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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.04.1999
Aktenzeichen: V R 85/98
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, UStG


Vorschriften:

AO 1977 § 42 Satz 1
AO 1977 § 42 Satz 2
FGO § 76 Abs. 1
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2
FGO § 118 Abs. 2
UStG § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
UStG § 4 Nr. 12 Satz 1
UStG § 4 Abs. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb aufgrund eines Kaufvertrages vom 14. Juli 1994 für insgesamt ... DM (... DM und ... DM Umsatzsteuer) Teileigentum (196/1000 Miteigentumsanteil) an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an den nicht Wohnzwecken dienenden Räumen im Obergeschoß mit einer Fläche von 169 qm und drei Tiefgaragenplätze. Sie vermietete diese erst im Rohbau fertigen Räume ab 1. September 1994 an ihren Ehemann, einen Zahnarzt, zum Betrieb seiner Zahnarztpraxis für eine monatliche Miete von ... DM (einschließlich Mietnebenkostenvorauszahlung von ...DM) zuzüglich ... DM Umsatzsteuer auf die Dauer von zehn Jahren.

Die Klägerin erklärte nach einem Verzicht auf die Steuerbefreiung der Grundstücksvermietung einen steuerpflichtigen Vermietungsumsatz mit einer Bemessungsgrundlage von ... DM (= Steuer ... DM) und zog Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb der an den Ehemann vermieteten Räume von ... DM ab. Dadurch ergab sich für das Streitjahr 1994 nach Ansicht der Klägerin eine negative Steuer von ... DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Umsatzsteuer für 1994 abweichend von der Steueranmeldung auf minus ... DM fest. Er ließ den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Teileigentums nicht zu.

Das FA beurteilte die steuerpflichtige Vermietung der Praxisräume wegen der folgenden Umstände als unangemessene Gestaltung i.S. von § 42 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977):

Die Klägerin, die 1994 nur über Arbeitnehmereinkünfte aus einer Beschäftigung bei ihrem Ehemann (E) von monatlich rd. ... DM (netto) und über Zinseinnahmen von rd. ... DM verfügte, hatte zum Erwerb der vermieteten Räume am 26. August 1994 ein Darlehen über ... DM von der Sparkasse aufgenommen, das durch eine Grundschuld von ... DM auf dem erworbenen Grundstücksteileigentum gesichert worden war. Die Grundschuld diente zugleich zur Sicherung aller gegen den Ehemann bestehenden Forderungen. Außerdem hatte die Klägerin der Sparkasse zur Sicherheit für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem erwähnten Darlehen und von Forderungen gegen ihren Ehemann ein Festgeldkonto von ... DM verpfändet (Verpflichtung im Darlehensvertrag vom 26. August 1994, Verpfändung vom 1. September 1994).

Am 28. Februar 1995 wandelte sie die Festgeldforderung in eine höher verzinsliche Anlage um. Daraus erhielt sie ab 30. März 1995 vierteljährlich Auszahlungen von ... DM auf die Dauer von fünf Jahren. Diese Zahlungen sollten zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem erwähnten Darlehen verwendet werden. Sie sollten --entsprechend einem bei Beginn des Erwerbs aufgestellten Finanzierungsplan-- die Lücke zwischen den Belastungen der Klägerin durch das Darlehen zum Erwerb des Teileigentums infolge von Zins- und Tilgungsleistungen und ihren Einnahmen (aus Vermietung und Arbeitnehmertätigkeit) schließen.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hatte der Ehemann der Klägerin 100 000 DM geschenkt und am 29. September 1994 von seinem betrieblichen Einnahmekonto überwiesen. Am 15. September 1994 konnte der Ehemann über einen Betriebsmittelkredit der Sparkasse von 100 000 DM verfügen. Dieses Darlehen mußte er --nach den finanzgerichtlichen Feststellungen-- aufnehmen, weil sonst (mangels entsprechender Guthaben auf dem Einnahmekonto) wegen der Überweisung der an die Klägerin verschenkten 100 000 DM kein Geld zum Ausgleich von betrieblichen Verbindlichkeiten mehr zur Verfügung stand. Die Rückzahlung des erwähnten Betriebsmittelkredits wurde durch die auf dem Teileigentum der Klägerin eingetragene Grundschuld gesichert.

