Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.04.1999
Aktenzeichen: V B 90/98
Rechtsgebiete: UStG 1991, AO 1977, FGO, ZPO


Vorschriften:

UStG 1991 § 14
UStG 1991 § 15 Abs. 1 Nr. 1
UStG 1991 § 14 Abs. 4
AO 1977 § 164 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 104
FGO § 93
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 155
FGO § 104 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 278 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr 1992 Konkursverwalter über das Vermögen einer GmbH (Gemeinschuldnerin), die ... anfertigte und vertrieb. Das Konkursverfahren wurde am 14. November 1991 eröffnet. Nach den Feststellungen bei einer Betriebsprüfung schloß der Kläger am 3. Dezember 1991 mit der X-GbR (im folgenden GbR) eine als Kaufvertrag bezeichnete Vereinbarung, nach der die Gemeinschuldnerin der als Käuferin benannten GbR den noch ausführbaren Auftragsbestand für 300 000 DM --vorbehaltlich einer abschließenden Abrechnung-- einschließlich 14 v.H. Umsatzsteuer verkaufte.

In dem Zeitraum vom 11. Dezember 1991 bis 16. April 1992 rechnete der Kläger von ihm unter dem Namen der Gemeinschuldnerin ausgeführte Lieferungen von Bekleidung gegenüber Kunden ab. Die Umsatzsteuer dafür betrug 102 088,21 DM. Die davon auf das Streitjahr 1992 entfallenden Umsätze erfaßte der Kläger in der Steuererklärung für 1992 nicht.

Die GbR berechnete dem Kläger am 16. März 1992 und am 30. April 1992 Lieferungen vom 11. Dezember 1991 bis 16. April 1992 und wies Umsatzsteuer von 102 088,21 DM aus. In diesen Rechnungen der GbR an den Kläger, aus denen er den Vorsteuerabzug geltend machte, wurde zur Bezeichnung des Leistungsgegenstands auf Kundennamen sowie auf andere Rechnungen und Gutschriften mit Datum, Rechnungsnummer, Warenwert, Steuer und Gesamtwert Bezug genommen. Es handelte sich --was jedoch aus den zum Vorsteuerabzug gestellten Rechnungen nicht ersichtlich war-- um die Rechnungen und Gutschriften der Gemeinschuldnerin an die in der Vereinbarung mit der GbR vom 3. Dezember 1991 erwähnten Kunden. Der Kläger hatte auch diese Rechnungen steuerlich nicht erfaßt.

Die an die GbR am 3. Dezember 1991 verkauften Aufträge rechnete der Kläger gegenüber der GbR am 20. Mai 1992 in Höhe von 320 713,05 DM brutto ab.

Der Prüfer erhöhte die vom Kläger für 1992 erklärten steuerpflichtigen Umsätze um nicht erklärte Lieferungen an die in der Vereinbarung vom 3. Dezember 1991 erwähnten Kunden und versagte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der GbR vom 16. März 1992 und vom 30. April 1992. Er war der Ansicht, daß die GbR keine Lieferungen an die Gemeinschuldnerin ausgeführt habe und daß die Rechnungen auch nicht den formellen Anforderungen des § 14 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) genügten. Darauf änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 1992 (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) und erhöhte die Umsatzsteuer. Im Einspruchsverfahren berichtigte das FA Rechenfehler und setzte die Umsatzsteuer insoweit herab.

Das Finanzgericht (FG) wies die auf Aufhebung der geänderten Steuerfestsetzung gerichtete Klage durch Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 1998 ab. Nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende ausweislich der Sitzungsniederschrift den Beschluß verkündet, daß den Beteiligten eine Entscheidung zugestellt werde. Nachdem der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 21. April 1998 um Mitteilung gebeten hatte, welche Entscheidung am Schluß der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 1998 getroffen worden sei, teilte ihm der Berichterstatter unter dem 8. Mai 1998 mit, die Klage sei durch Urteil abgewiesen worden. Die erwähnte Sitzungsniederschrift wurde am 18. Mai 1998 an den Prozeßbevollmächtigten abgesandt; das vollständige Urteil wurde ihm am 19. Mai 1998 zugestellt.

Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Er rügt Verstöße gegen die Art und Weise der Urteilsfindung (§ 104 FGO), außerdem Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 des Grundgesetzes --GG--, §§ 93, 96 Abs. 2, 155 FGO, § 278 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung --ZPO--), u.a. durch unzureichende Erörterung von Tatsachen in der mündlichen Verhandlung, auf die das FG seine Entscheidung gestützt habe.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Der Vorsitzende Richter und der Berichterstatter des erkennenden Senats beim FG haben sich in dienstlichen Stellungnahmen zum Inhalt von Telefongesprächen mit dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers und zur Bekanntgabe des Urteils geäußert. Der Kläger hat seine davon abweichende Darstellung aufrecht erhalten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Mit der Verfahrensbeschwerde können nur Fehler gerügt werden, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, daß es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Februar 1986 IV B 6/85, BFHE 146, 204, BStBl II 1986, 492; vom 10. November 1987 V B 19/85, BFH/NV 1988, 448).

1. Die Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist für die Übergabe des beratenen und zuzustellenden Urteils (§ 104 Abs. 2 FGO) bzw. für die Übergabe des von den Berufsrichtern unterschriebenen Urteilstenors an die Geschäftsstelle (§ 105 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 104 Abs. 2 FGO) ist zwar grundsätzlich ein Verfahrensmangel, der aber als bloßer Ordnungsverstoß (BFH-Urteil vom 28. Januar 1998 II R 40/95, BFH/NV 1998, 855) nicht zur Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führt, weil das Urteil nicht auf der Verletzung dieser Frist beruhen kann (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. September 1998 X B 28, 29/98, BFH/NV 1999, 491; vom 28. Juli 1994 IV S 2/93, BFH/NV 1995, 118; Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 104 FGO Rz. 34, m.w.N.). Der Verfahrensverstoß ist erst nach der Beratung des Urteils begangen worden. Unter diesen Umständen bedarf es der Darlegung, daß das Urteil anders hätte ausfallen können, wenn es früher zugestellt worden wäre (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 28. September 1998 VII B 173/98, BFH/NV 1999, 341). Hinweise, daß sein Inhalt durch den Ordnungsverstoß beeinflußt worden ist, sind nicht vorhanden.

2. Soweit der Kläger außerdem Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG, §§ 93, 96 Abs. 2, 155 FGO, § 278 Abs. 3 ZPO) rügt, entspricht die Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt, und geht außerdem von Voraussetzungen aus, die nicht gegeben sind.

Selbst wenn der Kläger zu den Hinweisen des FG in der Urteilsbegründung auf ein gegen ihn anhängiges Strafverfahren nicht hatte Stellung nehmen können, ist nicht bezeichnet worden, weshalb die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann. Der Kläger bezeichnet nur, daß er zu diesen --unnötigen und objektiv mißverständlichen-- Hinweisen des FG klargestellt und dargelegt hätte, daß der Bundesgerichtshof (BGH) seine Verurteilung durch Urteil vom ... aufgehoben habe. Es sind aber auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die angefochtene Entscheidung des FG auf dem vom Kläger gerügten Mangel beruhen kann, weil der Berichterstatter die Aufhebung des Strafurteils durch den BGH in den Gerichtsakten vermerkt hatte (FG Bl. 41) und der Anregung des FA nicht gefolgt war, die Akten der Strafsachenstelle anzufordern.

