Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.08.2002
Aktenzeichen: IX R 68/00
Rechtsgebiete: EStG, FGO, HGB, WertV


Vorschriften:

EStG § 7 Abs. 4
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 10e Abs. 2
EStG § 10e Abs. 6
FGO § 68
HGB § 255 Abs. 1 Satz 1
WertV §§ 13 f.
WertV § 14 Satz 1
WertV § 21 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden in den Streitjahren 1989 und 1990 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Der Kläger erwarb im November 1988 ein Grundstück, das mit einer zweigeschossigen Jugendstilvilla nebst Außenanlagen bebaut ist, für 485 362 DM. Hof- und Gebäudefläche sind 428 qm, der mit Bäumen bestandene Garten 1 733 qm groß. Die Wohnung im Erdgeschoss und die Büroräume im Erdgeschoss wurden vermietet. Die Wohnung im ersten Obergeschoss wird seit Dezember 1989 und die Räume im Dachgeschoss werden nach erfolgter Renovierung von den Klägern und ihren beiden Kindern bewohnt.

Die Kläger gingen bei der Aufteilung des Kaufpreises auf den Grund und Boden und das Gebäude einem Gutachten der X-Bank folgend von einem Bodenwert von 117 000 DM aus; die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten ermittelten sie in ihrer Einkommensteuererklärung 1989 mit 365 810 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging demgegenüber einem Gutachten des Gutachterausschusses des Landkreises folgend von einem Verkehrswert des Gebäudes von 347 000 DM sowie des Grund und Bodens von 293 000 DM aus und teilte den Kaufpreis von 485 362 DM entsprechend in einen Gebäudewert von 263 163 DM (54,22 v.H.) sowie den Wert des Grund und Bodens von 222 199 DM (45,78 v.H.) auf.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1989 ermittelten die Kläger einen Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 38 368 DM. Daneben machten die Kläger den Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 12 234 DM und den Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 47 842 DM geltend. Das FA ermittelte demgegenüber einen Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7 614 DM und einen Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 11 119 DM. Dabei behandelte es Aufwendungen für Instandsetzungsarbeiten in Höhe von 63 469 DM (davon 30 227 DM als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 EStG und 33 242 DM als Kosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG geltend gemacht) als anschaffungsnahe Herstellungskosten.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1990 ermittelten die Kläger einen Überschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 14 638 DM. Daneben machten sie den Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 12 022 DM geltend. Das FA ermittelte demgegenüber einen Überschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 15 165 DM und den Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 EStG mit 12 402 DM.

Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, mit der sie insbesondere geltend machten, das FA habe einen Abschlag vom Bodenrichtwert vornehmen müssen, weil die tatsächliche bauliche Nutzung hinter der rechtlich zulässigen Nutzung zurückgeblieben sei. Nur 428 qm seien bebaut; das Gartenland (1 733 qm) dürfe wegen der vorhandenen Bebauung und wegen des Baumbestands nicht als Bauland bewertet werden. Ferner seien die Aufwendungen für die Instandsetzung nicht als Herstellungskosten zu qualifizieren, weil sie nicht 20 v.H. der Anschaffungskosten des Gebäudes ausmachten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Das FA hat am 20. September 2000 für die Streitjahre Änderungsbescheide erlassen. Die Kläger haben gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt, die geänderten Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4, § 10e Abs. 1 und 6 EStG; § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches --HGB--; § 13 Abs. 2 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung --WertV--) und formellen Rechts (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO).

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die geänderten Einkommensteuerbescheide der Jahre 1989 und 1990 vom 20. September 2000 dahin gehend zu ändern, dass im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 30 754,77 DM für das Jahr 1989 und 527,63 DM für das Jahr 1990 berücksichtigt werden, sowie der Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG um 1 115 DM für 1989 erhöht und um 168 DM für 1990 gemindert und der Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 6 EStG für 1989 um 33 242,77 DM erhöht wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks erneuter Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die streitigen Aufwendungen allein wegen ihrer Höhe und der zeitlichen Nähe zur Anschaffung als Herstellungskosten gewertet. Die Feststellungen des FG erlauben ferner keine Entscheidung darüber, ob bei der Aufteilung des Kaufpreises auf Grund und Boden und Gebäude die tatsächlichen Eigenschaften des Grund und Bodens hinreichend berücksichtigt worden sind.

