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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: VI R 136/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 34 Abs. 3
1. Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm stellen im Regelfall als Anreizlohn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Abweichend hiervon können Entgelte für frühere Arbeitsleistungen angenommen werden, wenn die Tatumstände ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge zusätzlich entlohnt werden sollten.

2. Mehrjährigkeit erfordert, dass zwischen Einräumung und Erfüllung des Optionsrechts mehr als zwölf Monate liegen und der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum auch beschäftigt war.

3. Der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG steht weder entgegen, dass wiederholt Aktienoptionen eingeräumt werden, noch, dass die jeweils gewährte Option nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt wird.


Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden zum Streitjahr (1997) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob Arbeitslohn nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern ist, der der Ehefrau (Klägerin) aufgrund eines 1991 eingeräumten Aktienbezugsrechts durch dessen Ausübung nach Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis 1997 zugeflossen ist. Die Klägerin, die seit 1991 bei der Firma X-GmbH (folgend GmbH) beschäftigt war, beteiligte sich zum Ende des Einstellungsmonats am Aktienoptionsprogramm der Muttergesellschaft der GmbH, was zu einem Bezugsrecht von 325 X-Aktien führte. Das Optionsrecht konnte innerhalb von zehn Jahren, spätestens aber innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden, ausgeübt werden, und zwar erstmals nach einem Jahr 1/4 und danach eine beliebige Anzahl von Bezugsrechten, wobei eine Ausübung höchstens zweimal im Kalenderjahr möglich war. Von den 325 Optionen nahm die Klägerin 1993 148 und 1994 32 in Anspruch. Die nach der Geburt eines Sohnes im September 1993 nur noch teilzeitbeschäftigte Klägerin ist im September 1996 ausgeschieden. Im August 1997 nahm sie die verbliebenen 145 Optionen in Anspruch, was nach Abzug von Gebühren und Spesen zu einer Gutschrift von 108 594 DM führte. Diese erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrages als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Einspruch, mit dem die Steuerbarkeit eines geldwerten Vorteils verneint und hilfsweise die Anwendbarkeit von § 34 Abs. 3 EStG geltend gemacht wurde, hatte keinen Erfolg. Die Klage, mit der nur noch die Versagung des § 34 Abs. 3 EStG gerügt wurde, wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 134 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision tragen die Kläger vor, das FG gehe selbst davon aus, dass der streitbefangene Betrag eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit darstelle. Es verneine die Tarifermäßigung aber mit der Begründung, dass das Merkmal der Außerordentlichkeit, welches das FG aus der Überschrift zu § 34 EStG ableite, nicht erfüllt sei. Richtigerweise habe es bei einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit des Rückgriffs auf die Außerordentlichkeit nicht mehr bedurft bzw. die Außerordentlichkeit werde bereits durch das Merkmal Vergütung für mehrjährige Tätigkeit erfüllt. Sinn der Vorschrift sei, die Tarifprogression zu beseitigen, die durch eine zusammengeballte Entlohnung einer Tätigkeit für mehrere Jahre entstehe. Da im Streitfall die Vergütung für 2,6 Jahre gewährt worden sei, stehe der Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG nichts im Wege, auch wenn frühere Optionsübungen bereits einen Teil der Vergütung abgegolten hätten.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den angefochtenen Bescheid unter Aufhebung der Vorentscheidung dahingehend abzuändern, dass auf die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit § 34 Abs. 3 EStG angewendet wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Dabei tritt das FA der Revision im Wesentlichen mit den Gründen des FG entgegen.

II.

Die Revision ist begründet. Den Klägern steht die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG zu.

1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass Vorteile aus einem für Dienstleistungen gewährten Aktienoptionsprogramm in dem Jahr zu einem Lohnzufluss führen, in dem die Ansprüche aus den Optionsrechten erfüllt werden. Dabei errechnet sich der Vorteil aus der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis der Aktien am Verschaffungstag und den diesbezüglichen Aufwendungen des Arbeitnehmers (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689).

