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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.01.2004
Aktenzeichen: V B 132/03
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 39 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) begehrt bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für 1997 den Abzug von 30 525 DM als Vorsteuer aus einer Pro-forma-Rechnung vom 15. Mai 1993, die die D-GmbH über die Lieferung des Grundstücks Z-Straße 2 in X ausgestellt hatte. Nach dem Inhalt der Rechnung sollte diese Gültigkeit erlangen, wenn der Kaufvertrag vom 10. November 1992 durchgeführt worden war und die Klägerin im Grundbuch eingetragen worden war.

Bei Abschluss des erwähnten Kaufvertrages vom 10. November 1992 war die M-GmbH als Eigentümerin im Grundbuch des erwähnten Grundstücks eingetragen. Ein Grundstückskaufvertrag zwischen der M-GmbH und der D-GmbH war zwar am 9. April 1992 geschlossen, aber am 4. Mai 1995 wieder aufgehoben worden. Die M-GmbH verkaufte das Grundstück am selben Tag an den Geschäftsführer S der D-GmbH. Dieser wurde am 27. November 1995 auch als Eigentümer im Grundbuch des Grundstücks Z-Straße 2 eingetragen. Durch Urteil des Landgerichts (LG) vom 29. Dezember 1995 wurde die D-GmbH verurteilt, der Klägerin das Eigentum an dem Grundstück auf Grund des Vertrages vom 10. November 1992 zu verschaffen und S wurde verurteilt, die dazu erforderlichen Bewilligungserklärungen abzugeben. Daraufhin einigte sich die Klägerin in einem notariellen Vertrag vom 24. Oktober 1996 mit S über die Veräußerung des Grundstücks und regelte die Zahlungspflicht neu. Der Kaufpreis war nunmehr an S zu zahlen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ließ den Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 15. Mai 1993 über 203 000 DM und 30 525 DM Umsatzsteuer, die die D-GmbH über die Lieferung des Grundstücks Z-Straße 2 in X ausgestellt hatte, in dem angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheid für 1997 vom 10. Februar 1999 nicht mehr zum Abzug zu. Es wies den Einspruch durch die Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2002 zurück.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. In den Urteilsgründen führte es u.a. aus, das FA habe den Vorsteuerabzug aus der Pro-forma-Rechnung vom 15. Mai 1993 zu Recht versagt, weil die D-GmbH das Grundstück nicht geliefert habe und S, der als Lieferer anzusehen sei, weder eine Rechnung erteilt noch einen Verzicht auf die Steuerfreiheit der Grundstückslieferung erklärt habe.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) der Vorentscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keine Rechtsfrage hervorgehoben, die zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung verpflichtet (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln.

Hierzu muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung, ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, konkret auf die Rechtsfrage eingehen, ihre über den Streitfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit dartun und ferner ausführen, warum die Frage zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für die Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1999 III B 91/98, BFH/NV 1999, 1122, m.w.N.).

Die Klägerin hat keine klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsfragen hervorgehoben. Sie hat zwar als klärungsbedürftig angesehen, ob die Zurechnung eines Wirtschaftsguts zum zivilrechtlichen Eigentümer auch in den Fällen erfolgen könne, in denen dessen Möglichkeiten derart eingeschränkt seien, dass dieser über sein Eigentum nicht mehr verfügen könne.

Diese Frage stellt sich aber deswegen nicht, weil das FG entsprechende Feststellungen nicht getroffen hat. Das FG hat nicht festgestellt, dass S als zivilrechtlicher Eigentümer über das Grundstück nicht habe verfügen können. Vielmehr hat das FG das Gegenteil festgestellt und verständlich dargelegt, dass S über sein Eigentum zu Gunsten der Klägerin dadurch verfügt hat, dass er ihnen das Grundstück geliefert hat.

Die ebenfalls als klärungsbedürftig beurteilte Rechtsfrage, ob S überhaupt als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen werden könne, begründet ebenfalls keinen Klärungsbedarf, weil die Grundsätze zur Lieferung geklärt sind und nicht an das wirtschaftliche Eigentum des Lieferers i.S. von § 39 Abs. 2 AO 1977 anknüpfen.

Eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne besteht vielmehr nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28. Januar 1999 V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628), die das FG beachtet hat, in der Verschaffung der Verfügungsmacht zugunsten des Leistungsempfängers (§ 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--). Das bedeutet, dass ihm Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen werden. Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 80/87, BFH/NV 1993, 634, unter 1., m.w.N.). Wenn die D-GmbH als Rechnungsaussteller eine schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin und einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den im Grundbuch als Grundstückseigentümer eingetragenen S gehabt haben sollte, der Klägerin das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, folgt daraus umsatzsteuerrechtlich nicht, dass die D-GmbH auch Lieferer des Grundstücks ist. Das gilt nach den vorhandenen Feststellungen insbesondere im Streitfall, in dem S den gegen ihn gerichteten schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsverschaffung auf Grund der notariellen Vereinbarungen vom 24. Oktober 1996 zwischen ihm und der Klägerin erfüllt hat.

2. Eine Zulassung kommt auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht.

a) Zur Fortbildung des Rechts ist keine Zulassung geboten. Der Streitfall bildet, was erforderlich wäre, keinen Anlass, höchstrichterliche Leitsätze für die rechtliche Beurteilung von typischen oder verallgemeinerungsfähigen Lebenssachverhalten zu bilden, weil eine richtungsweisende Orientierungshilfe bisher fehlt. Die umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze zur Lieferung eines Gegenstands sind geklärt und hängen nicht von der Beantwortung ab, wer im Einzelfall wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks war.

b) Soweit mit der Beschwerde die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Abweichung (Divergenz) von anderen Entscheidungen des BFH (Urteile vom 6. Dezember 1979 V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 167; vom 7. November 1991 IV R 43/90, BFHE 166, 329, BStBl II 1992, 398; vom 27. September 2001 X R 67/00, BFH/NV 2002, 327) erstrebt wird, ist sie unzulässig.

Die Klägerin hat keinen entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus den genannten Vergleichsentscheidungen des BFH bezeichnet. Nur wenn auf diese Weise unvereinbare abstrakte Rechtssätze bezeichnet werden, ist die Beschwerde wegen Divergenz zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2002 V B 164/01, BFH/NV 2003, 521).

Die Klägerin hat lediglich dargelegt, die Entscheidung des FG sei unrichtig, denn es hätte nach den erwähnten Entscheidungen zu einer anderen Beurteilung kommen müssen. Damit wendet sich die Klägerin gegen die Würdigung des FG, stellt aber keine unvereinbaren abstrakten Rechtssätze gegenüber.

3. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Ende der Entscheidung

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