1. Aufwendungen, die --wie die hier streitigen-- entweder durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), oder vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen (10e Abs. 6 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder sog. Vorkosten (§ 10e Abs. 6 EStG) sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 HGB (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968). Für § 10e EStG gilt dies entsprechend.

Allein die Höhe der Aufwendungen und ihre Nähe zur Anschaffung des Gebäudes führen noch nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten (BFH-Urteile in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, und vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966).

Nach den Feststellungen des FG sind die Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung der Wohnungen durch den Kläger durchgeführt worden. In diesem Fall stellt sich lediglich die Frage, ob die Aufwendungen Anschaffungskosten oder sofort abziehbare Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG sind. Herstellungskosten scheiden in diesem Fall aus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II.2.b aa).

a) Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.

Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: Wohngebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II.2.b aa).

aa) Soll das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard das Gebäude entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen, die das Gebäude auf einen höheren Standard bringen, machen es betriebsbereit, ihre Kosten führen zu Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB. Für den Standard eines Wohngebäudes ist neben der Größe, dem Zuschnitt und der Anzahl der Räume vor allem die Ausstattung und Qualität der Einrichtungen ausschlaggebend, die den Gebrauchswert (das Nutzungspotential) einer Wohnung bestimmen. Dazu zählen vor allem die Installationen (Heizung, Sanitär, Elektro) und Fenster. Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes, deren Schwerpunkt nicht die Reparatur und Ersetzung des Vorhandenen, sondern die funktionserweiternde Ergänzung dieser wesentlichen Bereiche der Wohnungsausstattung zum Gegenstand haben, können den Standard eines Gebäudes erhöhen. Voraussetzung ist jedoch ferner, dass das Nutzungspotential bei mindestens drei dieser Bereiche deutlich erhöht wird. Ist das der Fall, ist eine Standarderhöhung anzunehmen; die Aufwendungen für diese und die damit bautechnisch zusammenhängenden Baumaßnahmen sind Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 HGB (vgl. im Einzelnen BFH in BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II.2.b aa).

bb) Für die Abgrenzung der Anschaffungskosten von den sog. Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. allgemein zu den Begriffen Anschaffungs- und Herstellungskosten in § 10e EStG BFH-Urteil vom 23. September 1992 X R 10/92, BFHE 169, 331, 334, BStBl II 1993, 338). Das gilt auch für das Merkmal "betriebsbereit" in § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB. Wenn der Erwerber das Gebäude ganz oder zum Teil selbst bewohnen will, dann führen ebenfalls nur die oben unter II.1.a) aa) genannten Baumaßnahmen zu Anschaffungskosten; sie können dann nur gemäß § 10e Abs. 1 oder 2 EStG berücksichtigt werden.

cc) Werden Räume eines Wohnhauses vor der erstmaligen Nutzung nach dem Erwerb zu Büroräumen umgestaltet, dann können derartige Baumaßnahmen zu Anschaffungskosten unter dem Gesichtspunkt des Betriebsbereit-Machens (§ 255 Abs. 1 Satz 1 HGB) führen. Voraussetzung ist in diesem Fall nicht eine Standarderhöhung der Räume. Betriebsbereit unter dem Gesichtspunkt ihrer geänderten Zweckbestimmung werden die Räume vielmehr durch Baumaßnahmen gemacht, die die typischen Voraussetzungen für die Nutzung als Büro schaffen, z.B. im Bereich der Elektroinstallation. Reparaturen, vor allem Schönheitsreparaturen, die das Vorhandene in seiner Funktion nicht ändern, machen einen Raum oder ein Gebäude auch in diesem Fall nicht betriebsbereit, es sei denn, die Reparaturen stellen die Funktionsfähigkeit des Gebäudes wieder her (vgl. dazu Urteil vom heutigen Tage IX R 70/00, DB 2003, 314).

b) Ob die Kosten der Baumaßnahmen im Streitfall als Anschaffungskosten oder sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu werten sind, vermag der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht abschließend zu entscheiden. Das FG hat --von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig-- keine Feststellungen getroffen, welcher Art die Baumaßnahmen waren, die zu den streitigen Aufwendungen geführt haben. Der Senat kann als Revisionsgericht diese Feststellungen nicht selbst nachholen (§ 118 Abs. 2 FGO).

