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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.03.2006
Aktenzeichen: V B 11/04
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, UStG, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 35
AO 1977 § 42
ZVG § 13 Abs. 4 Satz 1
ZVG § 22 Abs. 1 Satz 2
FGO § 96
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3
UStG § 10 Abs. 1 Satz 2
UStG § 17 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 362
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war Eigentümerin eines mit mehreren vermieteten Gebäuden bebauten Grundstücks. Ein Betriebsgebäude war unter Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit vermietet an eine Autofirma, ein Bürogebäude war umsatzsteuerfrei an das Land vermietet. Ein Hotelgebäude vermietete die Klägerin unter Verzicht auf die Umsatzsteuerfreiheit zunächst an eine GbR, dann --weil ein geplanter Erweiterungsbau nicht fertig gestellt war-- zum gleichen Pachtzins mit Vertrag vom 20. Juni 1995 an eine GmbH. Dieser Vertrag wurde vorzeitig aufgelöst und die Klägerin verpachtete das Hotelgebäude ab dem 1. Oktober 1998 unter Verzicht auf die Pacht für Oktober an die M-GmbH. In diesem Pachtvertrag trat zum 1. September 1998 die Z-GmbH als Pächterin ein.

Mit einer als "Forderungsabtretung" überschriebenen Erklärung vom 28. Januar 1997 trat die Klägerin der X-Bank ihre monatliche Forderung inklusive Umsatzsteuer zunächst nur aus dem Pachtvertrag vom 20. Juni 1995 (Hotel), mit Erklärung vom 26. August 1998 alle ihr aus der Vermietung/Verpachtung der genannten Grundstücke zustehenden gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche zur Sicherung aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegen alle gegenwärtigen und zukünftigen Mieter ab. In der Vereinbarung verpflichtete sich die Klägerin u.a., auf Verlangen des Kreditinstituts die Mietverträge einschließlich aller Nachträge vorzulegen, alle Änderungen, die das Miet-/Pachtverhältnis betreffen, dem Kreditinstitut unverzüglich mitzuteilen und bei Änderungen, die die Rechte des Kreditinstitutes beeinträchtigen könnten, die vorherige Zustimmung des Kreditinstituts einzuholen. Hinsichtlich des auslaufenden Pachtvertrages mit der Z-GmbH verpflichtete sich die Klägerin, eine Kopie des Vertrages mit dem neuen Pächter nach Unterzeichnung der X-Bank einzureichen. Die Klägerin teilte dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Januar 2000 mit, dass die X-Bank die Abtretung den Mietern und der Pächterin am 26. November 1998 offen gelegt habe.

Im Mai 1999 traf die Klägerin mit der Pächterin des Hotelgebäudes eine Vereinbarung zur Neuordnung des Pachtverhältnisses; wegen des nicht fertig gestellten Erweiterungsbaus war u.a. eine Mietminderung und die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines pauschalen Schadensersatzes vereinbart. Der Vertrag stand ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass mit der X-Bank eine Vereinbarung über die Restfinanzierung des Erweiterungsbaus erzielt werde. Hierzu kam es nicht.

Durch Beschluss vom 29. Dezember 1999 wurde die Zwangsverwaltung über das Bürogrundstück und Hotelgrundstück angeordnet; der Zwangsverwalter nahm den Grundbesitz am 5. Januar 2000 in Besitz. Im Dezember 2001 wurde über das Vermögen der Z-GmbH, der Pächterin, das Insolvenzverfahren eröffnet. Schließlich wurde mit Beschluss vom 19. April 2002 die Zwangsverwaltung auch in Bezug auf das Betriebsgrundstück angeordnet.

