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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.05.2006
Aktenzeichen: V B 186/04
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 42
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war in den Streitjahren 1984 bis 1986 eine GmbH (Rechtsformwechsel in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit notariellem Vertrag vom 16. November 2000), deren Gesellschafter je zur Hälfte Herr X und seine Ehefrau waren. Herr X betreibt als Einzelunternehmer und Organträger (Holding) einen Warenhandel über viele abhängige Organgesellschaften, u.a. die A-GmbH (Alleingesellschafter: X). Über die X-Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG Objekt B-Straße --X-GmbH & Co. KG-- (Kommanditist: X; Komplementär: X-Grundstücksverwaltungs GmbH) erwarb X am 27. März 1981 das Grundstück B-Straße in Z; am 30. Dezember 1983 schied X aus der X-GmbH & Co. KG aus und erhielt als Sachwertabfindung einen ideellen Miteigentumsanteil von 340/1000stel am genannten Grundstück. In Bauherrengemeinschaft mit der X-GmbH & Co. KG errichtete X ein Geschäfts- und Wohnhaus; die Bauarbeiten begannen im März 1983 und waren für den gewerblichen Teil bis Januar 1985 und für die Wohnungen bis 1. April 1985 beendet.

Am 27. Dezember 1984 errichteten X und seine Ehefrau die Klägerin die "X B-Straße Vermietungs- und Verwaltungs GmbH" und wurden beide zu Geschäftsführern bestellt; X bestellte der Klägerin am selben Tag einen Nießbrauch an seinem 340/1000stel Anteil am o.g. Grundstück. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war die Vermietung und Verwaltung von gewerblichen Räumen einschließlich Büroräumen und Praxen und von Wohnungen, insbesondere im "X ..." an der B-Straße in Z. Durch die Nießbrauchsbestellung wurde der Klägerin außerdem die Überwachung der Baufertigstellung sowie die Bauabnahme übertragen; ob diese Aufgaben wahrgenommen wurden, konnte das Finanzgericht (FG) nicht feststellen. Nach den Feststellungen des FG verfügt die Klägerin über kein eigenes Personal und keine Büroeinrichtung. Die Klägerin sollte frühestens nach dem 31. Dezember 1999 aufgelöst werden können.

Ebenfalls am 27. Dezember 1984 wurden neben einem Rahmenvertrag zwischen der Klägerin, der X-GmbH & Co. KG und der A-GmbH folgende Einzelverträge geschlossen, die alle eine Laufzeit bis 31. Dezember 1999 beinhalten:

- Mietvertrag zwischen X-GmbH & Co. KG und der A-GmbH (Mieter) über das "Einkaufszentrum B-Straße";

- Mieterdarlehensvertrag zwischen denselben Parteien;

- Mietvertrag zwischen der Klägerin (Vermieter) und der A-GmbH (Mieter) über "Büros B-Straße";

- Mietvertrag zwischen denselben Parteien über "Wohnungen B-Straße".

Der von X geltend gemachte Vorsteuerabzug 1984 aus den Baukosten ist hinsichtlich der Wohnungen rechtskräftig abgewiesen worden; das FG hat mit Urteil vom 25. November 1999 (Az.: II 327/98) Gestaltungsmissbrauch (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) angenommen, weil der Zwischenschaltung der Klägerin keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukomme und nur dem Zweck des Vorsteuerabzugs bei X diene, den er bei unmittelbarer Vermietung der Wohnungen nicht erlangen könne. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 31. März 2000 (Az.: V B 18/00, BFH/NV 2000, 1256) als unbegründet zurückgewiesen.

Im Verfahren über die Umsatzsteuer 1984 bis 1986 der --"zwischengeschalteten"-- Klägerin hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer jeweils auf 0 DM festgesetzt, weil die Gesamtkonstruktion rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977 sei, mit der Folge, dass die Klägerin keine Verwendungsumsätze ausführe und außerdem die Klägerin mangels eigener wirtschaftlicher Tätigkeit nicht unternehmerisch tätig sei.

