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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.12.2001
Aktenzeichen: V R 6/01
Rechtsgebiete: UStG 1991


Vorschriften:

UStG 1991 § 15a
UStG 1991 § 24
1. Verpachtet ein Land- und Forstwirt seinen gesamten landwirtschaftlichen Betriebsteil, so unterliegen die Verpachtungsumsätze nicht der pauschalen Umsatzbesteuerung nach Durchschnittsätzen, wenn er nach der Verpachtung in nur geringfügigem Umfang weiterhin als Forstwirt tätig ist.

2. Wird ein Wirtschaftsgut zunächst für nach Durchschnittsätzen besteuerte Umsätze und später für Umsätze verwendet, die nicht der Besteuerung nach Durchschnittsätzen unterliegen, kommt eine nachträgliche Gewährung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG in Betracht.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Mit Gesellschaftsvertrag vom 25. April 1989 gründete er mit zwei weiteren Personen zum 1. Mai 1989 bis (mindestens) 30. April 1999 eine landwirtschaftliche Betriebsgesellschaft (GbR). Mit weiterem Vertrag vom 25. April 1989 verpachtete der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb unter Einschluss der landwirtschaftlichen Nutzfläche (59,37535 ha), Gebäude, Einrichtungen und Anlagen, Inventar und Aufwuchs, Wegerechte sowie der Milch-Referenzmenge vom 1. Mai 1989 bis (mindestens) zum 30. April 1999 an die GbR. Nicht mitverpachtet wurden das Wohnhaus des Klägers, die forstwirtschaftlich genutzte Fläche (16,35 ha), die Jagd- und Fischereiausübungsrechte sowie das Recht auf Gewinnung von Bodenbestandteilen. Der Kläger erzielte aus der forstwirtschaftlichen Fläche folgende Erlöse:

Wirtschaftsjahr |Erlöse (DM) 87/88|2 371,06 88/89|2 754,42 89/90|4 421,42 90/91|6 231,67 91/92| --- 92/93| --- 93/94| --- 94/95| --- 95/96|2 000,68 96/97| --- 97/98|2 458,05 98/99|1 905,32 99/00|2 976,90

Die Pachtzinsen wurden bei der GbR als Aufwand und bei dem Kläger als Ertrag gebucht.

Der Kläger behandelte die Pachtzinsen als der Durchschnittsatzbesteuerung unterliegende Entgelte aus Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 24 des Umsatzsteuergesetzes 1991/1993 (UStG) und erklärte für die Streitjahre (1992 bis 1994) keine steuerpflichtigen Umsätze.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, die Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes des Klägers sei eine steuerbare und teilweise steuerpflichtige, der Regelbesteuerung unterliegende Leistung. Der Einspruch des Klägers gegen die entsprechenden Umsatzsteuerbescheide vom 5. Januar 1998 und seine anschließend erhobene Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus:

Die Überlassung des landwirtschaftlichen Betriebes an die GbR sei kein Gesellschafterbeitrag und deshalb steuerbar. Im Streitfall habe der Kläger mit der GbR einen gesonderten Pachtvertrag abgeschlossen; die Pacht sei beim Kläger als Ertrag und bei der GbR als Aufwand behandelt worden; die Höhe der Pachtentgelte habe sich nach Art, Wert, Umfang und Menge der verpachteten Sachen gerichtet. Die rechtliche Qualifikation der Pachtentgelte als Sonderentgelte sei auch zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes unterfalle nicht der Besteuerung nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 UStG, weil der Kläger mit der Verpachtung seines gesamten landwirtschaftlichen Betriebes seine unternehmerische landwirtschaftliche Tätigkeit insgesamt für die Dauer des Pachtverhältnisses aufgegeben habe. Es sei unerheblich, dass der Kläger möglicherweise weiterhin als Forstwirt tätig gewesen sei, denn Landwirtschaft und Forstwirtschaft stellten gesonderte Tätigkeitsbereiche dar.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 243 veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die von ihm fortgesetzte Bewirtschaftung der forstwirtschaftlichen Nutzflächen in der Größe von 16,35 ha sowie des eigenen Jagdbezirkes beinhalte ohne Zweifel die Bewirtschaftung des Bodens zwecks Gewinnung von Pflanzen bzw. Pflanzenteilen mit Hilfe der Naturkräfte. Es verbiete sich eine Selektierung bzw. Atomisierung eines einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in einen landwirtschaftlichen und einen forstwirtschaftlichen Betrieb.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1994 vom 5. Januar 1998 aufzuheben.

Das FA tritt der Revision entgegen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zwar zutreffend entschieden, dass die streitigen Verpachtungsumsätze nicht der Durchschnittsatzbesteuerung nach § 24 UStG und deshalb der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG unterliegen. Möglicherweise kann der Kläger aber für den Zeitraum ab Verpachtung nachträglich Vorsteuerbeträge gemäß § 15a UStG geltend machen. Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen.

