Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: IX R 89/07
Rechtsgebiete: FGO, AO, EStG i.d.F. des JStG 2007, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
AO § 181 Abs. 5 S. 1
EStG i.d.F. des JStG 2007 § 10d Abs. 3 S. 1
EStG i.d.F. des JStG 2007 § 52 Abs. 25 S. 5
EStG § 17 Abs. 1
EStG § 17 Abs. 2
EStG § 17 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war an einer GmbH beteiligt. Im August 1995 lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen dieser GmbH mangels Masse ab. Der Kläger wurde für das Streitjahr (1995) nicht zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Juni 2003 beantragte der Kläger wegen seines Verlusts aus der Beteiligung an der GmbH die gesonderte Feststellung des zum 31. Dezember 1995 verbleibenden Verlustabzugs. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Antrag ab, weil für die Einkommensteuer 1995 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst (DStRE) 2008, 651, veröffentlicht. Das FG führte im Wesentlichen aus, einer gesonderten Feststellung des zum 31. Dezember 1995 verbleibenden Verlustabzugs stehe der Ablauf der Feststellungsfrist entgegen; § 10d Abs. 4 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2878) schließe die Anwendung des § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) aus.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil und den Ablehnungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1995 in Höhe von 1 015 154,19 DM gesondert festzustellen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass § 10d Abs. 4 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des JStG 2007 im Streitfall die Anwendbarkeit des § 181 Abs. 5 AO ausschließt.

1.

Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug ist auch dann gemäß § 10d Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) gesondert festzustellen, wenn --wie im Streitfall-- eine Einkommensteuerveranlagung für das Verlustentstehungsjahr nicht durchgeführt wurde und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr durchgeführt werden darf (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. März 2006 XI R 33/04, BFHE 212, 497, BStBl II 2007, 919, und vom 2. August 2006 XI R 65/05, BFHE 214, 492, BStBl II 2007, 921).

2.

Der zum 31. Dezember 1995 verbleibende Verlustabzug ist nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO auch nach Ablauf der für seine gesonderte Feststellung geltenden Feststellungsfrist gesondert festzustellen, wenn dies für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681, m.w.N.).

a)

§ 181 Abs. 5 Satz 1 AO kommt für die gesonderte Feststellung des zum 31. Dezember 1995 verbleibenden Verlustabzugs in Betracht, weil die für sie geltende Feststellungsfrist abgelaufen ist; sie begann mit Ablauf des Kalenderjahres 1998 --der Kläger hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Feststellungserklärung (vgl. § 181 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 AO) eingereicht-- und endete mit Ablauf des Jahres 2002 (vgl. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO).

b)

Die Vorschrift ist im Streitfall nicht unter der einschränkenden Voraussetzung des § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des JStG 2007 anzuwenden, dass die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat. Denn die Anwendungsregelung des § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des JStG 2007 ist ihrerseits im Streitjahr nicht anwendbar. Gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des JStG 2007 gilt § 10d Abs. 4 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des JStG 2007 (nur) für alle bei Inkrafttreten des JStG 2007 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen; das JStG 2007 ist am 19. Dezember 2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 20 Abs. 1 JStG 2007). Im Streitfall war die Feststellungsfrist aber --wie ausgeführt-- mit Ablauf des Jahres 2002 abgelaufen. § 181 Abs. 5 Satz 1 AO bewirkt nach seinem Wortlaut --anders als die in § 171 AO getroffenen Regelungen-- keine Ablaufhemmung der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist, sondern ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen den Erlass eines Feststellungsbescheides mit eingeschränktem Regelungsgehalt, obwohl die Feststellungsfrist bereits abgelaufen ist (BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156; a.A. offenbar Bundesministerium der Finanzen, BStBl I 2007, 825, unter II.).

3.

Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe ein Auflösungsverlust des Klägers gemäß § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG im Streitjahr entstanden ist, und ob die gesonderte Feststellung des zum 31. Dezember 1995 verbleibenden Verlustabzugs für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück