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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: IX R 65/07
Rechtsgebiete: FördG, HGB


Vorschriften:

FördG § 3 S. 1
FördG § 3 S. 2 Nr. 3
FördG § 4 Abs. 3
HGB § 255 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit Kaufvertrag vom Februar 1995 das ca. 1890 errichtete Gebäude in X (Besitzübergang April 1996) und baute das ehemalige Scheunengebäude bis zum Jahr 2000 zu einem Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten um (im Ober- und Dachgeschoss vier Maisonettenwohnungen in den Jahren 1996 bis 1998, im Erdgeschoss zwei weitere Wohnungen in den Jahren 1999 und 2000). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2001 die vom Kläger geltend gemachte Restwertabschreibung gemäß § 4 Abs. 3 des Fördergebietsgesetzes (FördG) von 76 384 DM nicht. Der u.a. hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt und änderte den Einkommensteuerbescheid entsprechend.

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts: Da eine Neuherstellung vorliege, komme eine Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG nicht in Betracht.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er wendet sich gegen die Annahme eines bautechnischen Neubaus.

II.

Die Revision ist begründet; die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG angewandt und die Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG angesetzt.

1.

Steuerpflichtige, die begünstigte Investitionen im Fördergebiet durchführen, sind zur Vornahme von Sonderabschreibungen nach § 4 FördG berechtigt, sofern die Tatbestände der §§ 1 bis 3 FördG erfüllt sind (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. September 2007 IX R 31/05, BFH/NV 2008, 762, m.w.N.). Nach § 3 Satz 1 FördG sind sowohl die Anschaffung und Herstellung als auch Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten an einem abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgut begünstigt. Die Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG kann der Steuerpflichtige aber nur bei Herstellungskosten, die für nachträgliche Herstellungsarbeiten i.S. des § 3 Satz 1 FördG aufgewendet worden sind, und bei Anschaffungskosten, die auf Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten i.S. des § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG entfallen, in Anspruch nehmen, nicht aber, wenn er ein abnutzbares unbewegliches Wirtschaftsgut anschafft oder neu herstellt.

a)

Nach dem für das Fördergebietsgesetz ebenso wie für das Eigenheimzulagengesetz und die frühere Wohneigentumsförderung in § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltenden Begriff der Anschaffung i.S. von § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB-- (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 762) gehören zu den Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Liegt eine Herstellung vor, gehören zu den Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

b)

Ist ein Anschaffungsvorgang zu bejahen, können angesichts der damit verbundenen Zuordnung des Aufwands zu den Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB keine Modernisierungsmaßnahmen oder nachträgliche Herstellungsarbeiten gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 Satz 2 Nr. 3 FördG vorliegen. Entsprechendes gilt, wenn Wohnungen durch die neuen Eigentümer selbst geschaffen (i.S. des § 255 Abs. 2 HGB "hergestellt") werden. Auch dann können die entsprechenden Aufwendungen nicht als nachträgliche Herstellungskosten oder Modernisierungsaufwendungen angesehen werden, weil es sich dann nicht um nachträgliche, sondern um erstmalige Herstellungsaufwendungen handelt (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 762). Eine erstmalige Herstellung einer Wohnung ist gegeben, wenn eine neue, bisher nicht vorhandene Wohnung nicht nur rechtlich, sondern tatsächlich --durch Baumaßnahmen-- geschaffen wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 762, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).

2.

Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht die Voraussetzungen einer Restwertabschreibung gemäß § 4 Abs. 3 FördG bejaht.

Zutreffend geht das FG davon aus, dass die dem Kläger entstandenen Aufwendungen Anschaffungskosten i.S. von § 255 Abs. 1 HGB darstellen. Denn zu den Anschaffungskosten zählen auch Aufwendungen, die erforderlich sind, um das Wirtschaftsgut --vorliegend das erworbene Stallgebäude-- bestimmungsgemäß --im Streitfall zur Erzielung von Vermietungseinkünften-- nutzen zu können. Unzutreffend zieht das FG den Anschaffungskostenbegriff jedoch bei der Abgrenzung der in § 3 Satz 1 FördG verwendeten Tatbestandsmerkmale der Anschaffung, Herstellung und nachträglichen Herstellungsarbeiten nicht heran. Indem das FG als Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern i.S. von § 3 Satz 1 FördG nur die bautechnische Neuherstellung begreift, qualifiziert es unzutreffend andere zu Herstellungskosten führende Maßnahmen als nachträgliche Herstellungsarbeiten, die zu einer Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG berechtigen. Demgegenüber kommt es im Streitfall entscheidend darauf an, dass das Gebäude vor dem Umbau nicht zu Wohnzwecken genutzt wurde. Denn Herstellen einer Wohnung auch i.S. von § 3 Satz 1 FördG bedeutet insbesondere das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2006 IX R 19/05, BFHE 215, 467, BStBl II 2007, 693, m.w.N.).

3.

Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Eine Restwertabschreibung steht dem Kläger nicht zu. Zwar hat das FG seiner Entscheidung den Umstand, dass das Gebäude vor dem Umbau nicht zu Wohnzwecken genutzt wurde, nicht zugrunde gelegt. Jedoch ist dies den finanzgerichtlichen Feststellungen zu entnehmen.

Ende der Entscheidung

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