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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.11.2005
Aktenzeichen: VI B 48/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist begründet, weil dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist versagt worden ist.

1. Nach § 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Vorliegend ist das Finanzgericht (FG) unzutreffend von einem Verschulden des Klägers an der Versäumung der Klagefrist ausgegangen.

a) Das FG hat unter Berufung auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Juni 1996 X R 95/93 (BFH/NV 1997, 40) angenommen, dass es auf die Schwere der Erkrankung des Klägers nicht ankam, weil er als selbständiger Rechtsanwalt auch in eigenen Angelegenheiten zu einer Büroorganisation verpflichtet sei, die zwar nicht die Bearbeitung, zumindest aber die Einhaltung von Fristen auch bei einer Erkrankung sicher stelle. Dieser Auffassung ist unter den vorliegend gegebenen Verhältnissen jedoch nicht zu folgen.

aa) Zwar hat der BFH in dem vom FG herangezogenen Beschluss in BFH/NV 1997, 40 entschieden, dass ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater --auch in eigener Sache-- besondere Sorgfalt anwenden und die notwendige Überwachung des Fristablaufs eigenverantwortlich durch geeignete zusätzliche Maßnahmen sicherstellen muss, wenn die büromäßig organisierte Fristenkontrolle durch besondere Umstände beeinträchtigt ist. In dem damals entschiedenen Fall hatte sich der Kläger u.a. darauf berufen, infolge besonderer Umstände ca. vier Monate lang im Sekretariat nicht namentlich benannte Aushilfskräfte beschäftigt zu haben, weshalb die Revisionszulassung nicht ordnungsgemäß in den Büropostlauf gelangt und die Revisionsfrist versäumt worden sei.

Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Denn vorliegend hat der Kläger die Fristversäumung nicht mit einem Büroversehen, sondern mit seiner plötzlichen Erkrankung entschuldigt. Entsprechend ging es weder um eine Beeinträchtigung der büromäßig organisierten Fristenkontrolle, noch hat das FG festgestellt, dass der Kläger es an der erforderlichen eigenverantwortlichen Überwachung des Fristablaufs hat fehlen lassen. Vielmehr hat der Kläger geltend gemacht, wegen einer schmerzhaften Nierenkolik an den beiden letzten Tagen der Klagefrist an der Einreichung der Klage gehindert gewesen zu sein; er hat sie unmittelbar danach am ersten auf den Fristablauf folgenden Werktag eingereicht.

bb) Im Übrigen kann bei einer so kurzen, in der Regel nicht vorhersehbaren Erkrankung das Fehlen einer Büroorganisation, die eine jederzeitige Vertretung des plötzlich erkrankten Berufsträgers ermöglicht, allenfalls dann zu einem Verschulden führen, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts in fremden Rechtsangelegenheiten eine solche Organisation erfordert. Das hat das FG vorliegend nicht festgestellt; nach eigenen Angaben war der Kläger, der bis in das Streitjahr hinein hauptberuflich Geschäftsführer eines Unternehmens war, nur beratend tätig.

b) Entgegen der Ansicht des FG genügt grundsätzlich eine ärztlich bescheinigte akute Nierensteinkolik, um eine so kurzfristige Verhinderung bei der Einhaltung der Klagefrist wie im Streitfall zu entschuldigen. Das FG überspannt die Anforderungen an die Einhaltung der Klagefrist, wenn es aus der Tatsache, dass der Erkrankte zwar in der Lage war, einen Arzt ans Krankenbett zu rufen, jedoch keinen Vertreter zur Klageerhebung eingeschaltet hat, einen Anhaltspunkt für ein Verschulden ableitet. Ebenso wenig spricht es gegen eine (vorherige) krankheitsbedingte Verhinderung, wenn der Kläger unmittelbar nach dem natürlichen Abgang des Nierensteins und der Beendigung der Koliken eine möglicherweise strapaziöse Reise auf sich genommen hat, um an seine Unterlagen für die Klageerhebung zu kommen. Wenn das FG Zweifel an Art und Dauer der bescheinigten Erkrankung hatte, hätte es nicht davon absehen dürfen, die behandelnde Ärztin als Zeugin zu vernehmen.

2. Die zu Unrecht erfolgte Versagung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 65). Der Senat hält es für zweckmäßig, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).

Ende der Entscheidung

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