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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: VI R 159/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 34 Abs. 1
EStG § 34 Abs. 2
EStG § 34 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden zum Streitjahr (1998) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob Arbeitslohn nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern ist, den der Ehemann (Kläger) aufgrund von Aktienoptionsrechten, die ihm in den Jahren 1993, 1994 und 1995 eingeräumt worden waren, durch deren Ausübung im Streitjahr bezogen hat.

Der Kläger ist seit April 1991 leitender Angestellter der X-GmbH. Ihm wurden Optionsrechte auf den Erwerb von Z-Aktien zu einem vorab festgelegten Kurs eingeräumt, nämlich (Jahr: Anzahl) 1991: 475, 1993: 2 000, 1994: 3 000 und 1995: 2 000. Die Optionsausübung unterlag bestimmten Fristen und konnte nur zweimal innerhalb eines Kalenderjahres erfolgen. Im Streitjahr machte der Kläger je zweimal von seinem Bezugsrecht für die 1993, 1994 und 1995 eingeräumten Optionen Gebrauch, was insgesamt zu einem geldwerten Vorteil in Höhe von 1 153 084 DM führte. Einen Teil der 1993 und 1994 eingeräumten Aktienoptionen hatte der Kläger bereits 1994, 1995 und 1996 (Einräumungsjahr 1993) bzw. 1995 und 1996 (Einräumungsjahr 1994) realisiert. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, auf die Optionserlöse in Höhe von 1 153 084 DM die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG anzuwenden. Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg. Die Gründe des Finanzgerichts (FG) sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 276, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (DStRE) 2002, 498, veröffentlicht.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 34 Abs. 3 EStG. Das FG habe eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit mangels Zusammenballung von Einkünften mehrerer Jahre mit der Begründung verneint, die Optionsrechte seien über mehrere Jahre verteilt ausgeübt worden. Dem sei nicht zu folgen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, und I R 199/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512) fließe der geldwerte Vorteil aus der Gewährung von Optionsrechten nicht zum Zeitpunkt der Zusage, sondern zu dem der Ausübung (hier: 1998) zu. Es werde eine Vergütung als zusätzliche Motivation bis zur Optionsausübung versprochen; folglich würden zeitraumbezogene Bezüge gewährt. Weil jeder der 1993, 1994 und 1995 eingeräumten Optionen eine Vergütung für eine mehr als zwölfmonatige Beschäftigung zugrunde liege, seien jeweils auch Vergütungen für mehrere Jahre anzunehmen. Der Zufluss 1998 habe auch eine erhebliche Tarifprogression und damit eine Zusammenballung zur Folge. Das FG erkenne zwar an, dass 1998 81,6 v.H. der 1993 bis 1995 eingeräumten Optionsrechte zugeflossen seien, verneine aber eine Zusammenballung, weil damit nicht annähernd ein vollständiger Zufluss aller geldwerten Vorteile aus diesen Optionen erfolgt sei. Diese Auffassung sei weder mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch mit Wortlaut bzw. Sinn und Zweck von § 34 Abs. 3 EStG vereinbar. Die Vorschrift verlange nur, dass Arbeitslöhne mehrerer Jahre in einem Veranlagungszeitraum zusammenflössen. Einen Hinweis auf den Umfang einer "Zusammenballung" enthalte sie nicht. Sie sei bereits anwendbar, wenn Arbeitslöhne zusammenträfen, die für sich betrachtet keine Vergütung für mehrere Jahre darstellten (BFH-Urteil vom 11. Juni 1970 VI R 338/67, BFHE 99, 306, BStBl II 1970, 639 zu Tantiemen mehrerer Jahre).

