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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.10.2008
Aktenzeichen: IX R 54/07
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG § 9 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren (2000 bis 2002) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger ist Eigentümer eines Zweifamilienhauses in A. Er sanierte im Erdgeschoss die Wohnung, die seine Mutter bis zu ihrem Tode bewohnte. Es entstanden ihm daraus in den Streitjahren Kosten von insgesamt 49 738,81 DM, um deren steuerrechtliche Behandlung es geht.

Der Kläger selbst bewohnte in den Streitjahren die Wohnung im Obergeschoss. Die Klägerin wohnte mit erstem Wohnsitz bei B, wo sich ihre Arbeitsstelle befand. In den Streitjahren stand die Erdgeschosswohnung leer. Zum 1. Februar 2003 vermietete sie der Kläger an seinen Sohn für 210 € monatlich (warm). Zum 1. März 2004 lösten die Vertragsparteien den Mietvertrag wieder auf. Der Grund war eine schwere Erkrankung der Klägerin, die sie zwang, ihre Arbeitsstelle aufzugeben und nach A zu ziehen. Da die Wohnung im Obergeschoss nicht genügend Platz für die zusammenzulegenden Haushalte bot, entschieden sich die Kläger, beide Wohnungen zu verbinden und die Wohnung im Erdgeschoss ebenfalls selbst zu nutzen.

Der Kläger erklärte die Aufwendungen für die Erdgeschosswohnung im Rahmen der Veranlagungen der Streitjahre bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die negativen Einkünfte nicht, weil es die Absicht des Klägers verneinte, aus der Wohnung im Erdgeschoss Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Einsprüche und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 541 veröffentlichtem Urteil dabei davon aus, die Absicht, auf Dauer zu vermieten, fehle, wenn der Steuerpflichtige das bebaute Grundstück zwar unbefristet vermietet habe, aber bereits bei Abschluss des Mietvertrages feststehe, dass er das bebaute Grundstück langfristig wegen Eigenbedarfs für eigene Wohnzwecke nutzen werde oder wenn er sich noch nicht entschieden habe, ob er das Grundstück langfristig wegen Eigenbedarfs für eigene Wohnzwecke nutzen wolle. Wahrscheinlich habe sich der Kläger in den Streitjahren noch nicht entschieden, die Wohnung im Erdgeschoss dauerhaft oder langfristig zu vermieten. Dies gehe zu seinen Lasten. Dem unbefristeten Mietvertrag aus dem Jahre 2003 könne nichts Abweichendes entnommen werden. Auch wenn man davon ausgehe, dass diesem Mietvertrag der Entschluss des Klägers zu einer dauerhaften Vermietung zu Grunde gelegen habe, könne dies nicht rückwirkend für die Streitjahre unterstellt werden. Da der Kläger bei Durchführung der Baumaßnahmen in den Streitjahren bereits das Pensionsalter erreicht gehabt und die Klägerin ab dem Jahr 2000 einer Altersteilzeitbeschäftigung entgegen gesehen habe, könne aufgrund ihrer intakten Lebensgemeinschaft geschlossen werden, dass die Kläger unabhängig von der erst 2003 festgestellten Erkrankung bereits in den Streitjahren den Entschluss gefasst hätten, den Lebensabend gemeinsam zu verbringen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf die Verletzung materiellen Rechts stützen. Das FG sei aufgrund einer unzutreffenden Sachverhaltswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, eine Vermietungsabsicht des Klägers sei nicht indiziert gewesen. Es berufe sich für seine Entscheidung lediglich darauf, dass der Vortrag der Kläger unwahrscheinlich sei, ohne allerdings für diese Auffassung tragfähige Gründe anzugeben. So habe der Kläger mit seinem Sohn unstreitig einen unbefristeten Mietvertrag abgeschlossen, der --wie das FG verkenne-- infolge der erst 2003 festgestellten Erkrankung der Klägerin und damit aufgrund eines nachträglichen und neu gefassten Entschlusses gekündigt worden sei. Das FG habe aus der "intakten Lebensgemeinschaft" der Kläger unzutreffend geschlossen, sie hätten entschieden, den Lebensabend gemeinsam in A zu verbringen. Es habe dabei den Vortrag der Kläger übergangen, dass die Klägerin ihre selbst genutzte Eigentumswohnung bei B trotz der ab 2003 geplanten Altersteilzeit wegen des großen Freundeskreises keineswegs aufzugeben gedachte und erst durch ihre Erkrankung dazu gezwungen gewesen sei.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 9. August 2004 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung der Bescheide über die Einkommensteuer 2000, 2001 und 2002 vom 12. September 2003 und vom 3. September 2003 unter Berücksichtigung der negativen Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung neu festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil das FG mit allein nicht hinreichenden Erwägungen den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten abgelehnt hat; seine Gesamtbeurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen und das heißt, durch die sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Januar 2008 IX R 45/07, BFHE 220, 264, BStBl II 2008, 572). Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477). Dieser ist z.B. gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, m.w.N.). Für die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache können äußere Umstände als Indizien herangezogen werden, wie z.B. der zeitliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung wie auch deren Absehbarkeit; auch spätere Tatsachen und Ereignisse sind zu berücksichtigen. Ob im Einzelfall Indizien für oder gegen eine Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, ist eine Frage der Feststellung und Würdigung, die das FG als Tatsacheninstanz nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu beantworten hat (vgl. BFH-Urteile vom 14. Dezember 2004 IX R 1/04, BFHE 208, 235, BStBl II 2005, 211, und vom 31. Juli 2007 IX R 30/05, BFH/NV 2008, 202, m.w.N.).

2. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung nicht; die Würdigung des FG ist rechtsfehlerhaft und widersprüchlich.

a) Das FG hat zwar mit dem im Jahr 2003 abgeschlossenen Mietvertrag einen später eintretenden Umstand zutreffend als Beweisanzeichen herangezogen. Wenn es aber zugunsten der Kläger unterstellt, dem Mietvertrag mit dem Sohn liege der Entschluss zu einer dauerhaften Vermietung zugrunde, konnte es eine in den Streitjahren bestehende Absicht der Kläger, das Erdgeschoss selbst zu nutzen, nicht allein deshalb annehmen, weil die Eheleute den Lebensabend auch in diesen Räumen gemeinsam verbringen wollten. Diese vom FG angenommene "Lebensplanung" der Kläger beruht nämlich --worauf die Revision zutreffend hinweist-- auf einer reinen Unterstellung, die das Gericht nicht aus Tatsachen, sondern lediglich aus seinem Vorverständnis herleitet, bei einer intakten Lebensgemeinschaft müssten die Partner in jedem Fall auch bestrebt sein, räumlich zusammen zu wohnen. Darüber hinaus wäre --ausgehend von dieser Prämisse-- der vom FG gezogene Schluss nicht folgerichtig. Hätten nämlich die Kläger eine derartige Vorstellung gehabt, wäre der Abschluss eines unbefristeten Mietvertrages, dem --was das FG ja unterstellt-- die Absicht zur dauerhaften Vermietung zugrunde liegt, im nächsten Jahr nicht verständlich. Das FG hat auch bei seiner Schlussfolgerung den Vortrag der Kläger unberücksichtigt gelassen, die Klägerin habe auch nach dem Beginn ihrer Altersteilzeit weiterhin bei B in ihrer eigenen Wohnung leben wollen.

b) Wenn das FG von dem Grundsatz ausgeht, die Absicht, auf Dauer zu vermieten fehle, wenn der Steuerpflichtige das bebaute Grundstück zwar unbefristet vermietet habe, aber bereits bei Abschluss des Mietvertrags feststehe, dass er das bebaute Grundstück langfristig wegen Eigenbedarfs für eigene Wohnzwecke nutzen werde oder wenn er sich noch nicht entschieden habe, ob er das Grundstück langfristig wegen Eigenbedarfs für eigene Wohnzwecke nutzen wolle, so stimmt damit nicht überein, wenn das FG den Sachverhalt auf der Grundlage prüft, dass dem Mietvertrag mit dem Sohn "der Entschluss zu einer dauerhaften Vermietung zu Grund lag".