Das FA wies den Einspruch der Klägerin gegen die Steuerfestsetzung für 1994 zurück, u.a. weil die Klägerin bei dem Erwerb des Teileigentums wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei --wegen einer vorhandenen Unterdeckung von 19 000 DM-- die Aufwendungen für Zins und Tilgung zu tragen.

Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Es vertrat die Auffassung, die Klägerin habe sich in eine als steuerpflichtige Vermietung gestaltete Überlassung von Räumen einer Arztpraxis einschalten lassen, obwohl sie die Vermieterstellung aus eigener wirtschaftlicher Kraft nicht habe ausfüllen können.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verfahrensmängel.

Sie vertritt außerdem die Auffassung, das FG sei unzutreffend von einem Gestaltungsmißbrauch ausgegangen. Mit Hilfe der Schenkung des Ehemannes sei sie, die Klägerin, in der Lage gewesen, die Zins- und Tilgungsleistungen aus eigener wirtschaftlicher Kraft aufzubringen. Rückschlüsse aus der Finanzierung der Schenkung seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Zwei- oder Mehrkontenmodell unzulässig.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1994 erklärungsgemäß festzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat keine begründeten Verfahrensrügen erhoben.

Soweit sie rügt, das FG habe den Sachverhalt nicht korrekt ermittelt, macht sie einen Verfahrensmangel durch Verletzung von § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Die Rüge genügt jedoch nicht den Anforderungen, die § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt.

Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Auswertung des Akteninhalts und wegen unterlassener Beweiserhebung rügt, muß in der Revisionsbegründung bezeichnen (vgl. BFH, z.B. Beschluß vom 4. Juni 1998 VII B 67/98, BFH/NV 1999, 54, m.w.N.), welche weitere Aufklärung sich dem FG --nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung-- von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluß vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.

Die Begründung der Revision enthält dazu keine hinreichend konkreten Angaben. Die Klägerin macht insbesondere keine näheren Angaben, auf welchem Konto ihr Ehemann über weitere liquide Mittel zur Erfüllung des Schenkungsversprechens verfügte, welchen Stand das Einnahmekonto am Tag nach der Gutschrift des Betriebsmittelkredits am 29. September 1994 gehabt hat, weshalb die angeblich fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung nicht im finanzgerichtlichen Verfahren gerügt worden ist und weshalb sich nach der maßgebenden Rechtsauffassung des FG eine andere Entscheidung ergeben hätte. Da die Streitsache in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 24. Juni 1998 --ausweislich der Sitzungsniederschrift-- mit dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert und keine weitere Sachverhaltsaufklärung beantragt worden war, besteht das Rügerecht nicht mehr.

Danach ist mangels begründeter Revisionsrügen --wie vom FG festgestellt-- davon auszugehen, daß die Klägerin lediglich mit einer kreditfinanzierten Geldschenkung ihres Ehemannes in die Lage versetzt wurde, die mit dem angeschafften Objekt verbundenen Belastungen wirtschaftlich zu tragen.

