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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.04.2003
Aktenzeichen: V B 145/02
Rechtsgebiete: UStG, FGO


Vorschriften:

UStG § 14 Abs. 3
UStG § 15
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 119 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt auf dem Schlachthof ein Unternehmen, dessen Gegenstand das Zerlegen von geschlachteten Tierkörpern und der Fleischgroßhandel ist.

Hierzu beschäftigt sie Arbeitnehmer und von ihr als "selbständig" behandelte Zerleger. Letztere zerlegten in Zusammenarbeit mit dem firmeneigenen Personal Schweinehälften auf der Zerlegestraße. Grundlage der Beschäftigung der Zerleger waren mündlich abgeschlossene Verträge, mit denen sich die einzelnen Zerleger verpflichteten, ab einem bestimmten Stichtag bestimmte Zerlegearbeiten für die Klägerin nach mündlicher Vorgabe über Menge und Zeit sowie Beginn und Ende der Tätigkeit pro Tag zu erbringen. In den Streitjahren 1992 und 1993 betrug die Vergütung 40 DM netto pro Stunde. Die vereinbarten Dienstleistungen hatten täglich zu erfolgen und mussten abgeschlossen werden. Ein Abbrechen der Tätigkeit war erst nach Abschluss der gesamten Vorgaben möglich. Die Abrechnung der Zerlegeleistungen erfolgte wöchentlich unter gesondertem Umsatzsteuerausweis, teilweise auch durch Gutschrift seitens der Klägerin.

Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Überzeugung, dass auch die nicht fest angestellten Zerleger bei der Klägerin nichtselbständig beschäftigt seien und deshalb nicht berechtigt gewesen seien, der Klägerin Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Gleichwohl gewährte das FA der Klägerin entsprechend einem Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Zerleger, soweit diese die von ihnen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer abgeführt hatten. Nach den Ermittlungen des FA war dies nicht der Fall bei den Zerlegern A, B, C und D. Das FA versagte deshalb der Klägerin bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 1992 und 1993 den Vorsteuerabzug, soweit sie für deren Leistungen den Vorsteuerabzug begehrte.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde, die sie auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.

Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). Die Beschwerde ist zu begründen; in der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).

1. Soweit die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, stützt sie ihre Beschwerde auf die Urteile des BFH vom 22. Februar 2001 V R 5/99 (BFH/NV 2001, 997) und des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 19. September 2000 Rs. C-454/98 --Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel-- (Slg. 2000, I-6973, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 470). Diese Entscheidung hat folgenden Tenor:

"Da die Sechste Richtlinie 77/388 keine Bestimmung über die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer durch den Aussteller der Rechnung enthält, ist es grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann. Hat der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens jedoch rechtzeitig und vollständig beseitigt, so verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, ohne dass eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Ausstellers der betreffenden Rechnung abhängig gemacht werden darf. Ist eine solche Gefährdung ausgeschlossen, so darf die Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer daher nicht im Ermessen der Finanzverwaltung stehen."

Die Klägerin meint, nach diesem Urteil sei bei Beseitigung der steuerlichen Gefährdung "eine Korrektur oder ggf. die Anerkennung der Vorsteuer geboten"; die Frage, ob jegliche Beseitigung der Gefährdungslage ausreiche, insbesondere für die Fälle, in denen freiwillig oder durch Vollstreckungsmaßnahme bezahlt worden sei, sei offen und bedürfe der Klärung durch den BFH.

Dem ist nicht zuzustimmen. Aus § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1991 und 1993 (UStG) ergibt sich eindeutig, dass nur die "von anderen Unternehmern" in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden kann, nicht aber die von einem Nichtunternehmer zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer. Das von der Klägerin herangezogene EuGH-Urteil beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Rechnungsaussteller, der dem Rechnungsempfänger zu Unrecht Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hat, die "zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer" berichtigen darf, nicht aber mit der Frage, ob der Rechnungsempfänger die ihm zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann. Diese Frage ist zu verneinen (vgl. EuGH-Urteil vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87 --Genius Holding--, Slg. 1989, 4227, UR 1991, 83, und die daran anknüpfende BFH-Rechtsprechung, z.B. Urteile in BFH/NV 2001, 997, und vom 11. April 2002 V R 26/01, BFHE 198, 238, UR 2002, 338, Wagner in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 15 Rz. 82). Einer erneuten Entscheidung des BFH hierzu bedarf es nicht.