Die vom FG herangezogene Rechtsprechung zur Rechtslage vor 1990 sei schon deswegen nicht zu übernehmen, weil die für das Streitjahr maßgebende Tarifermäßigung von Amts wegen zu berücksichtigen sei, während sie zuvor auf Antrag des Steuerpflichtigen auf die von ihm auszuwählenden drei Veranlagungszeiträume zuzuordnen gewesen sei. Bei der hier vorzunehmenden Drittelung habe der Gesetzgeber bewusst offen gelassen, ob im Einzelfall eine Tarifermäßigung eintrete, was bei besonders hohen nicht begünstigten bzw. bei besonders hohen begünstigten Einkünften nicht der Fall sei. Hieraus sei zu folgern, dass es dem Gesetzgeber gerade nicht darauf angekommen sei, ob die betreffende Vergütung auf einmal zugeflossen ist, sondern darauf, die mögliche Tarifentlastung für mehrjährige Tätigkeiten in jedem Zuflussjahr pauschaliert zu ermitteln, was der Steuerpflichtige auch dann hinnehmen müsse, wenn bei hohen Nachzahlungsbeträgen eine Verschlechterung eintrete. Eine hiervon abweichende Auslegung des § 34 Abs. 3 EStG sei auch nicht unter Missbrauchsgesichtspunkten geboten. Die Optionen seien im Streitfall zwar in mehreren Jahren ausgeübt worden, jedoch nicht so, dass bei einem feststehenden Besteuerungsbestandteil die Verteilung nach Gesichtspunkten der Steuerminimierung erfolgt sei. Vielmehr seien die Optionsrechte aus wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen ausgeübt worden, wobei die Zuflüsse völlig unterschiedlich und von Jahr zu Jahr nicht vorhersehbar gewesen seien.

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die aus den Aktienoptionen 1998 zugeflossenen geldwerten Vorteile unter Anwendung von § 34 Abs. 3 EStG zu besteuern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Aus dem Zweck des § 34 Abs. 3 EStG, die auf der Steuerprogression beruhende Mehrbelastung zu mildern oder zu beseitigen folge, dass die Vorschrift nur anzuwenden sei, wenn die Zahlung für die mehrjährige Tätigkeit in einem Veranlagungszeitraum geleistet werde. Dabei spiele keine Rolle, dass die Tarifermäßigung nunmehr von Amts wegen anzuwenden sei, da davon das Erfordernis der Vergütung für mehrjährige Tätigkeit und der Zusammenballung nicht betroffen werde. Nur für diese Ausnahmesituation sei § 34 Abs. 3 EStG geschaffen, weil andernfalls eine Ungleichbehandlung zu anderen Steuerpflichtigen mit schwankenden Einkünften eintrete. Ob für den Ausübungszeitpunkt der Option steuerliche Erwägungen eine Rolle gespielt haben, sei ebenfalls unerheblich. Entscheidend sei allein der objektive Zufluss. Letzten Endes sei auch das Tatbestandsmerkmal Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht erfüllt, da dem Kläger praktisch jedes Jahr Optionsrechte zugesagt worden seien.

II. Die Revision ist begründet. Den Klägern steht die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG zu.

1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass Vorteile aus einem für Dienstleistungen gewährten Aktienoptionsprogramm in dem Jahr zu einem Lohnzufluss führen, in dem die Ansprüche aus den Optionsrechten erfüllt werden. Dabei errechnet sich der Vorteil aus der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis der Aktien am Verschaffungstag und den diesbezüglichen Aufwendungen des Arbeitnehmers (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689).