2. Das FG hat auch die Bemessungsgrundlage der Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4 EStG sowie des Abzugsbetrags gemäß § 10e Abs. 1 EStG nicht rechtsfehlerfrei ermittelt, soweit sie auf der Bewertung des Grund und Bodens beruhen.

a) Zu Recht hat das FG die Wertermittlungsverordnung vom 6. Dezember 1988 (BGBl I 1988, 2209) zugrunde gelegt. Der Bodenwert ist auch zu Recht gemäß § 21 Abs. 2 WertV im Vergleichswertverfahren (§§ 13 f. WertV) ermittelt worden. Er kann, entgegen der Auffassung der Revision, bei einem bebauten Grundstück für den Grund und Boden gesondert ermittelt werden (vgl. § 2 Satz 2, § 21 Abs. 1 WertV). Anders als die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 1989 haben FA und FG die Aufteilung des Kaupreises zu Recht nicht nach der sog. Restwertmethode vorgenommen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Oktober 2000 IX R 86/97, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, m.w.N.).

b) Ob das FG die wertbeeinflussenden Merkmale des Grundstücks in hinreichender Weise gemäß § 14 Satz 1 WertV berücksichtigt hat, vermag der Senat nicht zu entscheiden. Entgegen der Revision hat es dabei allerdings die besondere Größe des Grundstücks und damit die im Verhältnis zu den Vergleichsgrundstücken geringere Nutzbarkeit berücksichtigt. Für die getrennte Bewertung des Gartenlandes besteht danach kein Anlass.

Die Tatsache, dass das vorhandene Gebäude unter Denkmalschutz steht, ist bei der Bewertung des Gebäudes durch einen Abschlag von 20 v.H. berücksichtigt worden. Beim Grund und Boden hat das FA und ihm folgend das FG zwar ausdrücklich abgelehnt, diesen Umstand --anders als der Gutachterausschuss in seinem ergänzenden Gutachten vom 18. Juni 1995 (a.E.)-- wertmindernd zu berücksichtigen. Andererseits hat das FA neben dem Abschlag von 60 DM/qm einen weiteren Abschlag von 20 v.H. vorgenommen, indem es für den Grund und Boden lediglich einen Verkehrswert von 293 000 DM angesetzt hat. Dieser Betrag ergibt sich, wenn von 367 370 DM (d.i. 2 161 qm x 170 DM), wobei bereits die Größe des Grundstücks, die Nachbarschaft zu einer niedriger bewerteten Zone und die Emissionen berücksichtigt sind, 20 v.H. (d.i. 73 474 DM) abgezogen werden.

Es ist ferner nicht erkennbar, ob das FG in seine Bewertung des Grund und Bodens die Tatsache mit einbezogen hat, dass sich auf dem Grundstück ein alter Baumbestand befindet. Sollte er Grund dafür sein, dass der Gartenanteil tatsächlich --unabhängig von der Bebaubarkeit nach dem Bebauungsplan, möglicherweise aufgrund einer örtlichen Satzung-- nicht bebaut werden kann (vgl. § 5 Abs. 5 WertV "tatsächliche Nutzung und Nutzbarkeit"), dann müsste dieser Umstand bei der Bewertung berücksichtigt werden. Das FG erwähnt in den Urteilsgründen zwar die "weiteren Einwände" der Kläger, es ergibt sich aber nicht, ob es diesem Umstand Rechnung getragen hat. Auch diese Bewertung kann der Senat nicht selbst vornehmen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

3. Die Sache geht an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang sind Feststellungen zu Art und Umfang der Baumaßnahmen zu treffen sowie dazu, ob und in welchem Umfang die Bebaubarkeit des Grundstücks wegen der bestehenden Bepflanzung eingeschränkt und der Grund und Boden deswegen niedriger als bisher zu bewerten ist.

Da die Sache zurückverwiesen wird, erübrigt sich eine Entscheidung zu den geltend gemachten Verfahrensfehlern.

Ende der Entscheidung

Zurück