3. Ein zur Revisionszulassung führender Verfahrensfehler ist schließlich nicht dadurch vorhanden, daß der Kläger nicht Gelegenheit gehabt hätte, zu dem vom FG gewürdigten Verhalten des Buchhalters der Gemeinschuldnerin Stellung zu nehmen. Der Kläger hatte das Verhalten des Buchhalters z.B. in dem Schriftsatz vom 31. Januar 1995 (Seite 6) im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung geschildert. Diese Vorgänge gingen aus den Akten des FA hervor, die dem FG vorgelegt worden waren. Der Kläger hatte dazu erklärt, der Buchhalter habe die Ein- und Ausgangsrechnungen steuerlich nicht erfaßt, weil dieser offensichtlich der eindeutig unzutreffenden Auffassung gewesen sei, dies sei nicht erforderlich, weil sich Steuer und Vorsteuer ausglichen. Es wird weder vom Kläger bezeichnet noch ist ersichtlich, weshalb die Entscheidung des FG auf dem geltend gemachten angeblichen Mangel beruhen kann. Nach der angefochtenen Entscheidung des FG war die beanspruchte Vorsteuer schon deswegen nicht abziehbar, weil die vorgelegten Rechnungen vom 16. März 1992 und 30. April 1992 inhaltlich mangelhaft waren.

4. Soweit der Kläger Verfahrensfehler durch Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht, weil er zu Gesichtspunkten nicht habe Stellung nehmen können, die das FG zur Begründung seines Urteils herangezogen habe, genügt die Beschwerde ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 1998, die länger als zwei Stunden gedauert hat, ist die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Sicht erörtert worden. Die Beteiligten haben das Wort erhalten. Der Kläger hat auch einen Beweisantrag gestellt.

Danach sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Kläger keine Gelegenheit gehabt hätte, seinen Standpunkt darzustellen (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 29. April 1992 XI S 19/91, BFH/NV 1992, 641). Da die auch vom FG als entscheidungserheblich beurteilten Gesichtspunkte, nach denen die Rechnungen vom 16. März 1992 und vom 30. April 1992 nicht den inhaltlichen Anforderungen für den Vorsteuerabzug entsprachen und nach denen Lieferungen der GbR an den Kläger nicht ausgeführt worden seien, in dem Bericht über die Umsatzsteuerprüfung vom 10. Mai 1994 und in der Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 1995 klar herausgearbeitet worden waren, bestand für den Kläger ausreichend Gelegenheit, dem FG seine abweichende Darstellung schriftlich oder mündlich zur Kenntnis zu bringen. Im übrigen ist das FG nicht zur Erörterung aller rechtlichen Gesichtspunkte und Rechtsnormen verpflichtet (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1984 VIII R 60/79, BFHE 141, 211, BStBl II 1984, 697).

Darüber hinaus ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, daß der Kläger lediglich eine andere Rechtsauffassung als das FG vertritt (z.B. Seite 10 der Beschwerdebegründung zu den bürgerlich-rechtlichen Beziehungen) und daß er die tatsächlichen Vorgänge abweichend würdigt (z.B. zum Verkauf der Stoffe, Seiten 8 und 9 der Beschwerdebegründung). Ein insoweit etwa vorliegender Rechtsfehler rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels.

5. Das gilt schließlich auch für die Ausführungen des Klägers im Zusammenhang mit der vom FG als für die Entscheidung unerheblich abgelehnten Beweiserhebung. Der Kläger hat nur bezeichnet (Seiten 11 und 12 der Beschwerdebegründung), daß durch die beantragte Zeugenvernehmung eine (Rück-)Lieferung der GbR an den Kläger hätte bewiesen werden sollen. Er hat aber nicht bezeichnet, daß und weshalb der Zeugenbeweis für die vom FG für die Klageabweisung ebenfalls als maßgebend erachteten inhaltlichen Mängel der Rechnung hätte bedeutsam sein können. Die nach Ansicht des Klägers zusätzlich notwendigen Beweiserhebungen durch Zeugen für den Inhalt der Rechnungen, aus denen er Vorsteuern beansprucht, können aber den nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 14 Abs. 4 UStG grundsätzlich notwendigen Urkundenbeweis nicht ersetzen.

Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.

Ende der Entscheidung

Zurück