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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.05.2003
Aktenzeichen: VI R 5/98
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der 1957 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1991 als Krankenpfleger in der Intensivabteilung eines Krankenhauses beschäftigt. Der Bruttoarbeitslohn betrug ca. 57 000 DM. In der Einkommensteuererklärung 1991 machte er Aufwendungen für ein berufsbegleitendes Studium der Sozialpädagogik an der Universität A in Höhe von 2 959 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, und zwar Fahrtkosten in Höhe von 2 670 DM und Kosten für Arbeitsmittel in Höhe von 289 DM. Die Fahrtkosten wurden nach Dienstreisegrundsätzen berechnet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 900 DM nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben zum Abzug zu. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, er wolle sich vom Krankenpfleger zum Sozialarbeiter im Krankenhaus fortbilden. Seine jetzige Tätigkeit als Krankenpfleger umfasse sowohl die medizinische Pflege als auch die Unterstützung des Patienten in sozialen Belangen. Diese soziale Komponente seines Berufs wolle er mit dem berufsbegleitenden Studium der Sozialpädagogik ausbauen. Zur Erläuterung bezog er sich auf eine Berufsinformationskarte der Bundesanstalt für Arbeit zum Beruf "Sozialarbeiter" bzw. "Sozialpädagoge", in welcher der Studiengang, der Studienabschluss (Diplom- bzw. Magisterprüfung) und die Tätigkeitsschwerpunkte (z.B. Krankenhaussozialdienst) geschildert werden, sowie auf die Hinweise der Bundesanstalt für Arbeit zu den Aufstiegsmöglichkeiten eines Kinderkrankenpflegers (z.B. zum Diplom-Sozialpädagogen).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 640 veröffentlichten Gründen statt. Es führte im Wesentlichen dazu aus, die Studienkosten des Klägers seien als Fortbildungs- und damit Werbungskosten zu qualifizieren. Der Kläger habe eine Ausbildung als Krankenpfleger absolviert und sei langjährig als solcher tätig gewesen. Das Studium der Sozialpädagogik sei zwar ein "erstmaliges", ziele indes auf eine Tätigkeit als Sozialarbeiter im Krankenhaus, wie sich aus den Berufsweiterbildungshinweisen der Bundesanstalt für Arbeit ergebe. Da die dem Kläger durch sein Studium zuwachsenden Kenntnisse auch für den ausgeübten Beruf (Krankenpfleger auf einer Intensivstation) förderlich seien, könne offen bleiben, ob die streitigen Aufwendungen als aktuelle oder vorab entstandene Werbungskosten abzuziehen seien.

Mit der Revision macht das FA geltend, das Urteil des FG widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Aufwendungen für ein erstmaliges Studium seien typisierend stets Ausbildungskosten und damit als Sonderausgaben nur begrenzt abzugsfähig. Die Tätigkeit als Sozialarbeiter in einem Krankenhaus setze nicht die Ausbildung zum Krankenpfleger voraus. Das Studium der Sozialpädagogik vermittele dem Kläger nicht in erster Linie vertieftes Wissen für seine bisher ausgeübte Tätigkeit, sondern eine neue Berufsgrundlage, die einen Wechsel in eine neue Berufsart ermögliche.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium sind als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn sie beruflich veranlasst sind. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die insoweit geänderte Rechtsprechung im Urteil vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407) verwiesen.

Im Streitfall hat das FG anhand seiner tatsächlichen Feststellungen zutreffend die berufliche Veranlassung des Erststudiums bejaht. Der berufliche Anlass ist deswegen gegeben, weil der Kläger nach Jahren der Berufstätigkeit das Studium der Sozialpädagogik aufgenommen hat, um seine Kenntnisse als Krankenpfleger zu erweitern und um eine --nach den Hinweisen der Bundesanstalt für Arbeit vorgesehene-- Aufstiegsmöglichkeit zum Sozialarbeiter im Krankenhausdienst nutzen zu können. Die Studienkosten dienten nicht nur dem Erwerb gegenwärtiger Einnahmen, sondern standen auch in einem hinreichend klaren, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen Einnahmen aus der angestrebten Sozialarbeitertätigkeit. Sie sind grundsätzlich als (vorab entstandene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.

Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Die Tatsachenfeststellungen des FG lassen hinsichtlich der einzelnen vom Kläger geltend gemachten Fahrtkosten keine abschließende Beurteilung zu. Das FG wird über die Höhe der Aufwendungen erneut --unter Beachtung der Grundsätze des Urteils vom 29. April 2003 VI R 86/99 (DStR 2003, 973)-- zu entscheiden haben. Insbesondere wird zu würdigen sein, ob angesichts der häufigen Fahrten des Klägers zur Universität (120 Fahrten pro Jahr) diese als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen ist.

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