Das FG bestätigte die Rechtsauffassung des FA und verneinte zudem die Selbständigkeit der Klägerin, weil sie nach dem Gesamtbild finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen von X eingegliedert sei (Organschaft) und wies die Klage ab. Die Revision gegen sein Urteil hat das FG nicht zugelassen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Hat das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss der Beschwerdeführer einen Zulassungsgrund bezüglich jeder dieser Begründungen darlegen (BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; vom 9. Dezember 2004 V B 85/04, BFH/NV 2005, 712). Anders formuliert bedeutet dies, dass die Revision nicht zuzulassen ist, wenn auch nur eine tragende Begründung besteht, gegen die die Nichtzulassungsbeschwerde nicht durchgreift.

2. Soweit das FG sein Urteil auf einen Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 AO 1977 stützt, greift die Nichtzulassungsbeschwerde nicht durch.

a) Die Klägerin macht insoweit eine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zum BFH-Urteil vom 6. Juni 1991 V R 70/89 (BFHE 165, 1, BStBl II 1991, 866) geltend. Der BFH hat in diesem Urteil entschieden, es sei denkbar, dass ein und derselbe Vorgang in der Person eines beteiligten Steuerpflichtigen als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zu beurteilen sei, in der Person des anderen aber nicht. Die Frage, ob eine missbräuchliche Rechtsgestaltung vorliege, sei für jeden der Besteuerung unterliegenden Vorgang gesondert zu prüfen (s. auch BFH-Urteil vom 26. November 1987 V R 29/83, BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387). Das FG habe die Anwendung des § 42 AO 1977 bejaht, weil bereits in dem Verfahren II 327/98 (FG-Urteil vom 25. November 1999 II 327/98; Nichtzulassungsbeschwerde durch BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 1256 zurückgewiesen) das gesamte Vertragswerk vom 27. Dezember 1984 als missbräuchlich beurteilt wurde.

b) Die behauptete Divergenz liegt indes nicht vor: Das FG ist in seiner Begründung nicht davon ausgegangen, dass die Entscheidung aus dem Verfahren II 327/98 --in dem über den Vorsteuerabzug des X aus den Baukosten für die Wohnungen entschieden wurde-- für das vorliegende Verfahren der Klägerin rechtlich bindend sei. Es hat vielmehr --unter Anwendung der BFH-Rechtsprechung zu § 42 AO 1977 (Urteil vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BStBl II 1991, 607, 609 zu 3., m.w.N.)-- eigenständige Erwägungen zur Unangemessenheit der Rechtsgestaltung in Bezug auf die Klägerin angestellt (Urteil S. 19 und 20) und insbesondere hervorgehoben, dass der Klägerin abgesehen von der Zwischenschaltung in Bezug auf die Vermietung der Wohnräume keine rechtliche oder wirtschaftlich sinnvolle Funktion zukomme. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin letztlich nur das "Instrument" des X bei dem Versuch war, die Vorsteuer aus den Baukosten für die Wohnungen erstattet zu bekommen. Auch kann es angesichts des Ziels der gesamten vertraglichen "Konstruktion" nicht darauf ankommen, dass durch sie bei der Klägerin nur für eines der Streitjahre eine Steuerminderung eintritt, während sie für die anderen Jahre zu einer Steuerlast führt, wenn gleichzeitig das Ziel darauf angelegt war, bei den auf beiden Seiten der Geschäfte im Wesentlichen identischen Personen insgesamt eine steuerliche Entlastung herbeizuführen; von welchem Rechtssatz das FG insoweit abweichen solle, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.

c) In Bezug auf die das Urteil des FG tragenden Gründe zum Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 AO 1977 hat die Klägerin auch keine Verfahrensmängel geltend gemacht. Die erhobenen Verfahrensrügen betreffen die vom FG angenommene Organschaft zwischen X (Organträger) und der Klägerin (Organgesellschaft) bzw. die Unternehmereigenschaft der Klägerin.

3. Nachdem das Urteil des FG in vollem Umfang von der Begründungsalternative "Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts" getragen wird und ein Zulassungsgrund für die Revision hiergegen nicht durchgreift, kommt es auf die im Übrigen erhobenen Verfahrensrügen und behaupteten Divergenzen nicht an.



Ende der Entscheidung

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