2. Soweit das FG erkannt hat, daß die Klägerin nicht berechtigt war, die ihr für den Erwerb der an ihren Ehemann vermieteten Praxisräume berechnete Steuer als Vorsteuerbeträge abzuziehen, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Vorsteuerabzug steht entgegen, daß die von der Klägerin gestaltete Vermietung der Praxisräume an ihrem Arzt-Ehemann eine Umgehung des Vorsteuerausschlusses nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (im folgenden UStG) darstellt. Der Vorsteuerausschluß tritt ein, wenn mit ausgewiesener Umsatzsteuer erworbene Grundstücksteile für steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 Satz 1 UStG) verwendet werden. Bei einer dem Gesetzeszweck angemessenen Gestaltung (§ 42 Satz 2 AO 1977) hätte die Klägerin ihrem Ehemann die Praxisräume unentgeltlich überlassen, sofern dieser sie nicht selbst angeschafft hätte.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es als Gestaltungsmißbrauch i.S. von § 42 Satz 1 AO 1977 anzusehen, wenn ein Unternehmer, der eine den Vorsteuerabzug ausschließende Umsatztätigkeit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG z.B. i.V.m. § 4 Nr. 14 UStG ausführt, seinen Ehegatten als Vermieter der für sein Unternehmen benötigten Räume "vorschaltet", damit dieser den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Immobilie geltend macht. Eine derartige "Vorschaltung" des Ehegatten liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete und aus sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung der Miete und von Arbeitslohn hinaus in nicht nur unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligt (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluß vom 14. Januar 1999 V B 156/97, zur Veröffentlichung in BFH/NV vorgesehen, mit Hinweisen auf die frühere Senatsrechtsprechung).

b) Zwar hat der BFH eine rechtsmißbräuchliche Vermietung von Praxisräumen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs dann nicht angenommen, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten beim Erwerb des Grundstücks finanzielle Mittel in ausreichender Höhe (z.B. durch Schenkung) überläßt, die dem Vermieter-Ehegatten die Lastentragung (Zins und Tilgung sowie Bewirtschaftungskosten) aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermöglichen (Urteil vom 18. Januar 1995 XI R 21/94, BFH/NV 1995, 930).

Das FG hat diese Grundsätze beachtet, aber revisionsrechtlich unangreifbar festgestellt, daß die Klägerin keine vollwertige Schenkung ihres Ehemannes erhalten hat. Es hat dargelegt, daß ihr der geschenkte Geldbetrag von 100 000 DM erst nach Abschluß des Grundstückskaufs zugewendet worden sei und daß ihr Ehemann das Schenkungsversprechen nur durch Aufnahme eines Kredits habe erfüllen können. Mangels eigener Sicherheiten des Schenkers habe die beschenkte Klägerin den Anspruch der Sparkasse auf Rückzahlung des Darlehens, mit dessen Hilfe die Schenkung ermöglicht worden sei, auf dem erworbenen Grundeigentum gesichert.

Das FG ist aufgrund dieser Umstände zu der weiteren tatsächlichen Feststellung gelangt, die für das Revisionsgericht bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die Klägerin die erwähnten Lasten nicht aus eigener Wirtschaftskraft habe tragen können, weil sie ohne den ihr geschenkten Geldbetrag die Verbindlichkeiten durch Zins- und Tilgungsleistungen aus eigenen Einnahmen und eigenem Vermögen nicht vollständig hätte erfüllen können. Diese Feststellung ist möglich. Es ist nicht notwendig, daß sie zwingend ist.

Die rechtliche Schlußfolgerung, daß die von der Klägerin gewählte Gestaltung den Ausschluß des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG) habe umgehen sollen, der eintritt, wenn Leistungsbezüge für steuerfreie Umsätze verwendet werden, ist mit den Grundsätzen der oben bezeichneten Senatsrechtsprechung vereinbar. Die ertragsteuerrechtliche Beurteilung der Gestaltung ist für die umsatzsteuerrechtliche Bewertung nicht maßgebend (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 V R 90/92, BFHE 170, 299, BStBl II 1993, 700).

3. Selbst wenn danach davon auszugehen ist, daß die Klägerin im Streitjahr keine steuerpflichtige Vermietung ausgeführt hat und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war, braucht die angefochtene Steuerfestsetzung wegen des Verböserungsverbots nicht geändert zu werden. Die Klägerin wird durch die danach unzutreffende Festsetzung des Überschusses vom 297 DM nicht belastet.

Ende der Entscheidung

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