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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.04.1999
Aktenzeichen: VI R 191/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 74
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 62 Abs. 3
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Prozeßbevollmächtigte (P) der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhob in deren Namen gegen die Einkommensteuerbescheide 1986 und 1987 des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Klagen, mit denen zuletzt im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden vorrangig das Aussetzen der Verfahren (§ 74 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und in der Sache jeweils ein Kinderfreibetrag in Höhe von 5 000 DM pro Kind begehrt wurde. Dem Gericht lagen von den Klägern unterschriebene undatierte und datierte Vollmachtsurkunden vor, nach deren Inhalt P bevollmächtigt wurde, die Kläger in ihren "Steuer- und Buchführungsangelegenheiten vor allen Gerichten" zu vertreten.

Der Berichterstatter forderte P im Hinblick darauf, daß das Klagebegehren nach der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Aussicht auf Erfolg verspreche, jeweils auf, Zweifel über das Weitergelten einer Bevollmächtigung durch Vorlage neuer auf das konkrete Verfahren bezogener Prozeßvollmachten auszuräumen. Durchschriften hiervon ergingen an die Kläger persönlich. Es ging in beiden Streitfällen weder eine erneute Vollmacht ein noch haben sich die Kläger persönlich geäußert.

Das Finanzgericht (FG) verwarf die Klagen mit der Begründung als unzulässig, wirksame Prozeßvollmachten seien nicht vorgelegt worden, da wegen berechtigter Zweifel neue Vollmachten hätten verlangt werden dürfen und müssen. Die Prozeßführung in den Streitfällen und das Verhalten des P in anderen Fällen ließen den Schluß zu, daß P ungeachtet des weitergehenden Wortlauts der Blankovollmachten im Innenverhältnis zur Führung der konkreten Verfahren nicht befugt sei. Damit werde nicht vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Februar 1998 VI R 88/97 (BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445) abgewichen. Zum einen unterscheide sich der dort zugrundeliegende Sachverhalt in entscheidungserheblicher Weise von den Streitfällen. Zum anderen könne das Schweigen der Kläger auf die Hinweisschreiben des Gerichts nicht als stillschweigende Genehmigung der Prozeßführung des P angesehen werden. Es sei nicht Aufgabe steuerrechtlicher Laien, ein Organ der Steuerrechtspflege trotz gesetzlicher Aufsichtspflicht der Steuerberaterkammer und Fürsorgepflichten der Finanzbehörden und FG sachlich und fachlich kontrollieren zu müssen, um der Unterstellung zu entgehen, sie hätten die Prozeßführung des P genehmigt, für die dieser die Innenvollmacht gerade nicht vorlegen könne.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie des § 76 Abs. 2 und § 62 Abs. 3 FGO.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

1. Die Revision ist zulässig.

Zwar hat P für das Revisionsverfahren keine besondere Vollmacht vorgelegt. Nach den dem FG eingereichten Vollmachten ist er jedoch sowohl zur Prozeßführung vor dem FG als auch zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen das erstinstanzliche Urteil bevollmächtigt.

2. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat die Klagen zu Unrecht mangels Vorlage einer wirksamen Prozeßvollmacht als unzulässig abgewiesen.

Der Senat hat mit seinem Urteil in BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445 entschieden, daß Vollmachten der in den Klageverfahren vorgelegten Art den Anforderungen des § 62 Abs. 3 FGO genügen. Hieran hält der Senat auch im Streitfall fest. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im erwähnten Urteil verwiesen, dessen zugrundeliegender Sachverhalt sich entgegen der Ansicht des FG nicht in entscheidungserheblicher Weise vom Streitfall unterscheidet. Wenn sich --wie im Streitfall-- etwaige Zweifel an einer Bevollmächtigung nicht erhärten, sind die den Beweisanforderungen des § 62 Abs. 3 FGO genügenden Vollmachten zu beachten, ohne daß es einer unterstellten Genehmigung bedarf (vgl. auch BFH-Urteil vom 16. September 1998 VI R 37/98, BFH/NV 1999, 485). Im übrigen kann es einer Partei, gerade wenn sie eine umfassende Vollmacht erteilt hat, sehr wohl obliegen, auf das Einhalten interner Beschränkungen zu achten bzw. etwaige Mißverständnisse auszuräumen.

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