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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: IX R 45/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG § 9 Abs. 1 Satz 2
EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Leistet der Käufer eines Mietobjekts an den Verkäufer infolge einer Vertragsaufhebung Schadensersatz, um sich von seiner gescheiterten Investition zu lösen, so kann er seine Aufwendungen als vorab entstandene vergebliche Werbungskosten absetzen (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 15. November 2005 IX R 3/04, BStBl II 2006, 258).
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16. Dezember 1998 ein Mietwohngrundstück zu einem Kaufpreis von 3,9 Mio. DM, fällig bis zum 31. Dezember 1998. Die Finanzierung war ihm von seiner Bank zunächst zugesagt, schlug letztlich aber fehl. Am 23. Dezember 1998 hoben die Verkäuferin und der Kläger den Kaufvertrag wegen der nicht möglichen Finanzierung auf. Der Kläger musste an die Verkäuferin 250 000 DM Schadensersatz leisten.

Er entrichtete diesen Betrag sowie mit dem Grundstückserwerb und der Aufhebung des Kaufvertrags zusammenhängende Notar- und Rechtsanwaltskosten im Streitjahr (1999) und machte sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung ab, weil die Aufwendungen der Beendigung der Einkünfteerzielung gedient hätten. Auch die Klage blieb ohne Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 100 veröffentlichten Urteil führte das Finanzgericht (FG) aus, die Aufwendungen stünden im Zusammenhang mit der Aufgabe der Einkunftsquelle; insbesondere die Schadensersatzverpflichtung wurzele nicht in dem Kaufvertrag. Seien "Aufgabekosten" abziehbar, während durch eine Veräußerung veranlasste Kosten der Vermögensebene zuzuordnen seien, wäre ein Gleichklang zwischen der Aufgabe einer Einkünftequelle und der Veräußerung der Einkünftequelle nicht mehr gewährleistet.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf Verletzung von § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stützen. Auch nach der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht wirke der Veranlassungszusammenhang bei vorab entstandenen Werbungskosten fort und umfasse nicht nur Kosten eines gerichtlichen, sondern auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einem außergerichtlichen Vergleich.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 2. April 2004 zu ändern und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von 260 715 DM neu festzusetzen.

Das FA hat sich zur Revision nicht eingelassen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage.

Das FG hat zu Unrecht den Werbungskostenabzug versagt, weil die Aufwendungen nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht entstanden sind.

1. Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), auch wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher vorab entstandener Werbungskosten ist ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477).

Auch nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene vergebliche Werbungskosten weiter abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige --nachdem er das Scheitern seiner Investition erkannt hat-- etwas aufwendet, um sich aus der vertraglichen Verbindung zu lösen (BFH-Beschluss vom 5. November 2001 IX B 92/01, BFHE 197, 139, BStBl II 2002, 144, m.w.N.). Der durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht durch eine der Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung (z.B. dem Zusammenhang mit einem nicht steuerbaren Veräußerungsgewinn) überlagert wird (BFH-Urteil vom 15. November 2005 IX R 3/04, BStBl II 2006, 258, m.w.N.). Ein "Gleichklang" zwischen Aufgabe und Veräußerung einer Einkunftsquelle, wie er vom FG beschrieben wird, besteht danach nicht.

2. Nach diesen Maßstäben sind die strittigen Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der Kläger musste Schadensersatz in Höhe von 250 000 DM leisten, um die --im Kauf des Mietgrundstücks liegende-- gescheiterte Investition zu beenden. Dass der Aufhebungsvertrag nicht auf Grund eines Prozessvergleichs, sondern außergerichtlich zustande kam, ist für die steuerrechtliche Bewertung ohne Belang. Ein die ursprüngliche Veranlassung überlagernder neuer Zusammenhang dieser Aufwendungen ist jedenfalls nicht ersichtlich. Weil der Grundstückskaufvertrag vor dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums rückgängig gemacht wurde, lag darin auch kein Veräußerungsgeschäft (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1987 IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428). Es kann deshalb offen bleiben, ob mit dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung durch die Vertragsaufhebung verhinderte Wertveränderungen ausgeglichen werden sollten, die als solche nur dann steuerrechtlich bedeutsam wären, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG vorlägen. Auch die im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag und dessen Aufhebung angefallenen Rechtsanwalts- und Notarkosten kann der Kläger als Werbungskosten geltend machen (vgl. zu Rechtsverfolgungskosten BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314).

3. Da das angefochtene Urteil diesen Grundsätzen nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen von 260 715 DM sind als weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Der Senat überträgt dem FA die Berechnung der Einkommensteuer für das Streitjahr nach § 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 FGO.



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