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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.12.2004
Aktenzeichen: V B 237/03
Rechtsgebiete: ZPO, FGO, StBerG, EG


Vorschriften:

ZPO § 87 Abs. 1 Halbsatz 2
FGO § 155
FGO § 62a
FGO § 62 Abs. 2 Satz 2
StBerG § 3 Nr. 1
StBerG § 3 Nr. 4
EG Art. 50
EG Art. 49
EG Art. 234 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer zu 2. (Kläger) hat den Beschwerdeführer zu 1. mit seiner Vertretung vor dem Finanzgericht (FG) in dem Verfahren wegen Umsatzsteuer 2000 bevollmächtigt. In der Klageschrift ist der Beschwerdeführer zu 1. als "Steuerberater-Belastingadviseur-Belastingkonsulent" unter Adressen in Belgien und den Niederlanden sowie einer Postanschrift in Deutschland aufgetreten.

Während dieses Verfahrens (5 K 5985/02) wurde die Bestellung des Beschwerdeführers zu 1. als Steuerberater widerrufen und ihm die Zulassung zur Steuerberatung entzogen.

Das FG wies den Beschwerdeführer zu 1. durch den angefochtenen Beschluss vom 18. November 2003 (5 K 5985/02) als Prozessbevollmächtigten zurück, weil er nicht mehr befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuer sachen zu leisten.

Gegen diesen Beschluss hat die X-AG als Prozessbevollmächtigte "im Namen und Auftrag des zurückgewiesenen Prozessbevollmächtigten" Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Verfahrens hat die X-AG eine Prozessvollmacht des Beschwerdeführers zu 2. vorgelegt.

Mit der Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zur Begründung wird die Nichtigkeit/Rechtswidrigkeit verschiedener Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) geltend gemacht und ausgeführt, entgegen dem angefochtenen Beschluss sei der Beschwerdeführer zu 1. zur Prozessführung befugt gewesen.

Die X-AG hat das Mandat im Oktober 2004 niedergelegt. Ein neuer Prozessbevollmächtigter ist nicht bestellt worden.

II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.

1. Der Senat geht davon aus, dass sowohl der Beschwerdeführer zu 1., der im eigenen Namen beschwerdebefugt ist (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Oktober 1984 IX B 49/84, BFHE 142, 355, BStBl II 1985, 215, m.w.N.) als auch der Beschwerdeführer zu 2. (Kläger des Ausgangsverfahrens), der für das vorliegende Verfahren eine Vollmacht erteilt hat, Beschwerde erhoben haben.

2. Ohne Auswirkung auf das Verfahren ist die Niederlegung des Mandats durch die Prozessbevollmächtigte. Dies ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Halbsatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach erlangt in einem Verfahren, in dem Vertretungszwang gilt, die Niederlegung eines Mandats dem Gegner gegenüber erst durch die Bestellung eines anderen Vertreters i.S. des § 62a FGO rechtliche Wirksamkeit (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Februar 2003 X R 35/02, BFH/NV 2003, 652). Ein anderer Prozessbevollmächtigter ist nicht bestellt worden.

3. Der Senat lässt offen, ob die Beschwerden unzulässig sind, weil die X-AG als Prozessbevollmächtigte nicht gemäß § 62a FGO zur Vertretung vor dem BFH berechtigt ist (so BFH-Beschluss vom 3. Juni 2004 IX B 71/04, BFH/NV 2004, 1290; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14. August 2004 1 BvR 1776/04).

Die Beschwerden sind jedenfalls unbegründet. Denn das FG hat den Beschwerdeführer zu 1. nach § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zutreffend zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war.

a) Der Beschwerdeführer zu 1. war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen worden war.

Der Widerrufsbescheid ist bestandskräftig, weil die gegen den Bescheid gerichtete Klage durch Urteil des FG zurückgewiesen und das Urteil durch Zurückweisung der dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch den Beschluss des BFH vom 1. Oktober 2002 VII B 35/02 (BFH/NV 2002, 1499) rechtskräftig geworden ist. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG durch Beschluss vom 4. Dezember 2002 1 BvR 2046/02 nicht zur Entscheidung angenommen.

