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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.08.2002
Aktenzeichen: IX R 43/00
Rechtsgebiete: FördG, EStG, HGB


Vorschriften:

FördG § 7
EStG § 10i
EStG § 10i Abs. 1
EStG § 10i Abs. 1 Nr. 2
EStG § 10i Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 10i Abs. 1 Nr. 2 Satz 2
HGB § 255
HGB § 255 Abs. 1
HGB § 255 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden für das Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben im April 1997 zum Preis von 130 000 DM ein Einfamilienhaus.

Im Mai 1997 wandten die Kläger für den Einbau von Kunststofffenstern mit Isolierverglasung 8 559,68 DM auf und für die Lieferung einer Heizungsanlage im August 1997 8 188,87 DM. Im Zusammenhang mit dem Einbau der Fenster, der Heizung sowie einer neuen Badezimmerausstattung wendeten die Kläger bis zum 27. Mai 1997 weitere 2 889,36 DM auf (insgesamt 19 637,91 DM) und bis Ende September 1997 weitere 33 162,63 DM für die Badezimmersanierung, den Heizungseinbau sowie "weitere Umbaumaßnahmen" (darunter eine Haustür für 4 681,28 DM).

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger den Abzug von Erhaltungsaufwendungen nach § 7 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 33 163 DM für die zuletzt genannten Baumaßnahmen und ferner von Erhaltungsaufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach § 10i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 19 638 DM für den Einbau der Kunststofffenster und der Heizungsanlage.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte ab 1997 eine Eigenheimzulage fest. Im Einkommensteuerbescheid 1997 berücksichtigte das FA Erhaltungsaufwendungen nach § 7 FördG mit 4 000 DM. Den Abzug von Erhaltungsaufwendungen nach § 10i EStG lehnte das FA ab, weil es sich um anschaffungsnahen Herstellungsaufwand handele.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet abwies (Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1243).

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1997 vom 2. Oktober 1998 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. April 1999, weitere Aufwendungen in Höhe von 19 638 DM gemäß § 10i Abs. 1 EStG zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Unrecht als Herstellungskosten gewertet.

1. Nach § 10i Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kann der Steuerpflichtige Erhaltungsaufwendungen, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind, bis zu 22 500 DM als Vorkosten wie Sonderausgaben abziehen. Zu Unrecht hat das FG angenommen, dass die streitigen Aufwendungen wegen ihrer Höhe und ihrer Nähe zur Anschaffung des Gebäudes als (anschaffungsnahe) Herstellungskosten zu beurteilen sind. Die Höhe von Aufwendungen und ihre Nähe zur Anschaffung können allein weder zu Anschaffungs- noch zu Herstellungskosten führen (zur Begründung vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b).

Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 des Handelsgesetzbuchs --HGB-- (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 1.). Für § 10i Abs. 1 EStG gilt das entsprechend.

Unstreitig sind die Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung des Wohnhauses durch die Kläger durchgeführt worden. In diesem Fall stellt sich lediglich die Frage, ob die Aufwendungen Anschaffungskosten oder sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen gemäß § 10i Abs. 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG sind. Herstellungskosten scheiden in diesem Fall aus (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b).

2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand --also auch ein Wohngrundstück-- zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.

a) Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: Gebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa). Soll das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard das Gebäude entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen, die das Gebäude auf einen höheren Standard bringen, machen es betriebsbereit, ihre Kosten führen zu Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB. Für den Standard eines Wohngebäudes ist neben der Größe, dem Zuschnitt und der Anzahl der Räume (was in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt) vor allem die Ausstattung und Qualität der Einrichtungen ausschlaggebend, die den Gebrauchswert (das Nutzungspotential) einer Wohnung bestimmen. Dazu zählen vor allem die Installationen (Heizung, Sanitär, Elektro) und die Fenster. Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes, deren Schwerpunkt nicht die Reparatur und Ersetzung des Vorhandenen, sondern die funktionserweiternde Ergänzung wesentlicher Bereiche der Wohnungsausstattung ist, können den Standard eines Gebäudes erhöhen. Voraussetzung ist jedoch, dass eine derartige deutliche Steigerung der Nutzungsmöglichkeit bei mindestens drei der genannten vier Kernbereiche der Wohnungsausstattung eingetreten ist (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a cc). Ist das der Fall, dann ist damit der Wohnstandard gehoben worden. Ob Baumaßnahmen an einem Wohngebäude geeignet sind, dieses i.S. des § 255 Abs. 1 HGB betriebsbereit zu machen, ist mithin im Wesentlichen nach den gleichen Maßstäben zu entscheiden, nach denen die wesentliche Verbesserung gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu beurteilen ist.

b) Unter Berücksichtigung dessen haben die streitigen Baumaßnahmen nicht zu einer Standarderhöhung des Wohnhauses geführt. Es kann offen bleiben, ob die Fenster und die Badezimmer durch die Baumaßnahmen wesentlich verbessert worden sind. Wie dargelegt, setzt eine Standarderhöhung des Gebäudes eine deutliche Erhöhung des Nutzungswerts in mindestens drei der Kernbereiche einer Wohnungsausstattung voraus. Das ist hier nicht der Fall, weil die vom FG festgestellte Erneuerung des Heizungskessels allein noch nicht eine deutliche Erhöhung des Nutzungswerts der Heizung als Ganzes zur Folge hat.

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