1. Die Durchschnittsatzbesteuerung kommt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG nur für die "im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze" in Betracht. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG u.a. die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft. Führt der Unternehmer neben den in § 24 Abs. 1 UStG bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln (§ 24 Abs. 3 UStG).

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) betreibt ein Unternehmer, der seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verpachtet und dessen unternehmerische Betätigung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sich in dieser Verpachtung erschöpft, mit der Verpachtung keine Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 24 UStG (vgl. BFH-Urteile vom 21. Februar 1980 V R 113/73, BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613; vom 21. April 1993 XI R 50/90, BFHE 171, 129, BStBl II 1993, 696). Dagegen kann die Verpachtung einzelner landwirtschaftlicher Flächen durch einen Landwirt im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der Durchschnittsatzbesteuerung unterliegen (vgl. BFH-Urteile vom 11. Mai 1995 V R 4/92, BFHE 177, 559, BStBl II 1995, 610; vom 3. Dezember 1998 V R 48/98, BFHE 187, 352, BStBl II 1999, 150).

b) Nach diesen Grundsätzen kommt im Streitfall eine Durchschnittsatzbesteuerung für die Verpachtungsumsätze nicht in Betracht.

Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Kläger mit der Verpachtung seines gesamten landwirtschaftlichen Betriebes seine unternehmerische landwirtschaftliche Tätigkeit insgesamt für die Dauer des Pachtverhältnisses aufgegeben hat. Der Senat folgt auch der Auffassung des FG, es sei unerheblich, dass der Kläger möglicherweise weiterhin als Forstwirt tätig gewesen sei.

Der Kläger weist allerdings zutreffend darauf hin, dass § 24 Abs. 1 UStG auf die im Rahmen "eines" land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze abstellt. Gleichwohl handelt es sich bei der Landwirtschaft einerseits und der Forstwirtschaft andererseits um unterschiedliche Tätigkeiten, die nicht zwangsläufig und untrennbar miteinander verbunden sind. Sie werden zwar häufig gemeinsam ausgeübt; dies ist jedoch nicht zwingend und bei einem "reinen" Landwirt und bei einem "reinen" Forstwirt auch gar nicht möglich. Dementsprechend verwendet der Gesetzgeber den Begriff "land- und forstwirtschaftlicher Betrieb" in § 24 UStG (lediglich) als Sammelbegriff und unterscheidet im Übrigen die Landwirtschaft von der Forstwirtschaft (vgl. § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG).

Im Streitfall hat der Kläger seinen einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geteilt, indem er den gesamten landwirtschaftlichen Bereich --der den Schwerpunkt seiner Tätigkeit gebildet hatte-- verpachtet und dadurch eine (möglicherweise) zuvor bestehende wirtschaftliche Verbindung zu den forstwirtschaftlichen Flächen bewusst gelöst hat. Seine unternehmerische Betätigung im Bereich der Landwirtschaft erschöpfte sich seitdem in dieser Verpachtung. Die Tätigkeit im Bereich der Forstwirtschaft war demgegenüber ausweislich der dort erzielten Erlöse --in den Streitjahren wurden keinerlei Erlöse erzielt-- von völlig untergeordneter Bedeutung.

2. Gleichwohl muss die Vorentscheidung aufgehoben werden. Denn der Kläger kann möglicherweise noch nachträglich Vorsteuerbeträge gemäß § 15a UStG geltend machen.

a) Soweit Vorsteuerbeträge den im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätzen zuzurechnen sind, für die Umsatzsteuer nach Durchschnittsätzen erhoben wird (§ 24 Abs. 1 Satz 1 UStG), werden die Vorsteuerbeträge pauschaliert nach der Bemessungsgrundlage der Ausgangsumsätze festgesetzt; ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt (§ 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG). Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von fünf bzw. zehn Jahren seit dem Beginn der Verwendung, so ist gemäß § 15a Abs. 1 UStG für jedes Jahr der Änderung ein Ausgleich der durch die Berichtigung der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.

Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG auch dann in Betracht, wenn ein Wirtschaftsgut zunächst für nach Durchschnittsätzen besteuerte Umsätze (§ 24 UStG) und später für Umsätze verwendet wird, die nicht der Besteuerung nach Durchschnittsätzen unterliegen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1993 V R 79/91, BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339).

b) Ob dem Kläger nach diesen Grundsätzen im Streitfall ein (zunächst nach § 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG ausgeschlossener) Vorsteuerabzug für den Zeitraum ab Verpachtung gewährt werden kann, hat das FG nicht festgestellt. Diese Feststellungen muss es im zweiten Rechtsgang nachholen.

Ende der Entscheidung

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