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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: VI R 24/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 34 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob Arbeitslohn, der auf einem 1993 eingeräumten und im Streitjahr 1998 ausgeübten Aktienoptionsrecht beruht, nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern ist.

Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Arbeitnehmer der X GmbH von deren amerikanischer Muttergesellschaft in den Jahren 1992 bis 1999 Optionsrechte zum Erwerb von X-Aktien gewährt; so auch mit Vergabevertrag vom 30. Juli 1993, der den Bezug von 1 920 Aktien zum Preis von 74 $ vorsah. Voraussetzung für die Vergabe war eine halbjährliche Leistungsbewertung durch den jeweiligen Vorgesetzten für das abgelaufene Geschäftsjahr (hier: vom 1. Juli 1992 bis 30. Juni 1993), wobei ca. 15 % der Mitarbeiter der GmbH nicht bezugsberechtigt waren. Nach dem Vergabevertrag konnte ein Viertel der Optionsrechte nach 18 Monaten und danach alle sechs Monate jeweils ein Achtel ausgeübt werden, so dass eine vollständige Inanspruchnahme frühestens nach 54 Monaten möglich war. Die grundsätzlich nicht übertragbare Option verfiel nach zehn Jahren. Durch entsprechende Splits besaß der Kläger aus diesem Vergabevertrag 15 360 Aktienoptionen, die er im Juni 1998 ausübte, was zu einem geldwerten Vorteil von unstreitig ... DM führte. Diesen Betrag erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) als Arbeitslohn, ohne ihn --wie vom Kläger beantragt-- gemäß § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt zu besteuern. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 503, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst (DStRE) 2001, 699 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 34 Abs. 3 EStG. Entgegen der Auffassung des FG stellten die aus der Option bezogenen Vorteile Arbeitslohn nicht nur für das Wirtschaftsjahr 1992/93 dar, sondern für die gesamte Laufzeit, also für eine mehrjährige Tätigkeit. Über das Optionsrecht habe nur verfügt werden können, so lange das Beschäftigungsverhältnis bestanden habe. Das Gesamtpaket habe lediglich unter Einhaltung der vereinbarten Haltefristen ausgeübt werden können. Zwar wäre bei gestückelter Optionsausübung laufender Lohn anzunehmen gewesen. Im Streitjahr seien jedoch die gestückelten Optionsrechte im Ganzen veräußert worden, was eine Zusammenballung von Einkünften für den Zeitraum Juli 1993 bis Januar 1998 zur Folge gehabt habe. Im Zeitpunkt der Vergabe sei noch völlig ungewiss gewesen, wie sich der Wert der Aktien entwickeln würde. Bei diesem System werde die Entlohnung bewusst in die Zukunft verlagert. Dies stimme mit der vom Arbeitgeber bezweckten Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb überein. Dem stehe nicht entgegen, dass laufend Optionsrechte eingeräumt worden seien, da die Besteuerung nicht bei Einräumung, sondern bei Ausübung erfolge. Das vom FG herangezogene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. August 1966 VI 211/65 (BFHE 86, 512, BStBl III 1966, 545) sei nicht einschlägig, da die Aktienoptionsrechte --anders als die dort zu beurteilenden Tantiemen-- weder gewinnabhängig, noch zuvor fest vereinbart gewesen seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer durch ermäßigte Besteuerung des geldwerten Vorteils aus den Aktienoptionen als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit liege nicht vor. Wie der Kläger erstinstanzlich noch selbst vorgetragen habe, beruhten die mit Vergabevertrag vom 30. Juli 1993 gewährten Optionsrechte auf Leistungen, die er im Zeitraum vom 1. Juli 1992 bis 30. Juni 1993 --mithin innerhalb lediglich eines Jahres-- erbracht habe. Folglich könne es sich, selbst wenn die eingeräumten Optionsrechte erst Jahre später ausgeübt wurden, nicht um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit handeln. Hierfür spreche auch, dass die Mitarbeiter der GmbH immer im Juli eines jeden Jahres die Chance hätten, Aktienoptionen zugeteilt zu bekommen, was von den Leistungsbewertungen des jeweiligen Mitarbeiters für die vorangegangenen zwölf Monate abhänge. Die Gewährung von Aktienoptionen stelle somit in erster Linie eine zusätzliche Belohnung für die von dem betreffenden Mitarbeiter innerhalb eines Jahres erbrachten Leistungen dar. Es liege damit eine nachträglich gezahlte Vergütung für die Vergangenheit vor. Davon zu unterscheiden sei der weitergehende Zweck, den der Arbeitgeber mit der Gewährung von Aktienoptionen verfolge, nämlich die Bindung guter Mitarbeiter an das Unternehmen. Allein aus diesem Grund sei in dem Aktienoptionsvertrag als aufschiebende Bedingung für die Ausübung eine Mindestwartefrist vereinbart worden. Dies ändere aber nichts daran, dass die gewährte Option eine Entlohnung für die im Zeitraum Juli 1992 bis Juni 1993 erbrachten Leistungen darstellte. Der vorgenannte Zeitraum erstrecke sich über zwei Veranlagungszeiträume und entspreche dem abweichenden Wirtschaftsjahr der amerikanischen Muttergesellschaft, was dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Gleichbehandlung und nach dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 EStG nicht zum Vorteil gereichen dürfe. Abgesehen davon wäre eine Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG auch nicht mit dessen Sinn und Zweck zu vereinbaren, die Tarifprogression bei zusammengeballten Einnahmen abzumildern, da der Kläger ausweislich des Vergabevertrages vom 30. Juli 1993 die Möglichkeit gehabt habe, die gewährten Aktienoptionen gestaffelt über mehrere Jahre verteilt auszuüben.

II. Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG zu.

1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass Vorteile aus einem für Dienstleistungen gewährten Aktienoptionsprogramm in dem Jahr zu einem Lohnzufluss führen, in dem die Ansprüche aus den Optionsrechten erfüllt werden. Dabei errechnet sich der Vorteil aus der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis der Aktien am Verschaffungstag und den diesbezüglichen Aufwendungen des Arbeitnehmers (BFH-Urteil vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689).

2. Nach § 34 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung bemisst sich die tarifliche Einkommensteuer auf Einkünfte, die die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind, nach der sog. Drittelungsregelung.

a) Aktienoptionsrechte werden regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu bewirken. Dementsprechend stellen sie als Anreizlohn im Regelfall eine Vergütung für die Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung dar, und vergüten eine mehrjährige Tätigkeit, wenn die tatsächliche Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch beschäftigt ist. Deshalb ist der geldwerte Vorteil, ungeachtet der Endbesteuerung im Zuflussjahr, anteilig den Jahren der Laufzeit zuzuordnen mit der Folge, dass beispielsweise Vorteilsanteile, die auf Zeiten entfallen, in denen der Arbeitnehmer nicht unbeschränkt steuerpflichtig war, nach Maßgabe des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens von der inländischen Besteuerung freizustellen und ggf. nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu erfassen sind (BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, und I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512).

b) Der Charakter eines Anreizlohnes für die Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung bleibt davon unberührt, dass die betreffende Option nur einem beschränkten Kreis von Arbeitnehmern, ggf. nach einer Leistungsbeurteilung, eingeräumt wird. Die Auswahlkriterien für die Entscheidung, welcher Gruppe von Arbeitnehmern die Chance auf zusätzlichen Sachlohn gewährt wird, ändert grundsätzlich nichts daran, dass die Erwerbschance selbst Ertrag der Arbeit für die Zeit bis zur Einlösung des Optionsrechts darstellt. Zweck solcher Sonderzuwendungen ist nämlich nicht, bestimmte in der Vergangenheit erzielte Arbeitserfolge zusätzlich zu honorieren, sondern vielmehr, diese Arbeitnehmer dadurch an das Unternehmen zu binden, dass sie an Wertsteigerungen beteiligt werden und gleichzeitig einen Anreiz zu schaffen, hieran mitzuwirken. Diese typischerweise mit einer Aktienoption verfolgte Zielsetzung tritt lediglich in solchen Fällen in den Hintergrund, in denen die Umstände des Einzelfalles ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge der Vergangenheit zusätzlich honoriert werden sollten.

c) Eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit entfällt nicht dann, wenn Aktienoptionen wiederholt eingeräumt werden. Vielmehr stellen bei entsprechender Laufzeit die Vorteile aus jeder dieser Optionen eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Insbesondere sind solche Vorteile nicht mit Tantiemezahlungen vergleichbar. Bei Letzteren handelt es sich um Erfolgsvergütungen, die sich an in der Vergangenheit liegenden Kennziffern des Unternehmens orientieren und mit denen frühere Arbeitsleistungen über einen Zeitraum von regelmäßig nicht mehr als zwölf Monaten zusätzlich honoriert werden. Ihre Besonderheit liegt lediglich darin, dass das Auszahlungsjahr nicht mit dem Jahr, für welches die Vergütung erfolgt, übereinstimmt. Eine mehrjährige Tätigkeit wird dadurch nicht entgolten. Dagegen geht in den geldwerten Vorteil aus der Gewährung von Aktienoptionen der Wertzuwachs der Aktien der gesamten Laufzeit bis zur Erfüllung des Optionsrechts ein. Folglich stellen sie regelmäßig auch eine Entlohnung für diese Laufzeit dar.

3. In Anwendung obiger Grundsätze war die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG zu gewähren. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Optionsrechte für konkrete in der Vergangenheit erbrachte Arbeitserfolge gewährt worden sind, zumal nur ca. 15 % der Mitarbeiter nicht bezugsberechtigt waren. Deshalb bleibt es bei der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Regelfall von Aktienoptionen ausgesprochenen Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit.

Ende der Entscheidung

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