Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.12.2004
Aktenzeichen: IX R 23/02
Rechtsgebiete: EStG, HGB, EStDV


Vorschriften:

EStG § 7 Abs. 4
HGB § 255 Abs. 1
EStDV § 11d Abs. 1
Die von einem Miterben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übernommenen Schulden der Erbengemeinschaft bilden insoweit Anschaffungskosten der von ihm übernommenen Nachlassgegenstände, als sie seinen Anteil am Nachlass übersteigen.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war zusammen mit seinem Bruder Miterbe zu je 1/2 nach seiner im Jahre 1967 verstorbenen Mutter. Zum gemeinschaftlichen Vermögen der Erbengemeinschaft gehörten fünf Mietwohngrundstücke. Ein weiteres Mietwohngrundstück hatte der Kläger im Jahre 1964 zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder erworben; nach dem Tod der Mutter erbten der Kläger und sein Bruder den Miteigentumsanteil der Mutter an diesem Grundstück und wurden als Miteigentümer zu je 1/2 im Grundbuch eingetragen.

Um sich auseinander zu setzen schlossen der Kläger und sein Bruder im Streitjahr 1991 einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag, aufgrund dessen die Eigentumsanteile des Bruders an den Grundstücken auf den Kläger übergingen. Der Kläger übernahm die Verbindlichkeiten und zahlte 800 000 DM an den Bruder als Wertausgleich.

Bei den Verbindlichkeiten ging es vor allem um folgende Beträge: Auf dem im Jahre 1964 gemeinschaftlich erworbenen Grundstück lastete eine Restschuld von 304 986 DM, von der jeweils 101 662 DM dem Kläger, seinem Bruder und dem Nachlass zuzurechnen waren. Überdies nahm die Erbengemeinschaft zur Finanzierung von Verwaltungskosten mehrere Darlehen auf, die bei Schuldübernahme durch den Kläger noch in Höhe von 248 902 DM valutierten.

Zur Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) gab der Kläger in der Einkommensteuererklärung für 1991 Anschaffungskosten für die Grundstücksanteile in Höhe von 1 380 961 DM an, die sich neben dem Wertausgleich und Gerichts- und Notarkosten aus übernommenen Verbindlichkeiten zusammensetzten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bezog die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten nicht in die Anschaffungskosten mit ein und setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre (1991, 1994 und 1995) abweichend fest.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger, neben dem Wertausgleich und den Erwerbsnebenkosten auch die von ihm übernommenen Schulden in Höhe von 276 944 DM (bestehend aus 1/2 von 248 902 DM, aus den 101 662 DM, die im Zusammenhang mit dem gemeinschaftlich erworbenen Grundstück auf den Bruder entfielen sowie aus 1/2 von den in den Nachlass gefallenen 101 662 DM = 50 831 DM) in die Anschaffungskosten einzubeziehen und sie nach dem Sachwertverfahren auf die Gebäude und den Grund und Boden zu verteilen.

Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1031 veröffentlichten Urteil als zusätzliche Anschaffungskosten vom Kläger übernommene Verbindlichkeiten in Höhe von 226 113 DM. Die im Übrigen vom Kläger übernommenen Schulden (50 831 DM) zählte es als Nachlassverbindlichkeiten nicht zu den Anschaffungskosten.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung des § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) stützt. Bei einer Erbauseinandersetzung, wie sie hier vorliege, seien nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) übernommene Schulden nicht als Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Sie bildeten vielmehr Rechenposten zur Ermittlung des Erbanteils. Als Anschaffungskosten seien lediglich der Wertausgleich von 800 000 DM, Nebenkosten (2 179 DM) und die vom Bruder übernommene Verbindlichkeit aus der Grundstücksgemeinschaft in Höhe von 101 662 DM in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und bei der Neuberechnung der Einkommensteuer für die Streitjahre Anschaffungskosten von 903 841 DM zugrunde zu legen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Zutreffend hat das FG einen Betrag von 124 451 DM (die Hälfte von 248 902 DM) als Anschaffungskosten des Klägers berücksichtigt und --soweit er auf die Gebäude entfällt-- in die Bemessungsgrundlage für die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG einbezogen.