In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1998 und 1999 gab die Klägerin --abweichend von den Voranmeldungen-- die Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung der drei Gebäude mit 0 DM an; sie war der Auffassung, nach Offenlegung der Abtretung der Rechte aus den Verträgen sei die X-Bank als Alleinberechtigte zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen sowie zur Zahlung der geschuldeten Umsatzsteuer verpflichtet gewesen. Dem folgte das FA in den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre (1998 und 1999) nicht.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat im Wesentlichen die Auffassung, die Klägerin sei in den Streitjahren bis zum Wirksamwerden der Anordnung der Zwangsverwaltung Steuerschuldnerin der von ihr ausgeführten Vermietungsumsätze. Die Abtretungen hätten die X-Bank lediglich zur Einziehung des Miet- bzw. Pachtzinses berechtigt, jedoch nicht zum (mittelbaren) Besitz und zur Nutzungsüberlassung der Grundstücke. Die X-Bank sei nicht als Vermieterin in die bestehenden Pacht- bzw. Mietverhältnisse eingetreten. Die Abtretung der Miet-/Pachtzinsforderungen berühre die Eigenschaft der Klägerin als Steuerschuldnerin nicht. Die Klägerin könne sich auch nicht auf das Fehlen von Mitteln zur Tilgung der Steuerrückstände berufen, wenn dieses Fehlen seine Ursache in der Vorausabtretung an andere Gläubiger habe. Unbeachtlich sei insoweit, ob die Abtretung der Mietforderungen inklusive Umsatzsteuer eine sittenwidrige Knebelung der Klägerin dargestellt habe.

Die X-Bank sei aufgrund der Abtretung der Miet-/Pachtzinsforderungen nicht Verfügungsberechtigte i.S. des § 35 der Abgabenordnung (AO 1977) geworden. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, berühre dies die Stellung der Klägerin als Steuerschuldnerin nicht.

Auch hinsichtlich der Höhe seien die Steuerbescheide nicht zu beanstanden. Die Abtretung der Forderungen beeinflusse nicht die Höhe des Entgelts. Die Bemessungsgrundlage habe sich jedenfalls in den Streitjahren 1998 und 1999 weder durch eine wirksame Vereinbarung über die Minderung des Mietzinses noch durch einen berechtigten Anspruch auf Minderung geändert. Anhaltspunkte dafür, dass bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Pächterin am 19. Dezember 2001 die Forderungen uneinbringlich gewesen seien, lägen nicht vor. Die Klägerin selbst sei offenbar im Jahr 2001 noch von der Beitreibbarkeit der Forderung ausgegangen; dies bestätige ihr Antrag vom 19. Juli 2001, den Zwangsverwalter zu entlassen, weil dieser pflichtwidrig die rückständige Pacht nicht geltend gemacht habe. Diesen Antrag habe das Amtsgericht aus anderen Gründen und nicht deshalb abgelehnt, weil die Geltendmachung ohnehin nicht Erfolg versprechend gewesen sei.

Auch der Zwangsverwalter scheide als Steuerschuldner aus, denn die Umsatzsteuerschulden beträfen die Zeiträume vor Wirksamwerden der Zwangsverwaltung. Maßgeblich sei im Streitfall nach § 13 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) die Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den letzten Gesamthänder (hier der 11. Januar 2000).

Auch die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Leistungsempfängers für die Umsatzsteuer nach § 42 AO 1977 lägen nicht vor.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Gemäß § 116 Abs. 3 FGO müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.

1. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung begehrt, hat sie die Abweichungen nicht --wie erforderlich-- schlüssig dargelegt. Dazu hätte sie jeweils einen tragenden abstrakten Rechtssatz des angefochtenen FG-Urteils und die ebenfalls tragenden Rechtsausführungen der Divergenzentscheidungen so herausarbeiten und gegenüberstellen müssen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2002 V B 88/01, BFH/NV 2002, 748; vom 26. März 2003 III B 92/02, BFH/NV 2003, 939). Daran fehlt es.

Die Klägerin zitiert zwar aus Entscheidungen des BFH abstrakte Rechtssätze; hierzu macht sie im Wesentlichen jedoch lediglich geltend, dass das FG daraus die falschen Folgerungen gezogen habe und erläutert weiter, weshalb bei Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts das FG zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen.

2. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung liegen nicht vor.

Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert ggf. unter Auseinandersetzung mit dem zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (BFH-Beschlüsse vom 1. September 2004 II B 156/03, BFH/NV 2005, 71, und vom 7. März 2005 II B 49/04, BFH/NV 2005, 1335, jeweils m.w.N.).

Die Klägerin trägt vor, grundsätzliche Bedeutung habe die Rechtsfrage, "ob bei Betrug und Veruntreuung das Opfer Schuldner der Umsatzsteuer ist, die als Teil eines Entgelts vom Dritten an den Betrüger bzw. Veruntreuer gezahlt wird".

Weshalb diese Rechtsfrage sich anhand der gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung hierzu nicht beantworten lässt, legt die Klägerin nicht dar.

Mit Urteil vom 27. Mai 1987 X R 2/81 (BFHE 150, 375, BStBl II 1987, 739) hat der BFH entschieden, dass als Aufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auch Zahlungen an Dritte in Betracht kommen, sofern sie für Rechnung des leistenden Unternehmers entrichtet werden und im Zusammenhang mit dessen Leistung stehen. Im Beschluss vom 15. Juli 1997 V B 122/96 (BFH/NV 1998, 499) hat der BFH entschieden, dass die Abtretung einer Forderung auf die Höhe des Entgelts keinen Einfluss hat, und im Übrigen auf § 17 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG hingewiesen. Nach § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger (§ 362 Abs. 1 BGB) bewirkt wird; gleiches gilt, wenn mit Einwilligung des Berechtigten an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet wird (vgl. § 362 Abs. 2 BGB). Auch zivilrechtlich ist geklärt, dass nach deutschem Zivilrecht wegen des Abstraktionsprinzips das Verfügungsgeschäft (z.B. eine Forderungsabtretung) grundsätzlich unabhängig ist vom schuldrechtlichen Grundgeschäft, dessen Erfüllung es dient, und das Abstraktionsprinzip nur dann durchbrochen wird, wenn der Mangel, der zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäftes führt, auch dem Erfüllungsgeschäft anhaftet (z.B. Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 26. November 1990 II ZR 92/90, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 1414). Ohne sich mit den rechtlichen Grundlagen und der Rechtsprechung hierzu auseinander zu setzen trägt die Klägerin lediglich vor, derartige Handlungen träten jährlich tausendfach in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) auf und erläutert, weshalb es ihrer Meinung nach eine Vielzahl derartiger Täuschungskredite bei ... Banken gegeben habe und anzunehmen sei, dass das "...modell" in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle in der ganzen Bundesrepublik durchgeführt worden sei.

3. Die Klägerin macht als Fehler von erheblichem Gewicht geltend, das FG habe sich nicht mit dem vorgetragenen Sachverhalt auseinander gesetzt, sondern einen eigenen "bereinigten" Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

a) Soweit sie in diesem Zusammenhang die fehlerhafte Wiedergabe ihres "Antrags vom 19. 7. 2001" --betreffend die Entlassung des Zwangsverwalters-- rügt, fehlt es an einer schlüssigen Rüge eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

Einwendungen gegen die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu rügen, sondern müssen ggf. zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 2005 VII B 38/04, BFH/NV 2005, 1496, m.w.N.).

b) Sollte hierin eine Rüge eines Verstoßes gegen § 96 FGO zu sehen sein, wäre auch dieser Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt. Auch insoweit enthält ihr Vortrag im Kern lediglich den Vorwurf einer fehlerhaften Würdigung des Sachverhalts, mit der ein Verfahrensmangel regelmäßig nicht begründet werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 2002 VII B 110/02, BFH/NV 2003, 659; vom 9. Januar 2004 V B 140/03, BFH/NV 2004, 543; vom 12. Juli 2004 V B 236/03, BFH/NV 2004, 1660).

c) Auch soweit die Klägerin im Übrigen darlegt, weshalb ihrer Auffassung nach das FG den konkreten Sachverhalt unzutreffend entschieden hat, rechtfertigt dies, wenn hier nicht einer der in § 115 Abs. 2 FGO bezeichneten Zulassungsgründe vorliegt, keine Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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