Hinzu kommt: Wenn der Steuerpflichtige lediglich beabsichtigt, das Grundstück "langfristig" einmal selbst zu nutzen, so kommt es darauf an, ob er seine tatsächlich begonnene Vermietungstätigkeit nur zeitlich begrenzt ausrichten wollte. Ein Beweisanzeichen gegen die Einkünfteerzielungsabsicht hat die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aber nur bejaht, wenn sich die Befristung mit einer ausdrücklich erklärten Selbstnutzungsabsicht aus dem Mietvertrag ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695), während sie lediglich indifferente Überlegungen zur Selbstnutzung als unschädlich ansieht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 63/07, BFH/NV 2008, 1323).

Darüber hinaus ist die Einkünfteerzielungsabsicht bei einer befristeten Vermietungstätigkeit nicht schlechthin zu verneinen. Als Indiz gegen die Einkünfteerzielungsabsicht führt sie dazu, die Absicht anhand einer Prognose nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) zu prüfen.

c) Auch das als Vergleich herangezogene Urteil des BFH vom 9. Juli 2002 IX R 47/99 (BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580) vermag den vom FG herausgehobenen Grundsatz nicht zu stützen. Selbst wenn man der im zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Vermietungstätigkeit ausgesprochenen Kündigung wegen Eigenbedarfs in gleicher Weise wie dem im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb durchgeführten Verkauf eine Indizfunktion zubilligen wollte, so ist dieses Beweisanzeichen für eine von vornherein gegebene Selbstnutzungsabsicht nicht ergiebig, wenn aufgrund eines nachträglich gefassten Entschlusses der Vertrag gekündigt wird. Im Streitfall ist aber unstreitig, dass der Kläger sich zur Kündigung des Mietvertrages erst --und damit nachträglich-- entschieden hatte, als sich die schwere Erkrankung der Klägerin herausstellte, die die Kläger dazu zwang, beide Haushalte in A zusammenzuführen. Die Erwägung, die Vertragspartner seien das Mietverhältnis nur "vorläufig" eingegangen, ist nicht verifiziert und vom FG letztlich auch seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt worden.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird eine in sich widerspruchlose Würdigung nachzuholen haben. Hier muss es zunächst prüfen, ob es den Mietvertrag des Klägers mit seinem Sohn steuerrechtlich überhaupt zugrunde legen kann. Es wird also die zunächst offen gelassene Frage klären müssen, ob der Mietvertrag lediglich zum Schein abgeschlossen worden ist (§ 41 Abs. 2 der Abgabenordnung). Ferner wird es zu entscheiden haben, ob der Vertrag dem Fremdvergleich entspricht. Ist der Mietvertrag auch steuerrechtlich anzuerkennen, wird zu klären sein, ob der Kläger damit seine Vermietungstätigkeit auf Dauer ausgerichtet hat. Ist das zu bejahen, so ist das als später eintretender Umstand auch für die Streitjahre als Indiz zu würdigen und es bedarf weiterer Tatsachen, um zu beurteilen, warum der Kläger nicht schon in den Streitjahren beabsichtigt haben sollte zu vermieten. In diesem Zusammenhang wird das FG indes auch Umstände zu ermitteln haben, aus denen sich ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Klägers nach Fertigstellung der Baumaßnahmen bereits ab dem Streitjahr 2002 (z.B. Vermietungsanzeigen usw.) ergeben.



Ende der Entscheidung

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