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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.05.2000
Aktenzeichen: V B 37/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 137
FGO § 128 Abs. 1
FGO § 73 Abs. 1 Satz 1
FGO § 142
FGO § 132
FGO § 155
ZPO § 538
ZPO § 539
ZPO § 540
ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

1. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) erbrachte in den Streitjahren 1991 bis 1993 nach den Feststellungen des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen B (Steuerfahndung) als Selbständiger Beratungsleistungen für Unternehmen in den neuen Bundesländern. Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Jahresumsatzsteuererklärungen gab er nicht ab. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für 1991 bis 1993 aufgrund von geschätzten Besteuerungsgrundlagen fest. Dafür wertete das FA die Feststellungen der Steuerfahndung aus, nach denen der Kläger Entgelte für Beratungsleistungen von mindestens ... DM (für 1991), ... DM (für 1992) und von ... DM (für 1993) erhalten hatte. Von den auf diese Weise ermittelten Steuerbeträgen setzte das FA --ebenfalls geschätzte-- Vorsteuerbeträge ab.

Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück, u.a. weil der Kläger auch im Einspruchsverfahren keine Steueranmeldungen abgegeben hatte. Im Einspruchsverfahren hatte der Kläger u.a. vorgebracht, es sei gewollt gewesen, dass "alle Umsätze über diese Firmen" (gemeint waren die Firmen, unter deren Namen --als angeblich leistende Unternehmen-- die Beratung abgerechnet wurde) "zu verbuchen" seien. Über die Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1991 bis 1993 und den beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieser Steuerfestsetzungen hat das FG noch nicht entschieden.

Der Kläger beantragte zugleich, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren (FG-Az. 2 K 481/96) und das Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung (FG-Az. 2 V 482/96) zu gewähren.

Während des außerdem von dem Kläger betriebenen finanzgerichtlichen Verfahrens gegen die Einkommensteuerfestsetzungen für 1991 bis 1993 reichte sein Prozessbevollmächtigter mit einem Schriftsatz vom 24. März 1999 erstmals Gewinnermittlungen für die Streitjahre 1991 bis 1993 ein, aus denen sich Entgelte für Beratungsleistungen (von ... DM für 1991, ... DM für 1992 und von ... DM für 1993) ergaben.

Das FG lehnte die Anträge auf Bewilligung von PKH für die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1991 bis 1993 und das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide durch Beschlüsse vom 18. Oktober 1999 ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheine. Die Mutwilligkeit liege darin, dass der Kläger sich im Wege der PKH ein gerichtliches Verfahren finanzieren lassen wolle, obwohl er seine steuerlichen Pflichten während des Besteuerungs- und des Einspruchsverfahrens nicht erfüllt habe. Dadurch würden dem Staat und damit der Allgemeinheit Kosten angelastet, die bei ausreichender Erfüllung steuerlicher Pflichten entweder nicht entstanden oder vom Staat nicht zu tragen gewesen wären. Verfahrenskosten müsse nach dem im Kostenrecht geltenden Grundsatz (§ 137 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) derjenige tragen, der sie durch schuldhaft verspäteten Tatsachenvortrag verursacht habe.

Mit den Beschwerden wendet sich der Kläger gegen die Ablehnungen der Anträge auf PKH für eine Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1991 bis 1993 (V B 37/00) und für das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (V B 36/00) dieser Bescheide. Er führt zur Begründung seiner Beschwerden u.a. aus, er habe seine Bereitschaft zu konstruktiver Mitwirkung in einem Gespräch mit dem Amtsleiter des FA bekundet. Ihm sei kein rechtliches Gehör zu den Ermittlungsergebnissen der Steuerfahndung gewährt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Verfahren auf Gewährung von PKH (einschließlich derjenigen wegen Einkommensteuer 1991 bis 1993 und Aussetzung der Vollziehung dieser Einkommensteuerbescheide) zu verbinden und den Anträgen auf PKH stattzugeben.

Das FA beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.

Es legt dar, die Anträge des Klägers auf Gewährung von PKH seien abzulehnen, weil der Kläger in der Hauptsache keinen Erfolg haben könne. Die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1991 bis 1993 sei unzulässig, weil der Kläger innerhalb der Klagefrist keine ladungsfähige Anschrift angegeben habe, sondern nur über seinen Zustellungsbevollmächtigten erreichbar gewesen sei.

2. Der Senat hält es wegen der übereinstimmenden Sachverhalte und der im Wesentlichen gleichen Begründungen für zweckmäßig, die Beschwerden gegen die Ablehnung der Anträge auf PKH für die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide 1991 bis 1993 (V B 37/00) und für das Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung dieser Verwaltungsakte (V B 36/00) zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden (§ 128 Abs. 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO). Mangels einer entsprechenden Zuständigkeit des erkennenden Senats scheidet die beantragte weitergehende Verbindung mit den Beschwerdeverfahren wegen PKH für die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 1991 bis 1993 und für das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung dieser Steuerfestsetzungen (IV B 27/00 und IV B 28/00) aus (vgl. dazu den Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs --BFH-- für das Jahr 2000, BStBl II 2000, 107).