2. Nach § 34 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung bemisst sich die tarifliche Einkommensteuer auf Einkünfte, die die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind, nach der sog. Drittelungsregelung.

a) Aktienoptionsrechte werden regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu bewirken. Dementsprechend stellen sie als Anreizlohn im Regelfall eine Vergütung für die Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung dar und vergüten eine mehrjährige Tätigkeit, wenn die tatsächliche Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist. Deshalb ist der geldwerte Vorteil, ungeachtet der Endbesteuerung im Zuflussjahr, anteilig den Jahren der Laufzeit zuzuordnen mit der Folge, dass beispielsweise Vorteilsanteile, die auf Zeiten entfallen, in denen der Arbeitnehmer nicht unbeschränkt steuerpflichtig war, nach Maßgabe des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung freizustellen und ggf. nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu erfassen sind (BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, und I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512). Diese typischerweise mit einer Aktienoption verfolgte Zielsetzung tritt lediglich in solchen Fällen in den Hintergrund, in denen die Umstände des Einzelfalles ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge der Vergangenheit zusätzlich honoriert werden sollten.

b) Eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit entfällt nicht dann, wenn Aktienoptionen wiederholt eingeräumt werden. Vielmehr stellen bei entsprechender Laufzeit die Vorteile aus jeder dieser Optionen eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Insbesondere sind solche Vorteile nicht mit Tantiemezahlungen vergleichbar. Bei Letzteren handelt es sich um Erfolgsvergütungen, die sich an in der Vergangenheit liegenden Kennziffern des Unternehmens orientieren und mit denen frühere Arbeitsleistungen über einen Zeitraum von regelmäßig nicht mehr als 12 Monaten zusätzlich honoriert werden. Ihre Besonderheit liegt lediglich darin, dass das Auszahlungsjahr nicht mit dem Jahr, für welches die Vergütung erfolgt, übereinstimmt. Eine mehrjährige Tätigkeit wird dadurch nicht entgolten. Dagegen geht in den geldwerten Vorteil aus der Gewährung von Aktienoptionen der Wertzuwachs der Aktien der gesamten Laufzeit bis zur Erfüllung des Optionsrechts ein. Folglich stellen sie regelmäßig auch eine Entlohnung für diese Laufzeit dar.

c) Der Anwendung der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG steht bei mehrjähriger Laufzeit nicht entgegen, wenn die jeweils eingeräumte Option nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt wird. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Rechtsfolgen des § 34 Abs. 1 EStG für die in § 34 Abs. 2 EStG definierten außerordentlichen Einkünfte auf die hiervon abweichenden Rechtsfolgen des § 34 Abs. 3 EStG betreffend Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit sinngemäß angewendet werden können. Jedenfalls ist es nicht geboten, die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG bei Aktienoptionen mit unterschiedlichen Ausübungszeitpunkten mangels Zusammenballung von Einkünften zu verneinen. Während die außerordentlichen Einkünfte des § 34 Abs. 1 und 2 EStG der Höhe nach feststehende Einkünfte aus abgeschlossenen Sachverhalten betreffen, kann bei Aktienoptionen erst nach deren Ausübung festgestellt werden, ob und in welcher Höhe geldwerte Vorteile entstehen. Dies hat zur Folge, dass bei unterschiedlichen Ausübungszeitpunkten der Vorteil je Option erheblich schwanken kann, was auf Umständen beruht, die der Optionsberechtigte selbst in aller Regel nicht maßgebend beeinflussen kann. Deshalb ist es nicht geboten, den Gedanken der Zweckverfehlung, wenn außerordentliche Einkünfte entgegen ihrem Charakter auf mehrere Jahre verteilt werden, auf Aktienoptionen zu übertragen. Letzten Endes wird dadurch auch eine Gleichbehandlung mit solchen Arbeitnehmern erreicht, die bei einer geringeren Anzahl von Optionsrechten und einheitlicher Ausübung zu nämlichen geldwerten Vorteilen gelangen, wie ein Arbeitnehmer, der nur einen Teil seiner entstandenen Optionsrechte ausübt.

3. In Anwendung der obigen Grundsätze war die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG zu gewähren, weil auch die Ausübung der im Streitjahr noch verbliebenen Aktienoptionen zu Einkünften führte, die eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit darstellten. Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung dem Ausscheiden der Klägerin im September 1996 zukommt, da die Laufzeit der Option und die Tätigkeit der Klägerin bei ihrem Arbeitgeber von der Einräumung im Jahr 1991 bis zum Ausscheiden bereits mehrere Jahre betragen hatte.

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