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Soweit die Zerleger A, C und D --entgegen den Ermittlungen des FA-- die von ihnen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer abgeführt haben sollten, folgt daraus weder die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG noch ein Rechtsanspruch der Klägerin auf eine entsprechende Billigkeitsmaßnahme. Vielmehr folgt aus der oben genannten und von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BFH allenfalls ein Anspruch der Rechnungsaussteller auf Freistellung von ihrer nach § 14 Abs. 3 UStG begründeten Umsatzsteuerschuld. Die Rechtsprechung ist insoweit eindeutig und einheitlich, auch wenn die Finanzverwaltung weiter gehen sollte. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung wird hierdurch nicht berührt.

3. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen der von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler zuzulassen.

a) Die Klägerin rügt zu Unrecht, das FG habe seinen Beweisantrag betreffs die Zahlung der Umsatzsteuer durch die Zerleger A, B, C und D übergangen.

Hierin kann keine schlüssige Rüge eines Verfahrensfehlers gesehen werden, da bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, auf den materiellen Rechtsstandpunkt des FG abzustellen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. November 1992 IV R 109/90, BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235). Materiell stand das FG auf dem Rechtsstandpunkt, die Abführung der Umsatzsteuer durch die Zerleger könne nur für ein möglicherweise an das anhängige Klageverfahren anschließendes Billigkeitsverfahren von Bedeutung sein. Es hat es deshalb ausdrücklich abgelehnt, die steuerliche Beraterin des Zerlegers B, Frau K, als Zeugin zu hören (vgl. S. 7 und 14 der Vorentscheidung). Soweit sich die Klägerin hiergegen wendet, rügt sie einen materiellen Fehler der Vorentscheidung. Ein Verfahrensfehler liegt insoweit nicht vor, da es nach der materiellen Rechtsauffassung des FG auf die Abführung der nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldeten Umsatzsteuer durch die Zerleger A, B, C und D nicht ankam.

b) Demnach ist auch die Unterlassung der Vernehmung von Frau K kein Verfahrensfehler.

c) Auch die Unterlassung der erneuten Vernehmung des Zeugen C ist kein Verfahrensfehler. In der Beschwerdebegründung heißt es wörtlich:

"In der Sitzung vom 19.06.2002 ... wurde ausdrücklich der Antrag ... auf Vernehmung des Zeugen C gestellt. Es wurde vorgetragen, dass der Zeuge C im Jahr 1993 und im Jahr 1994 einen Fleischhandel unterhielt, Hausschlachtungen durchführte und Tätigkeiten bei der Klägerin ausübte. Das Finanzgericht hat zu Unrecht die Auffassung vertreten..., die Tätigkeit des Zeugen C als Fleischhändler und Hausschlachter sei unerheblich."

Damit rügt die Klägerin einen materiell-rechtlichen Fehler der Vorentscheidung. Eine schlüssige Rüge eines Verfahrensfehlers kann in diesem Vortrag nicht gesehen werden, da die Klägerin nicht von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG, sondern von ihrer eigenen davon abweichenden materiell-rechtlichen Auffassung ausgeht.

d) Auch der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensfehler, das FG habe das Urteil nicht ausreichend begründet, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

Zwar liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn "die Entscheidung nicht mit Gründen versehen" ist (§ 119 Nr. 6 FGO). Eine Entscheidung ist aber nur dann "nicht mit Gründen versehen", wenn jegliche Begründung fehlt oder lediglich inhaltlose oder unverständliche Wendungen niedergeschrieben sind, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist, und die eine Überprüfung des Rechtsstandpunktes nicht ermöglichen, oder wenn ein selbständiger Anspruch bzw. ein selbständiges Angriffsmittel oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen worden ist. Richten sich die Einwendungen des Beschwerdeführers lediglich dagegen, dass das FG nicht auf Einzelheiten des Sachverhalts eingegangen sei und sich nicht ausreichend mit seinen rechtlichen Argumenten auseinander gesetzt habe, die Urteilsbegründung also nur lückenhaft, unzulänglich oder nicht überzeugend sei, ist ein Verfahrensfehler nicht dargelegt (BFH-Beschluss vom 7. Januar 2002 III B 61/01, BFH/NV 2002, 666). Wie sich aus Seite 5 und 6 der Vorentscheidung ergibt, hatte das FG den Vortrag der Klägerin, ihr sei nach Treu und Glauben der Vorsteuerabzug zu gewähren, durchaus zur Kenntnis genommen. Offensichtlich hat dieser Vortrag das FG so wenig überzeugt, dass es glaubte, auf ihn nicht weiter eingehen zu müssen. Insoweit mag die Urteilsbegründung lückenhaft, unzulänglich oder nicht überzeugend sein; ein Verfahrensfehler i.S. des § 119 Nr. 6 FGO kann hierin nicht gesehen werden.

Ende der Entscheidung

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