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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: IX R 5/00
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 9
EStG § 21
AO 1977 § 42 Abs. 1
Vermietet der Steuerpflichtige sein Haus zu fremdüblichen Bedingungen an seine Eltern, kann er die Werbungskostenüberschüsse bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch dann abziehen, wenn er selbst ein Haus seiner Eltern unentgeltlich zu Wohnzwecken nutzt; ein Missbrauch steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO 1977 liegt insoweit nicht vor.
Gründe:

I.

Die Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) sind Eigentümer eines Wohngrundstücks, das sie bis 1994 selbst nutzten. Zum 1. Juli 1994 erwarb der Kläger das benachbarte Wohngrundstück in derselben Straße und vermietete es an die Eltern, deren Haus er seitdem unentgeltlich bewohnt. Der von seinen Eltern zu zahlende Mietzins beträgt nach dem schriftlichen Mietvertrag 2 500 DM; Nebenkosten sind von ihnen selbst und unmittelbar zu tragen. Im Streitjahr 1994 erzielte der Kläger aus der Vermietung seines Hauses an die Eltern einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 88 719 DM, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 1994 nicht anerkannte.

Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, das streitige Mietverhältnis beruhe auf einem Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977); ein verständiger Eigentümer hätte sein Wohnhaus nicht --wie die Eltern des Klägers im Streitfall-- mit dem eines Dritten getauscht, um dort Miete zu zahlen, aber für das eigene Haus zugleich auf Mieteinnahmen zu verzichten.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 42 AO 1977 sowie des § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Er beantragt, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Berücksichtigung eines Verlustes in Höhe von 88 179 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es trägt im Wesentlichen vor, die Revision könne keinen Erfolg haben, weil sie nicht die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und seinen Eltern --einerseits Vermietung des Hauses an die Eltern und andererseits unentgeltliche Überlassung des Hauses der Eltern an den Kläger-- berücksichtige. Der Streitfall sei mit einer als Gestaltungsmissbrauch zu beurteilenden wechselseitigen Vermietung vergleichbar. Der Kläger habe bewusst das Nachbarhaus seiner Eltern gekauft; beide hätten sodann wechselseitig die Häuser zur Nutzung überlassen. Der Verzicht der Eltern auf eigene Mieteinnahmen sei allein dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Ein fremder Dritter würde eine rechtliche Gestaltung, die ihn allein zur Zahlung von Miete ohne die Möglichkeit einer eigenen Einkunftserzielung verpflichtete, nicht eingehen.

II.

Die Revision ist begründet.

Zu Unrecht hat das FG die streitigen Verluste des Klägers aus der Vermietung seines Hauses an seine Eltern bei dessen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt gelassen.

1. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden und deshalb für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, hat der Kläger seinen Eltern das von ihm erworbene Haus zur Wohnnutzung überlassen; diese haben es tatsächlich genutzt, auf der Grundlage des abgeschlossenen Mietvertrages den vereinbarten Mietzins in Höhe von monatlich 2 500 DM gezahlt und die Nebenkosten selbst getragen.

a) Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Mietverhältnisses i.S. des § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) --Nutzungsüberlassung von Wohnraum gegen Entgelt-- vor. Anhaltspunkte dafür, dass diese Hauptpflichten des Mietvertrages (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 2002 IX R 68/99, BFH/NV 2002, 1391) oder die sonstigen mietvertraglichen Abreden wie die Übernahme der Nebenkosten durch die Eltern nicht fremdüblichen Bedingungen entsprechen, hat das FG weder festgestellt noch gibt es dafür nach Aktenlage Anhaltspunkte (zu den Anforderungen an den Fremdvergleich vgl. BFH-Beschluss vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, 571, BStBl II 1990, 160; BFH-Urteile vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196; vom 26. November 1996 IX R 51/94, BFH/NV 1997, 404; vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349).

b) Entgegen der Ansicht des FG ist der Mietvertrag zwischen dem Kläger und seinen Eltern auch nicht als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO 1977 unbeachtlich.

aa) Rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 ist eine Gestaltung, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (vgl. BFH-Urteile vom 26. März 1996 IX R 51/92, BFHE 180, 330, BStBl II 1994, 443, und in BFH/NV 1997, 404, m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

bb) Das FG sieht die Unangemessenheit der gewählten Gestaltung allein darin, dass der Kläger zeitgleich mit der entgeltlichen Überlassung des von ihm erworbenen Hauses an seine Eltern deren Haus unentgeltlich bezogen und auch in der Folgezeit ohne Entgelt genutzt hat: Es lässt aber nicht erkennen, welche rechtliche Gestaltung aus seiner Sicht i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 angemessen wäre.