3. Die Beschwerden gegen die Ablehnung der Anträge auf Bewilligung von PKH (§ 128 Abs. 1 FGO) für die Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1991 bis 1993 (V B 37/00) und für das Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide (V B 36/00) sind unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet nach der für das PKH-Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Mai 1992 VII S 2/92, BFH/NV 1993, 262) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung --ZPO--).

Dafür kann dahinstehen, ob die Klage schon deswegen unzulässig ist, weil der Kläger innerhalb der Klagefrist nur eine Anschrift seines Zustellungsbevollmächtigten, aber keine eigene Adresse für seine Wohnung angegeben hat (vgl. dazu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 13. April 1999 1 C 24/97, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 2608).

Es ist derzeit jedenfalls schon wenig wahrscheinlich, dass die Klage oder das Aussetzungsbegehren Aussicht auf Erfolg haben. Der Senat ist nicht auf eine Überprüfung festgelegt, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung --wie das FG meint-- mutwillig erfolgt. Im Beschwerdeverfahren entscheidet der BFH als Tatsachengericht (BFH-Beschluss vom 2. Juli 1999 VII B 60/99, BFH/NV 2000, 56, m.w.N.). Als Beschwerdegericht kann er unabhängig von der vom FG vertretenen Würdigung (BFH-Beschluss vom 16. Juli 1998 VII B 306/97, BFH/NV 1999, 378; vgl. dazu auch Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 142 FGO Rz. 281a) entscheiden. Er kann für die Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache wegen des im PKH-Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (BFH-Beschluss vom 13. Januar 1997 X B 87/95, BFH/NV 1997, 433) neues tatsächliches Vorbringen heranziehen und außer der Darstellung des Streitverhältnisses durch den Antragsteller und der Angabe von Beweismitteln (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) auch den übrigen Akteninhalt und präsente Beweismittel (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 1994 VII B 71/94, BFH/NV 1996, 375) heranziehen. Nach der Würdigung dieser Grundlagen ist der erkennende Senat nicht überzeugt, dass die angefochtenen Steuerfestsetzungen rechtswidrig sind.

Der Kläger hat durch seine Erklärungen während des Verfahrens vor dem FG in der Einkommensteuersache selbst eingeräumt, dass er als Unternehmer Beratungsumsätze ausgeführt hat. Für die Beurteilung der Höhe der dabei erzielten Entgelte hat er bisher nur unzureichend mitgewirkt. Durch bloßes in Frage stellen der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 1999 VII B 77/99, BFH/NV 2000, 205) und durch pauschale Behauptungen ohne nähere Konkretisierung genügt er seiner Mitwirkungspflicht insoweit nicht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Februar 1997 X S 23/96, BFH/NV 1997, 435). Der Kläger hat insbesondere immer noch keine Umsatzsteueranmeldungen (§ 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993) abgegeben. Er hat in einem Schreiben vom 3. Juli 1997 an seinen Prozessbevollmächtigten Überlegungen über eine Selbstanzeige wegen der Steuern für 1990 bis 1993 angestellt. Die Selbstanzeige --so schreibt er darin u.a.-- könne für den Zeitraum von 1990 bis 1993 "darin bestehen, die inkriminierten Beträge unter meinem Namen mit allen Aufwendungen darzustellen, wie bisher unter ....".

Die --soweit ersichtlich-- einzige sachliche Auseinandersetzung mit den erwähnten Steuerfestsetzungen, dargestellt in der Einspruchsentscheidung vom 21. November 1996 über die Einsprüche des Klägers gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1991 bis 1993, ist unschlüssig. Danach sei von Beginn an gewollt gewesen, dass alle (zuvor genau aufgezeichneten) Umsätze über vorher bezeichnete Firmen als Leistende "zu verbuchen" seien. Diese Angriffe richten sich nicht gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen, sondern betreffen das Erhebungsverfahren, weil der Kläger sinngemäß Erfüllung der Steuerschuld einwendet. Deshalb berühren diese Angriffe die Steuerfestsetzung nicht.

Hinzu kommt, dass PKH nicht gewährt werden kann, weil der Kläger --wie dargestellt-- nur unzureichend mitgewirkt hat, den Sachverhalt aufzuklären (BFH-Beschluss vom 5. Mai 1999 VI B 46/99, BFH/NV 1999, 1366). Unter diesen Umständen ist auch eine Zurückverweisung der Sachen an das FG (§§ 132, 155 FGO i.V.m. §§ 538 bis 540 ZPO in entsprechender Anwendung) zur weiteren Aufklärung der Erfolgsaussicht (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 22. Oktober 1998 V B 84/98, BFH/NV 1999, 504) nicht geboten.



Ende der Entscheidung

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