt kann es aber gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, wenn nach dem Finanzierungskonzept mit der Ablösung der Darlehen ein Rechtsträgerwechsel verbunden ist, der es verhindert, dass es in der Person des Vermieters zu der geschilderten Kompensationswirkung kommt.

c) Nach diesen Maßstäben durfte das FG im Streitfall nicht in eine Prognose zur Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht eintreten.

Das Finanzierungskonzept der Kläger bildet keinen objektiven Umstand, der als Indiz gegen die Einkünfteerzielungsabsicht spricht. Allein ein krasses Missverhältnis zwischen den Mieteinnahmen und den Schuldzinsen ist nicht geeignet, die grundsätzlich anzunehmende Einkünfteerzielungsabsicht in Frage zu stellen.

Nach den gewählten Kreditbedingungen ist ein derartiges Missverhältnis konzepttypisch. Es wird durch positive Ergebnisse ausgeglichen, die nach der Ablösung der Darlehensverbindlichkeiten durch die Auszahlung fällig gewordener parallel laufender Lebensversicherungen entstehen. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass deshalb die hier gewählte Finanzierungsart in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis mit einer üblichen Finanzierung zu Standardkonditionen im Wesentlichen übereinstimmt.

Dieser wirtschaftliche Finanzierungseffekt wird nicht wiederum dadurch in Frage gestellt, dass die Kläger das Einfamilienhaus im Jahre 1998 auf ihre Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen haben. Denn dieser Rechtsträgerwechsel war ebenso wie die im Jahr 1996 vorgenommene Ablösung der Darlehen nach den Feststellungen des FG in den Streitjahren noch nicht absehbar. Unabhängig davon, ob eine unentgeltliche Rechtsnachfolge überhaupt schädlich sein kann, ergeben sich auch aus den Ermittlungsakten, auf die das FG verwiesen hat, keine Anhaltspunkte dafür, die Kläger hätten eine Übertragung des Hauses auf ihre Tochter von vornherein angestrebt.

2. Ist die Vorentscheidung nach den Grundsätzen zu 1. aufzuheben, so kann der erkennende Senat allerdings nicht durchentscheiden; denn die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat nämlich von seinem Standpunkt aus folgerichtig noch nicht geprüft, ob auf Grund einer weiteren Ausnahme eine Prognose vorzunehmen ist. Im Streitfall könnte es sich um eine Wohnung in einem aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohnhaus handeln, deren besonderer Wohnwert die Marktmiete nicht angemessen berücksichtigt. Das FG wird die Umstände zu überprüfen haben, und zwar anhand des BFH-Urteils vom 6. Oktober 2004 IX R 30/03 (BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386), auf das der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweist.

Ende der Entscheidung

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