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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.04.2007
Aktenzeichen: V B 154/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 129
AO 1977 § 164 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Im Klageverfahren war streitig, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Umsatzsteuerbescheid für 2001 nach § 129 der Abgabenordnung (AO) ändern durfte.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hatte, nachdem das FA am 26. August 2003 einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Umsatzsteuerbescheid für 2001 erlassen hatte, die Umsatzsteuererklärung zusammen mit der Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2001 eingereicht. Weil die Umsatzsteuererklärung der Klägerin gegenüber dem Schätzungsbescheid für 2001 zu einer Nachzahlung von über 50 000 DM führte, obwohl die Klägerin in der Jahreserklärung (zusätzlich) Forderungsverluste zu 16 % in Höhe von über 90 000 DM geltend gemacht hatte, bat das FA um entsprechende Erläuterung.

Unter dem gleichen Datum erging ein Aufklärungsschreiben zur Körperschaftsteuer 2001, in dem unter anderem darauf hingewiesen war, dass die Forderungsausfälle bei der Umsatzsteuer nur dann berücksichtigt werden könnten, wenn die Forderungen endgültig ausgefallen seien. Dies habe die Klägerin nachzuweisen.

In einem weiteren Schreiben vom 6. Januar 2004 bat das FA um Erledigung des Schreibens bis zum 26. Januar 2004 und kündigte an, andernfalls werde von der Steuererklärung insoweit abgewichen, dass die Forderungsausfälle nicht anerkannt würden.

Im Schreiben vom 26. Januar 2004 erläuterte die Klägerin schließlich u.a. die Forderungsverluste und legte die angeforderten Spendenbescheinigungen vor. Sämtliche Schreiben sind versehentlich in der Körperschaftsteuerakte für 2001 abgeheftet worden.

Noch vor den genannten Erörterungsschreiben war in der Körperschaftsteuerakte eine ADV-Anweisung vom 21. Januar 2004 abgeheftet, die den Hinweis enthielt, "BP abgesetzt". Dieser Anweisung lag eine Mitteilung der Groß- und Konzernbetriebsprüfung vom 17. Dezember 2003 zu Grunde, wonach der Betrieb aufgrund der Prüfungsvorbereitungen für die Jahre 2000 bis 2001 nicht prüfungsbedürftig sei; soweit Bescheide für den Absetzungszeitraum unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stünden, könnten diese aufgehoben werden. Darauf wurde die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung in Bezug auf die Umsatzsteuerbescheide und Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001 verfügt. Sowohl die ADV-Anweisung wie auch die Abschrift des Bescheides vom 3. Februar 2004 über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung im Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 26. August 2003 sind in der Umsatzsteuerakte vor der Umsatzsteuererklärung der Klägerin abgeheftet worden.

Am 17. Februar 2004 änderte das FA den Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 26. August 2003 und setzte die Steuer erklärungsgemäß fest.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, als offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO sei auch das Übersehen eindeutiger Mitteilungen, die versehentliche Nichtbeachtung eines Grundlagenbescheides, die unzutreffende Auswertung eines Prüfungsberichts oder das Übersehen feststehender Tatsachen anzusehen, wenn dies seinen Grund allein in einer Unachtsamkeit habe und offen zu Tage liege. Dies gelte auch für die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, wenn diese allein auf das Übersehen bestimmter Teile der Steuerakten und nicht auf rechtliche Erwägungen des Sachbearbeiters zurückzuführen sei. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliege, sei nach den Verhältnissen des Einzelfalles einschließlich der Aktenlage zu beurteilen.

Im Streitfall sei auszuschließen, dass die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aufgrund rechtlicher Überlegungen geschehen sei. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei bei Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalles unter Berücksichtigung der Aktenlage rein theoretisch und daher unbeachtlich. Es sei nicht denkbar, dass ein Bearbeiter der Veranlagungsstelle sich der Änderungsmöglichkeit nach § 164 Abs. 2 AO begebe, wenn er bereits anhand der eingereichten Erklärung sicher wisse, dass die vom Unternehmer selbst erklärte Steuer bereits weit höher sei als der Betrag, den das FA im Schätzungsbescheid zugrunde gelegt habe, und wenn er darüber hinaus aufgrund der mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen erklärt habe, gegebenenfalls zu Lasten des Steuerpflichtigen von der Erklärung abweichen zu wollen. Es bestünden keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Sachbearbeiterin die Mitteilung der Absetzungsverfügung der Betriebsprüfung zum Anlass genommen habe, die vorhandenen Vorbehalte der Nachprüfung in den Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheiden für 2000 und 2001 aufzuheben; nach Aktenlage habe aber sie in den Steuerakten keinen Hinweis auf die mittlerweile eingereichten Steuererklärung und die Erörterungsschreiben finden können. Dass sie sich an das von ihr selbst verfasste Erinnerungsschreiben nicht mehr erinnert habe, sei angesichts der gerichtsbekannten Arbeitsbelastung der Bearbeiter der Veranlagungsstelle verständlich.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

II. 1. Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision müssen innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 1997 II B 12/97, BFHE 184, 118, BStBl II 1998, 56; vom 2. April 1997 V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; vom 7. August 2002 I B 151/01, BFH/NV 2003, 60; vom 14. Dezember 2001 VII B 44/01, BFH/NV 2002, 655, 656).

Die Bedeutung der Sache darf sich dabei nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2002 V B 158/01, BFH/NV 2002, 1350). Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, so muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte --abstrakte-- klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und --unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur-- deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 26, 32, m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Sie trägt im Wesentlichen vor, die grundsätzliche Bedeutung ergebe "sich aus dem Umstand, dass die fehlerhafte Anwendung des Erfahrungssatzes durch das Finanzgericht grundsätzlich geeignet ist, die materielle Bestandskraft von Steuerbescheiden auszuhöhlen ..." und der Vertrauensschutz in die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung "wäre nicht mehr gegeben, wenn entsprechende Bescheide, trotz vollständiger Sachverhaltskenntnis des zuständigen Finanzbeamten bei Erlass der Verfügung über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung, jederzeit unter Hinweis auf die mangelnde Erinnerungsfähigkeit des Bearbeiters wieder aufgehoben werden könnten".

Als Formulierung einer Rechtsfrage ist die Fragestellung so allgemeiner Art, dass sie im anschließenden Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte. Letztlich wendet sich die Klägerin --wie mit einer Revision-- gegen die ihrer Ansicht nach falsche Tatsachenwürdigung und Entscheidung des FG.

2. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Das FG hat nicht --wie die Klägerin meint-- verfahrensfehlerhaft einen speziellen Erfahrungssatz ungeprüft angewandt. Vielmehr hat das FG ausführlich und nachvollziehbar im Einzelnen begründet, dass aufgrund der konkreten Umstände ein Rechtsirrtum auszuschließen und angesichts der Arbeitsbelastung der Veranlagungsstellen verständlich sei, dass sie sich an das nicht bei den Akten befindliche Erörterungsschreiben nicht erinnert habe. Die Beweiswürdigung des FG kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden. Das gilt auch dann, wenn geltend gemacht wird, die Beweiswürdigung des FG verstoße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze (BFH-Beschluss vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331, m.w.N.). Im Kern soll sich die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des FG richten; dies allein rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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