Gegen die Auffassung des FG spricht schon, dass es für die Frage des Missbrauchs steuerlicher Gestaltungen nicht auf das Verhalten der Eltern bei der unentgeltlichen Überlassung ihres Hauses an den Kläger, sondern allein darauf ankommt, ob die streitige Überlassung des vom Kläger erworbenen Nachbarhauses zur tatsächlichen Nutzung durch seine Eltern in anderer Form als durch entgeltlichen Mietvertrag hätte gestaltet werden müssen; denn abzustellen ist immer nur auf den Steueranspruch aus dem konkreten Steuerschuldverhältnis des einzelnen Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; vom 19. Dezember 2001 X R 41/99, BFH/NV 2002, 1286).

In der Person des Klägers gab es indessen keine andere steuerlich angemessenere Form der Nutzungsüberlassung seines Hauses gegen Entgelt als die durch Mietvertrag, da er nicht verpflichtet war, seinen --ersichtlich nicht unterhaltsbedürftigen-- Eltern das Haus unentgeltlich zu überlassen.

Insbesondere ist die Entgeltlichkeit der Hausüberlassung an die Eltern nicht nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung zu sog. "Überkreuzvermietungen" als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Nach dieser Rechtsprechung sind wechselseitige Vermietungen rechtsmissbräuchlich, wenn sie allenfalls geringfügig unterschiedliche Wohnungen betreffen, die von zwei Personen angeschafft oder hergestellt werden, um sie sogleich wieder ("über Kreuz") dem jeweils anderen in der Weise zu vermieten, dass sich die Vorgänge wirtschaftlich neutralisieren (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904, m.w.N.; vom 12. September 1995 IX R 54/93, BFHE 178, 542, BStBl II 1996, 158; zur Umsatzsteuer BFH-Urteil vom 25. Januar 1994 IX R 97, 98/90, BFHE 174, 386, BStBl II 1994, 738). Denn eine derartige Überkreuzvermietung ist regelmäßig allein dadurch veranlasst, dass die Beteiligten Schuldzinsen und sonstige Belastungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen können, die andernfalls, bei einer Wohnnutzung der jeweils eigenen Wohnung, nicht steuermindernd anzusetzen wären (BFH-Urteil in BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor, weil für das vom Kläger tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken genutzte Haus der Eltern keine Werbungskosten geltend gemacht werden und das von den Eltern genutzte Haus des Klägers tatsächlich --dem typischen Bild eines Mietverhältnisses entsprechend gegen Entgelt-- fremdgenutzt wird. Die wechselseitige Nutzungsüberlassung der beiden Häuser ist damit nicht darauf angelegt, sich wechselseitig die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Werbungskostenüberschüssen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu verschaffen, die bei Eigennutzung der Häuser durch die Eigentümer nicht geltend gemacht werden könnten.

cc) Die Tatsache, dass die Eltern dem Kläger ihr eigenes Haus unentgeltlich zur Nutzung überlassen haben, kann im Übrigen weder für sich noch entgegen der Auffassung des FG im Zusammenhang mit dem Mietvertrag über das Haus des Klägers als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.

Eltern steht es nämlich frei, ihren Kindern Vermögensgegenstände unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Selbst eine weiter gehende unentgeltliche Übertragung begegnet nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn diese Übertragung eine Wohnung betrifft, die anschließend von den Übertragenden angemietet wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 178, 542, BStBl II 1996, 158, zu 2. b). Umso mehr muss dann die Tatsache der Übertragung oder --wie im Streitfall-- die Tatsache der Nutzungsüberlassung bei der Anerkennung eines Mietverhältnisses zwischen dem Übertragenden/Überlassenden und dem Erwerber oder Nutzer unberücksichtigt bleiben, wenn sich dieses Mietverhältnis --wie hier-- auf ein anderes, von Fremden erworbenes Mietobjekt bezieht.

2. Aufgrund der danach anzuerkennenden Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, deren Höhe das FG nach seinen gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen mit 88 719 DM beziffert hat, ist die Einkommensteuer für 1994 wie folgt festzusetzen ...

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