1. Nach dieser Vorschrift bemisst sich die AfA nach den Anschaffungskosten. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches --HGB-- (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574). Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind u.a. die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben.

a) Dazu rechnen grundsätzlich auch Ausgleichszahlungen eines Erben im Rahmen der Erbauseinandersetzung. Entgeltlich ist der Erwerb in dem Umfang, in dem der Wert des Erlangten den Wert des Erbanteils des übernehmenden Erben übersteigt und dieser hierfür Ausgleichszahlungen leisten muss (BFH-Beschluss in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837; so bereits die BFH-Urteile vom 9. Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722, und vom 2. September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250). Auch übernommene Schulden sind Anschaffungskosten, soweit sie die Erbquote übersteigen (so BFH-Urteil vom 20. Dezember 1990 XI R 1/85, BFH/NV 1991, 382; vgl. auch BFH-Urteil vom 25. Juli 1991 XI R 9/85, BFH/NV 1992, 30).

b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision nicht aus dem Beschluss des Großen Senats in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837. Wenn der BFH dort (unter C. II. 2. a) der Schuldübernahme keine Bedeutung beigemessen hat, so in einem Fall, in dem bei einer Auseinandersetzung --anders als im Streitfall-- dem Miterben Nachlassvermögen entsprechend seiner Erbquote zugeteilt wurde. Wie bei einer Schenkung erwirbt er den Gegenstand so, wie er beim Übergeber vorhanden ist. Die Verbindlichkeiten bilden dann lediglich Rechenposten für die Ermittlung des Werts des Erbanteils (BFH-Urteil vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791). Kein Rechenposten, sondern Anschaffungskosten liegen aber vor, wenn der Erbe von der Erbengemeinschaft mehr Gemeinschaftsvermögen erhält, als dies dem Wert seines Erbteils entspricht und er im Gegenzug Abfindungsleistungen erbringt, indem er über seine Erbquote hinaus Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt. Dann liegt in der Erbauseinandersetzung --wie dies der Kläger in der mündlichen Verhandlung zutreffend hervorhob-- ein mit einem Kauf vergleichbares entgeltliches Rechtsgeschäft (vgl. dazu auch Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 63. Aufl., § 2042 Rz. 6 a.E., m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben zählen die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten zu den Anschaffungskosten, soweit sie seine Erbquote übersteigen. Da der Kläger und sein Bruder je zur Hälfte an der Erbengemeinschaft und damit am Nachlass beteiligt waren, bilden die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft zur Hälfte Anschaffungskosten für die aufgrund der Erbauseinandersetzung erworbenen Anteile seines Bruders an den Grundstücken. Das bedeutet: Von den Darlehensschulden der Erbengemeinschaft in Höhe von 248 902 DM, die der Kläger übernommen hat, bilden die Hälfte, also 124 451 DM, Anschaffungskosten des Klägers. Im Übrigen hat er die Grundstücke unentgeltlich erworben, so dass sich die AfA gemäß § 11d Abs. 1 EStDV nach den Anschaffungskosten seiner Mutter bemisst. Die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten (in Höhe der anderen Hälfte von 248 902 DM) bilden lediglich Rechenposten, um den Wert des unentgeltlich Erlangten zu ermitteln.

Der Senat kann mangels einer selbständigen Revision des Klägers nicht darüber entscheiden, ob auch --was nach den Grundsätzen zu 1. nahe liegt-- Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung des im Jahre 1964 gemeinschaftlich erworbenen Grundstücks, die in Höhe des Anteils der Mutter (101 662 DM) dem Nachlass zuzurechnen waren, zur Hälfte Anschaffungskosten bilden.



Ende der Entscheidung

Zurück