2. Nach § 34 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung bemisst sich die tarifliche Einkommensteuer auf Einkünfte, die die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind, nach der sog. Drittelungsregelung.

a) Aktienoptionsrechte werden regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu bewirken. Dementsprechend stellen sie als Anreizlohn im Regelfall eine Vergütung für die Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung dar und vergüten eine mehrjährige Tätigkeit, wenn die tatsächliche Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist. Deshalb ist der geldwerte Vorteil, ungeachtet der Endbesteuerung im Zuflussjahr, anteilig den Jahren der Laufzeit zuzuordnen mit der Folge, dass beispielsweise Vorteilsanteile, die auf Zeiten entfallen, in denen der Arbeitnehmer nicht unbeschränkt steuerpflichtig war, nach Maßgabe des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung freizustellen und ggf. nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu erfassen sind (BFH-Urteile in BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509 und in BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512). Diese typischerweise mit einer Aktienoption verfolgte Zielsetzung tritt lediglich in solchen Fällen in den Hintergrund, in denen die Umstände des Einzelfalles ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge der Vergangenheit zusätzlich honoriert werden sollten.

b) Eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit entfällt nicht dann, wenn Aktienoptionen wiederholt eingeräumt werden. Vielmehr stellen bei entsprechender Laufzeit die Vorteile aus jeder dieser Optionen eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Insbesondere sind solche Vorteile nicht mit Tantiemezahlungen vergleichbar. Bei Letzteren handelt es sich um Erfolgsvergütungen, die sich an in der Vergangenheit liegenden Kennziffern des Unternehmens orientieren und mit denen frühere Arbeitsleistungen über einen Zeitraum von regelmäßig nicht mehr als 12 Monaten zusätzlich honoriert werden. Ihre Besonderheit liegt lediglich darin, dass das Auszahlungsjahr nicht mit dem Jahr, für welches die Vergütung erfolgt, übereinstimmt. Eine mehrjährige Tätigkeit wird dadurch nicht entgolten. Dagegen geht in den geldwerten Vorteil aus der Gewährung von Aktienoptionen der Wertzuwachs der Aktien der gesamten Laufzeit bis zur Erfüllung des Optionsrechts ein. Folglich stellen sie regelmäßig auch eine Entlohnung für diese Laufzeit dar.

c) Der Anwendung der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG steht bei einer mehrjährigen Laufzeit auch nicht entgegen, wenn die jeweils eingeräumte Option nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt wird. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Rechtsfolgen des § 34 Abs. 1 EStG für die in § 34 Abs. 2 EStG definierten außerordentlichen Einkünfte auf die hiervon abweichenden Rechtsfolgen des § 34 Abs. 3 EStG betreffend Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit sinngemäß angewendet werden können. Jedenfalls ist es nicht geboten, die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG bei Aktienoptionen mit unterschiedlichen Ausübungszeitpunkten mangels Zusammenballung von Einkünften zu verneinen. Während die außerordentlichen Einkünfte des § 34 Abs. 1 und 2 EStG der Höhe nach feststehende Einkünfte aus abgeschlossenen Sachverhalten betreffen, kann bei Aktienoptionen erst nach deren Ausübung festgestellt werden, ob und in welcher Höhe geldwerte Vorteile entstehen. Dies hat zur Folge, dass bei unterschiedlichen Ausübungszeitpunkten der Vorteil je Option erheblich schwanken kann, was auf Umständen beruht, die der Optionsberechtigte selbst in aller Regel nicht maßgebend beeinflussen kann. Deshalb ist es nicht geboten, den Gedanken der Zweckverfehlung, wenn außerordentliche Einkünfte entgegen ihrem Charakter auf mehrere Jahre verteilt werden, auf Aktienoptionen zu übertragen. Letzten Endes wird dadurch auch eine Gleichbehandlung mit solchen Arbeitnehmern erreicht, die bei einer geringeren Anzahl von Optionsrechten und einheitlicher Ausübung zu nämlichen geldwerten Vorteilen gelangen, wie ein Arbeitnehmer, der nur einen Teil seiner Optionsrechte ausübt.

3. In Anwendung der obigen Grundsätze war die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG zu gewähren, weil seit Einräumung der im Streitjahr noch verbliebenen und dann ausgeübten Aktienoptionen der Kläger mehr als 12 Monate bei seinem Arbeitgeber tätig gewesen war. Dies führte zu Einkünften, die eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit darstellten.

Ende der Entscheidung

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