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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.08.2005
Aktenzeichen: V B 174/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S-GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb ein Unternehmen auf dem Gebiet des Rohrleitungs-, Stahl- und Apparatebaus. Gesellschafter waren die S-GmbH als Komplementärin mit einem Anteil von 5 v.H. und S als alleiniger Kommanditist mit einem Anteil von 95 v.H.

Mit ihren Umsatzsteuererklärungen machte die Schuldnerin u.a. Vorsteuerbeträge aus Rechnungen des M geltend. Die Schuldnerin machte die in Rechnung gestellten Beträge als Betriebsausgaben geltend; M erklärte sie als Betriebseinnahmen, wobei für ihn durch hohe Verluste aus Vermietung und Verpachtung dennoch keine Ertragsteuern anfielen. 72 v.H. der Netto-Rechnungsbeträge flossen an den Kommanditisten S zurück; 28 v.H. verblieben beim Rechnungsaussteller M.

Im Anschluss an eine bei der Schuldnerin durchgeführte Steuerfahndungsprüfung versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ihr den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des M, weil diesen keine von M ausgeführten Leistungen zugrunde gelegen hätten.

Einspruchsverfahren und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam aufgrund der Aussagen der Zeugen S, X und Y zu der Überzeugung, dass nicht nachgewiesen sei, dass den Rechnungen des M tatsächlich ausgeführte Leistungen zugrunde gelegen hätten. Wahrscheinlicher sei es, dass die von der Schuldnerin an M gezahlten und bei diesem verbliebenen Beträge ausschließlich im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Plan gestanden hätten, durch Vortäuschen betrieblich veranlasster Aufwendungen Ertragsteuern zu hinterziehen. Bei den bei M verbliebenen Beträgen habe es sich nicht um Entgelt für Beratungsleistungen, sondern um den ihm vereinbarungsgemäß zustehenden Anteil an den hinterzogenen Beträgen gehandelt.

Mit der Beschwerde richtet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Er macht geltend, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sei eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) geboten, weil das Urteil des FG gegen das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 19. September 2000 Rs. C-454/98, Ampafrance (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 470) verstoße. Der Neutralitätsgrundsatz gebiete vorliegend die Anerkennung der Vorsteuern aus den Rechnungen des M, weil dieser die von ihm ausgewiesene Umsatzsteuer an das für ihn zuständige FA abgeführt habe. Eine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens sei aus diesem Grunde ausgeschlossen gewesen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. April 1999 III B 43/98, BFH/NV 1999, 1477; vom 4. Mai 2000 I B 121/99, BFH/NV 2000, 1477; vom 8. Mai 2000 VIII B 78/99, BFH/NV 2000, 1201; vom 16. Juni 2000 XI R 10/00, BFH/NV 2000, 1239). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Urteil des EuGH Ampafrance in UR 2000, 470 enthält keinen Rechtssatz, dass dem Empfänger einer Rechnung der Vorsteuerabzug --unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs-- allein deshalb zusteht, weil die Umsatzsteuer in der Rechnung gesondert ausgewiesen und an das FA abgeführt worden ist. Der EuGH hat unter Bezugnahme auf das Urteil in der Rechtssache Genius Holding vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87 (Slg. 1989, 4227, UR 1991, 83) vielmehr ausdrücklich bestätigt, dass sich das in der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer erstreckt, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist. Die Entscheidung des EuGH, dass es der Grundsatz der Mehrwertsteuer gebietet, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, wenn der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt (EuGH, a.a.O., Rz. 57), betrifft nur die Berichtigungsmöglichkeit für den Rechnungsaussteller, nicht aber das Recht des Rechnungsempfängers auf Vorsteuerabzug.

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