Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.07.2001
Aktenzeichen: VI R 77/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 Satz 3
Wohnt ein in dem Haushalt des Kindergeldberechtigten aufgenommenes Kind am auswärtigen Ausbildungsort, können regelmäßig Aufwendungen sowohl für Fahrten zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und der Ausbildungsstelle als auch für Fahrten von und zum Haushalt des Kindergeldberechtigten als besondere Ausbildungskosten berücksichtigt werden.
Gründe:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt bis Dezember 1998 für seinen am 11. Juni 1978 geborenen Sohn M Kindergeld. Mit Bescheid vom 24. November 1998 hob der Beklagte und Revisionskläger (das Arbeitsamt --Familienkasse--) die Festsetzung des Kindergeldes ab 1. Januar 1999 auf, da die maßgebende Einkommensgrenze überschritten werde. M begann am 1. Oktober 1998 bei der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Automatisierungs-, Daten- und Nachrichtentechnik in X (im Folgenden: Schule) eine zweijährige Ausbildung zum Industrietechnologen. Träger der Schule ist die rechtsfähige Stiftung Y Akademie. Grundlage der Ausbildung ist der Vertrag zwischen M und der Schule vom 27. Mai 1998. Gemäß Nr. 8 des Ausbildungsvertrages wird kein Anstellungsverhältnis mit der Y AG begründet. Während der Ausbildung erhält M von der Y AG ein monatliches Stipendium von 1 150 DM im ersten und 1 250 DM im zweiten Ausbildungsjahr. M bewohnt in X ein möbliertes Zimmer, das ca. drei Kilometer von der Schule entfernt liegt.

Die Familienkasse ging davon aus, dass das Stipendium steuerfreie Bezüge darstelle. Diese würden im Kalenderjahr 1999 13 740 DM betragen und damit die Einkommensgrenze von 13 020 DM überschreiten. Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wurde vorgetragen, bei dem Stipendium handle es sich um steuerpflichtige Einnahmen i.S. von § 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die um Fahrtkosten, Schulgeld und Aufwendungen für die Wochenendheimfahrten zu vermindern seien.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 24. November 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt hatte, statt. M, der als noch nicht 27-Jähriger im ganzen Kalenderjahr 1999 ausgebildet worden sei, habe den maßgebenden Jahresgrenzbetrag von 13 020 DM nicht überschritten. Bei dem Stipendium in Höhe von 14 100 DM habe es sich weder um Arbeitslohn, noch um nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfreie Bezüge, sondern um Einnahmen i.S. von § 22 Nr. 1 EStG gehandelt. Hiervon seien die vom Kläger substantiiert und glaubhaft dargelegten Aufwendungen des M für Fahrten zwischen seinem Zimmer und der Schule (200 x 6 x 0,52 DM = 624 DM) und für Heimfahrten (30 x 680 x 0,52 DM = 10 608 DM) abzuziehen, sodass der Jahresgrenzbetrag unterschritten werde.

Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung von § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten wird. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das Stipendium bei den Einkünften oder bei den Bezügen zu erfassen war. Wie der Senat nach Ergehen der Vorentscheidung im Urteil vom 14. November 2000 VI R 128/00 (BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495) ausgeführt hat, ist ausbildungsbedingter Mehrbedarf --wenn er mit erzielten steuerpflichtigen Einnahmen im Zusammenhang steht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei diesen-- und andernfalls gemäß § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG von der Summe aus Einkünften und Bezügen abzuziehen. Da sich die ausbildungsbedingten Mehraufwendungen dem Grunde und der Höhe nach an den Beträgen orientieren, die im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses als Werbungskosten zu berücksichtigen wären (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491, unter 2. c), können sowohl Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und der Ausbildungsstätte abgezogen werden, also auch solche für Fahrten von und zu einer weiter entfernt liegenden Wohnung zum Ausbildungsort, wenn diese Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes bildet (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1985 VI R 7/83, BFHE 145, 386, BStBl II 1986, 221). Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes wird sich regelmäßig bei der Wohnung des Kindergeldberechtigten befinden, zu dessen Haushalt das Kind gehört (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Danach zählen zu den ausbildungsbedingten Mehraufwendungen dem Grunde nach auch die vom FG berücksichtigten Fahrtkosten, die allerdings nicht mit den bei Dienstreisen, sondern mit den bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Zuge kommenden Beträgen anzusetzen sind (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 52/98, BFHE 193, 453, BStBl II 2001, 489). Zusätzlich können Studiengebühren abgezogen werden (BFH-Urteil in BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491). Geht man von den vom FG dem Grunde nach festgestellten Fahrten aus, wird der Jahresgrenzbetrag auch dann deutlich unterschritten, wenn die Aufwendungen statt mit 0,52 DM je gefahrenen Kilometer lediglich mit 0,70 DM je Entfernungskilometer berücksichtigt werden.

Ende der Entscheidung

Zurück