Das von dem Beschwerdeführer zu 1. gegen den Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 1499 anhängig gemachte Wiederaufnahmeverfahren (§ 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 ZPO) änderte an der Rechtskraft dieses Beschlusses und damit an der Bestandskraft des Widerrufsbescheids nichts (BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFH/NV 2003, 714). Denn wenn auch die Wiederaufnahmeklage einen rechtsmittelähnlichen Charakter hat, ist sie doch kein Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft des Senatsbeschlusses suspendiert (vgl. Zöller/ Greger, Zivilprozessordnung, 24. Aufl., Vor § 578 Rn. 1). Solange die Wiederaufnahmeklage keinen Erfolg hat, bleibt es bei der Rechtskraft des Beschlusses in BFH/NV 2002, 1499 und damit der Bestandskraft des Widerrufsbescheids (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119).

b) Auch nach § 3 Nr. 4 StBerG ist der Beschwerdeführer zu 1. nicht befugt, dem Kläger in seinen Steuerverfahren Hilfe zu leisten.

Nach dieser Vorschrift sind Personen "..., die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaats leisten, zur Hilfeleistung in Steuersachen auch im Inland befugt, soweit sie damit eine Dienstleistung nach Art. 50 EG-Vertrag erbringen".

Gemeint ist Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom 26. Februar 2001 (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 2002 Nr. C 325/1). "Sie dürfen dabei nur unter der Berufsbezeichnung in den Amtssprachen des Niederlassungsstaats tätig werden, unter der sie im Niederlassungsstaat tätig werden." Die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt der Beschwerdeführer zu 1. im Streitfall nicht.

Die Hilfeleistung ist nur als grenzüberschreitende, vorübergehende Dienstleistung zugelassen, wie sich durch die Bezugnahme auf Art. 50 EG ergibt (vgl. auch die Begründung zum 7. Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater vom 24. Juni 2000, BGBl I 2000, 874 in BTDrucks 14/2667, S. 27).

Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG sind zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Abs. 3 EG: "vorübergehend") in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Dezember 1986 Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755, 3801 Rdnr. 21). Sind Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger in demselben Mitgliedstaat ansässig --wie dies hier der Fall ist--, liegt keine grenzüberschreitende Dienstleistung i.S. der Art. 49, 50 EG vor (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 2000 V B 167/99, BFH/NV 2000, 874; vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; vom 9. Juli 2003 VII B 177/03, BFH/NV 2003, 1452, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. BVerfG-Beschluss vom 22. Oktober 2003 2 BvR 1732/03).

Der Dienstleister ist nicht nach den Regeln der Dienstleistungsfreiheit, sondern nach denjenigen der Niederlassungsfreiheit geschützt und muss die Anforderungen an die Bestellung als Steuerberater im Mitgliedstaat seiner Niederlassung erfüllen (EuGH-Urteil in Slg. 1986, 3755, 3801 Rdnr. 21). Diese Voraussetzungen erfüllt der Beschwerdeführer zu 1. in Deutschland nicht mehr.

c) Der Senat ist der Ansicht, dass die unterschiedliche Behandlung von "niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten" und "europäischen niedergelassenen Steuerberatern" durch § 3 Nr. 1 StBerG keine dem EG-Vertrag widersprechende Diskriminierung europäischer Steuerberater gegenüber europäischen Rechtsanwälten darstellt (ebenso z.B. BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; vom 4. April 2003 III B 135/02, BFH/NV 2003, 1094; vom 29. April 2003 IV B 14/03, BFH/NV 2003, 1222). Sie ist im Allgemeininteresse geboten (BVerfG-Beschlüsse vom 15. Februar 1967 1 BvR 569/62, BVerfGE 21, 173, und vom 27. Januar 1982 1 BvR 807/80, BStBl II 1982, 281).

Es bestehen insoweit auch keine Zweifel an der Auslegung der maßgebenden Vorschriften des EG-Vertrages (Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG), so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG nicht erforderlich ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2003 IX B 219/02, BFH/NV 2003, 1451; vom 30. Juni 2003 V B 7/03, juris; vom 24. September 2003 X B 137/02, BFH/NV 2004, 92).



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